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VfGH: Gesetzesprüfung – Einsicht in WiEReg

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

B-VG: Art 7

DSG: § 1

EMRK: Art 8, Art 10, Art 14

StGG: Art 2

WiEReG: § 9, § 10, § 10a, § 12

Gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 lit b B-VG wird die Verfassungsmäßigkeit des § 10 und des § 10a WiEReG von Amts wegen geprüft:

Nach der vorläufigen Auffassung des VfGH ist dem Gesetzgeber im Hinblick auf Art 10 EMRK grds nicht entgegenzutreten, wenn er sich – im Gefolge des Urteils EuGH 22. 11. 2022, C-37/20 und C-601/20, WM ua (= RdW 2022/656) – dazu entschieden hat, das Einsichtsrecht in das Register der wirtschaftlichen Eigentümer – abgesehen von den Behörden (§ 12 WiEReG) und den Verpflichteten (§ 9 WiEReG) – in § 10 WiEReG auf Personen zu beschränken, die ein in dieser Regelung näher bestimmtes „berechtigtes Interesse“ nachweisen können.

Der VfGH hat jedoch zunächst das Bedenken, dass das vom Einsichtswerber nachzuweisende „berechtigte Interesse“ in § 10 Abs 2 WiEReG unverhältnismäßig eingeschränkt wird – und daher Art 10 EMRK zuwiderläuft. § 10 Abs 2 WiEReG verlangt für das berechtigte Interesse an einer Einsicht von Angehörigen von journalistischen Berufen, der Wissenschaft und zivilgesellschaftlichen Organisationen nämlich einen Bezug zur Verhinderung der Geldwäsche, der Terrorismusfinanzierung oder der Umgehung von unmittelbar anwendbarer Sanktionsmaßnahmen der EU bzw nach dem SanktG. Es genügt dementsprechend nicht, dass dieser Personenkreis (irgend)ein berechtigtes Interesse iSd Art 10 EMRK geltend machen kann.

Der VfGH geht ferner vorläufig davon aus, dass § 10 WiEReG das Einsichtsrecht auch für Personen mit berechtigtem Interesse unverhältnismäßig beschränken dürfte und dass von § 10 Abs 1 WiEReG nicht erfasste Daten Informationen von öffentlichem Interesse sein können, die zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen. Dies dürfte etwa bei den historischen Daten (§ 9 Abs 3 WiEReG) der Fall sein, bei den Angabe, ob die wirtschaftlichen Eigentümer durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter festgestellt und überprüft wurden bzw ob nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten die wirtschaftlichen Eigentümer nicht festgestellt und überprüft werden konnten (§ 9 Abs 4 Z 7a und Z 7c WiEReG) oder bei der automationsunterstützt generierten Darstellung aller bekannten Beteiligungsebenen, die für die Ermittlung des wirtschaftlichen Eigentümers relevant sind (§ 9 Abs 5 Z 1 WiEReG).

Für den VfGH ist vorläufig auch nicht erkennbar, warum der Gesetzgeber das Einsichtsrecht von Verpflichteten iSd § 9 Abs 1 WiEReG umfassender ausgestaltet hat als das Einsichtsrecht von Personen mit berechtigtem Interesse (§ 10 WiEReG). Dies dürfte gegen das Grundrecht auf Informations- und Meinungsfreiheit gem Art 10 iVm Art 14 EMRK bzw gegen den Gleichheitsgrundsatz gem Art 2 StGG und Art 7 B-VG verstoßen.

Im Gesetzesprüfungsverfahren wird ua zu klären sein, ob Personen mit berechtigtem Interesse gem § 10 WiEReG tatsächlich Einsicht in sämtliche in § 9 WiEReG angeführte Daten zu gewähren ist. Bei der Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Informations- und Meinungsfreiheit und dem Grundrecht auf Datenschutz (insb gem § 1 DSG iVm Art 8 EMRK) wird ua zu berücksichtigen sein, ob und aus welchen Gründen der Gesetzgeber in anderen Gesetzen als dem WiEReG bestimmte Dokumente (Daten) von der (allgemeinen oder beschränkten) Einsicht ausgenommen hat.

VfGH 11. 3. 2025, E 2888/2024

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36600 vom 07.04.2025