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VfGH: Mindeststrafe für Nichtausreise bei rechtswidrigem Aufenthalt

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

B-VG: Art 7

FPG: § 120

StGG: Art 2

Der VfGH hat es in seinem Erkenntnis G 53/10 ua vom 9. 3.2011 (VfSlg 19.351/2011, Rechtsnews 10836) als verfassungswidrig erachtet, dass die Mindeststrafe in § 120 Abs 1 FPG in der vormaligen Fassung BGBl I 2009/122 von € 1.000,– für Tatbestände der rechtswidrigen Einreise und des rechtswidrigen Aufenthaltes eine Vielzahl unterschiedlicher Sachverhalte – daher Verstöße ganz unterschiedlicher Gravität und sohin ohne gebotene Differenzierung – dem gleichen Strafmaß zuordnete, ohne eine hinreichende Berücksichtigung der Unterschiede im Tatsächlichen zu ermöglichen.

In der Folge wurde § 120 FPG (neu) beschlossen, der nunmehr für unterschiedliche Sachverhaltskonstellationen der rechtswidrigen Einreise und des rechtswidrigen Aufenthaltes entsprechend auch unterschiedliche Strafdrohungen vorsieht.

Die mit BGBl I 2017/145 nun festgesetzte Mindeststrafe in § 120 Abs 1b FPG von € 5.000,–, die über einen Fremden bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 120 Abs 1b FPG jedenfalls zumindest zu verhängen ist, differenziert iSd Erkenntnisses VfSlg 19.351/2011 weiterhin nicht hinreichend. Denn die verschiedenen Konstellationen des § 120 FPG unterliegen Mindeststrafsanktionen, ohne die verwirklichten unterschiedlichen Unwertgehalte hinreichend zu berücksichtigen. Eine Anwendung des § 20 VStG oder etwa des § 45 Abs 1 Z 4 VStG, die durch eine begünstigende Rücksichtnahme auf bestimmte Umstände in einzelnen Fällen ein Unterschreiten der Mindeststrafe bzw ein Absehen von einem Strafverfahren ermöglichen, vermag die durch die Mindeststrafe von € 5.000,– in § 120 Abs 1b FPG bewirkte im Verhältnis zu den sonstigen in § 120 FPG enthaltenen Straftatbeständen und Strafdrohungen unzureichende Differenzierung nicht zu rechtfertigen. Die rechtlich notwendige Differenzierung vermag nach Wegfall der Mindeststrafe in § 120 Abs 1b FPG hingegen die Rsp zu leisten.

Die Festlegung der Mindeststrafe von € 5.000,– in § 120 Abs 1b FPG verstößt deshalb gegen das aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleitete Sachlichkeitsgebot. Die Wort- und Ziffernfolge „von 5 000“ in § 120 Abs 1b FPG wird daher als verfassungswidrig aufgehoben.

VfGH 10. 3. 2020, G 163/2019 ua

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 28858 vom 03.04.2020