News

VfGH: Schutzgewährung für Familienangehörige – Prüfungsbeschluss

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AsylG 2005: § 2, § 34

BVG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung: Art I

BVG über die Rechte von Kindern: Art 1

Der VfGH hat beschlossen, § 2 Abs 1 Z 22 und § 34 Abs 1, 2, 4 und 5 AsylG 2005 von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

Art I Abs 1 des BVG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 1973/390, enthält ein Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander. Deren Ungleichbehandlung ist nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Dieses Gleichbehandlungsgebot dürften nach vorläufiger Ansicht des VfGH die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des § 2 Abs 1 Z 22 und des § 34 Abs 1, 2, 4 und 5 AsylG 2005 verletzen, indem es einem minderjährigen Kind zwar ermöglicht wird, den Schutzumfang seiner Eltern abgeleitet zu erlangen, nicht jedoch den seines gesetzlichen Vertreters. Zum anderen kann der gesetzliche Vertreter den Schutzumfang seines minderjährigen Schutzbefohlenen abgeleitet erlangen; dies gilt aber nicht im umgekehrten Fall. Für den VfGH ist vorerst keine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung zu erkennen.

Gemäß Art 1 erster Satz des BVG über die Rechte von Kindern hat jedes Kind Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit. Der VfGH geht vorläufig davon aus, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen auch gegen Art 1 leg cit verstoßen. Der Gesetzgeber dürfte die Möglichkeit der Ableitung des Status des Asylberechtigten bzw des subsidiär Schutzberechtigten von Eltern bzw Elternteilen für das minderjährige Kind am Kindeswohl ausgerichtet haben. Ebenso dürfte der Gesetzgeber die Ableitung des Schutzumfangs des gesetzlichen Vertreters vom Status des minderjährigen Kindes als im Interesse des Kindeswohles gelegen erachtet haben. Der VfGH geht vorläufig davon aus, dass es auch im Interesse des Kindeswohls liegen dürfte, seinen Status von jenem des gesetzlichen Vertreters ableiten zu können, sodass auch von einem Verstoß gegen Art 1 erster Satz BVG über die Rechte von Kindern auszugehen sein dürfte.

VfGH 13. 12. 2019, E 698/2019 (G 298/2019)

Hinweis:

Der Volltext der Entscheidung ist derzeit auf der Homepage des VfGH (www.vfgh.gv.at ) unter „Rechtsprechung“ - „Prüfungsbeschlüsse “ abrufbar.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 28469 vom 23.12.2019