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VfGH: Schweinehaltung – zu lange Übergangsfrist für Vollspaltenbuchten

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

B-VG: Art 7

StGG: Art 2

TSchG: § 18, § 44

§ 18 Abs 2a TSchG (eingefügt mit BGBl I 2022/130) ordnet ein Verbot der Haltung von Schweinen in unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich an. Das Verbot des § 18 Abs 2a TSchG erfährt allerdings durch § 44 Abs 29 bis 32 TSchG eine Relativierung, indem bestehenden Betrieben eine 17-jährige Umsetzungsfrist eingeräumt wird: § 18 Abs 2a TSchG tritt mit 1. 1. 2023 für alle ab diesem Datum baurechtlich bewilligten neu gebauten oder umgebauten Anlagen in Kraft, für alle sonstigen bestehenden Haltungseinrichtungen, die den bis dahin geltenden tierschutzrechtlichen Bestimmungen entsprechen, jedoch erst mit 1. 1. 2040. Diese Übergangsfrist ist sowohl als Ausfluss der Planungssicherheit als auch des Investitionsschutzes für Landwirte zu werten.

Der Gesetzgeber hat die Wertung, dass die Haltung von Schweinen in unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich verboten sein soll, im Hinblick auf das Ziel des Tierschutzes getroffen; es ist daher sachlich nicht gerechtfertigt, wenn er mit der Festlegung einer 17-jährigen Übergangsfrist einseitig auf den Investitionsschutz abstellt und bei der Abwägung den Tierschutz nicht adäquat berücksichtigt.

Mit der vorgesehenen Differenzierung zwischen Haltungsanlagenbetreibern, die einen Betrieb am 1. 1. 2023 neu errichten bzw umbauen, und jenen, die vor diesem Stichtag bereits eine Anlage betrieben haben, hat der Gesetzgeber eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung geschaffen, indem neuen Betreibern höhere Markteintrittskosten auferlegt werden und die bewirkte Ungleichheit in Bezug auf den Wettbewerb für 17 Jahre aufrechterhalten wird.

Der VfGH ist daher der Auffassung, dass die Dauer der Übergangsregelung überschießend lang und sachlich nicht gerechtfertigt ist, weshalb sich § 44 Abs 29 TSchG als verfassungswidrig erweist. § 44 Abs 29 TSchG idF BGBl I 2022/130 wird daher mit Ablauf des 31. 5. 2025 wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig aufgehoben.

§ 44 Abs 30, 31 und 32 TSchG stehen mit § 44 Abs 29 TSchG in einem untrennbaren Zusammenhang, weil der Zeitplan für die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen (§ 44 Abs 30 bis 32 TSchG) auf der Übergangsbestimmung des § 44 Abs 29 TSchG aufbaut; sie sind daher ebenfalls mit 31. 5. 2025 als verfassungswidrig aufzuheben.

VfGH 13. 12. 2023, G 193/2023, V 40/2023

Entscheidung

Zurückgewiesen wird der Antrag hinsichtlich § 18 Abs 2a TSchG (BGBl I 2004/118 idF BGBl I 2022/130) sowie hinsichtlich der angefochtenen Punkte der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung (BGBl II 2004/485, zuletzt idF BGBl II 2022/296).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34936 vom 09.01.2024