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Vorabentscheidungsersuchen: Preiswerbung für Arzneimittel

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2001/83/EG idF RL 2004/27/EG: Art 86 Art 87, Art 87, Art 90

Öffentlichkeitswerbung ist nach der RL 2001/83/EG [zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel] idF RL 2004/27/EG für nicht verschreibungspflichtige Medikamente zulässig. Als Werbung für Arzneimittel gelten gem Art 86 Abs 1 RL Gemeinschaftskodex „alle Maßnahmen zur [...] Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, [...] den Verkauf [...] von Arzneimitteln zu fördern“. In den (hier relevanten) Art 86 bis 90 RL Gemeinschaftskodex findet sich kein explizites Verbot einer Preiswerbung bzw keine ausdrückliche Ermächtigung der Mitgliedstaaten, ein solches vorzusehen. Ein Verbot der Preiswerbung für Arzneimittel könnte jedoch nach Ansicht des VwGH mit dem Gesichtspunkt der Förderung des zweckmäßigen Einsatzes eines Arzneimittels iSd Art 87 Abs 3 erster Teilstrich der RL 2001/83/EG gerechtfertigt werden. Der 45. Erwägungsgrund der RL weist darauf hin, dass sich Öffentlichkeitswerbung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel auf die öffentliche Gesundheit auswirken könnte, wenn sie übertrieben und “unvernünftig“ ist. Diesbezüglich ist zu erwarten, dass Werbung mit Hinweis auf einen besonders günstigen Preis oder einen „Stattpreis“ Verbraucher dazu verleiten kann, mehr Arzneimittel zu kaufen, als zweckmäßig bzw vernünftig ist.

§ 18 Abs 3 Z 5 der Berufsordnung (für den Apothekerberuf) sieht kein generelles Verbot von Online-Werbung vor, sondern ein Preiswerbungsverbot für Arzneimittel generell (dh nicht beschränkt auf Online-Werbung). Nach den Erläuterungen zur Berufsordnung dienen die Werbebeschränkungen des § 18 Berufsordnung insb auch dem Ziel, dem Mehrverbrauch oder Fehlgebrauch von Arzneimitteln entgegen zu wirken.

Anders als in den Sachverhalten zu bisherigen EuGH-Verfahren hat der Revisionswerber (Konzessionsinhaber einer Apotheke) nicht mit Preisnachlässen auf den Gesamtpreis geworben, sondern mit “Stattpreisen“ für ganz bestimmte, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Ob die RL Gemeinschaftskodex einem Preiswerbungsverbot entgegensteht, ist für den VwGH nicht ohne weiteres beantwortbar - auch vor dem Hintergrund des Urteils EuGH 19. 10. 2016, Deutsche Parkinson Vereinigung e.V., C-148/15, wonach Preiswettbewerb den Patienten Vorteile bringen könnte. Der VwGH möchte daher vom EuGH wissen, ob Art 87 Abs 3 und 90 RL 2001/83/EG idF RL 2004/27/EG dahingehend auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die Preiswerbung für Arzneimittel verbietet.

VwGH 10. 6. 2022, Ra 2021/09/0270 (EU 2022/0011)

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32768 vom 05.07.2022