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WAG 2007: § 76
Bei Auslegung des (hier) WAG 2007 ist auf die Erwägungen der RL 97/9/EG [über Systeme für die Entschädigung der Anleger (AERL)] Rücksicht zu nehmen. Gem § 76 Abs 2 WAG 2007 können Forderungsberechtigte aus Wertpapierdienstleistungen während eines Zeitraums von einem Jahr ab der Eröffnung des Konkurses oder der Mitteilung der zuständigen Behörde ihre Ansprüche bei der Entschädigungseinrichtung anmelden. Gem Art 9 Abs 1 AERL muss das Entschädigungssystem „geeignete Maßnahmen“ treffen, um die Anleger über die Insolvenzeröffnung zu unterrichten und sie im Entschädigungsfalle so rasch wie möglich zu entschädigen. Eine Pflicht zur individuellen Verständigung der Anleger durch die Entschädigungseinrichtung (Bekl) ist weder im österreichischen Gesetz noch in der AERL festgelegt.
Wenn die Vorinstanzen die Veröffentlichung der Konkurseröffnung in der Ediktsdatei und die Einschaltungen auf der Homepage der Bekl als „geeignete Maßnahmen“ iSd Art 9 Abs 1 AERL qualifiziert haben, ist dies jedenfalls keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung. Bekanntmachungen im Internet sind durchaus üblich. Durch die offene Formulierung „geeignete Maßnahmen“ in der AERL wurde den Mitgliedstaaten ein breiter Spielraum eingeräumt. Hätte der europäische Gesetzgeber eine öffentliche Bekanntmachung in einer Ediktsdatei oder im Internet ausschließen wollen, hätte er dies in der AERL zweifellos zum Ausdruck gebracht.
In der Nachfolge-Richtlinie (Art 16 Abs 3 RL 2014/49/EU) ist ausdrücklich die Bekanntmachung auf der Website des Einlagensicherungssystems vorgesehen.
Hinweis:
Das WAG 2018 war hier noch nicht anzuwenden. § 76 Abs 2 WAG 2007 ist nunmehr in § 74 Abs 6 WAG 2018 geregelt.
Entscheidung
Einschaltungen auf der Homepage der Entschädigungseinrichtung
Aus dem Sachverhalt ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die Kl nicht in der Lage gewesen wären, die Ediktsdatei und die Homepage der Bekl anzusehen.
Die – insgesamt drei – Einschaltungen auf der Homepage der Bekl waren auch nicht geeignet, Anleger von der Anmeldung ihrer Ansprüche abzuhalten:
In den beiden ersten Einschaltungen wird zwar erwähnt, dass die gesetzliche Entschädigungseinrichtung von keiner Leistungsverpflichtung in gegenständlicher Causa ausgehe, dennoch wurde über die Rechte der Anleger informiert und konkret die Adresse angegeben, an die die Ansprüche zu richten und welche Unterlagen dafür erforderlich seien. Die Bekl bemühe sich um Klärung, ob und in welchem Umfang Ansprüche gegen die Entschädigungseinrichtung bestünden.
Eine Woche vor Ablauf der Jahresfrist wurde die dritte Einschaltung veröffentlicht, worin auf den baldigen Ablauf der Frist hingewiesen und ausgeführt wurde, welche Unterlagen erforderlich seien, um mit einer Anmeldung noch die Frist zu wahren.
Diese Einschaltungen sind bei objektiver, verständiger Würdigung ihres Erklärungsinhalts von einem Anleger so zu verstehen, dass er seine Ansprüche jedenfalls innerhalb der Jahresfrist anmelden sollte, um eine Verfristung zu vermeiden. Insgesamt wird der Eindruck vermittelt, es sei zwar noch unsicher, ob letztlich eine Entschädigung gezahlt werde, die Anmeldung sei jedoch auf jeden Fall sinnvoll.
Jahresfrist
Soweit die Jahresfrist des § 76 Abs 2 WAG 2007 als zu kurz kritisiert wird, ist auf Art 9 Abs 1 AERL zu verweisen, wonach sogar eine Frist von nur fünf Monaten zulässig ist.
Dass die Gesetzeslage in einzelnen anderen Mitgliedstaaten der EU anders bzw für Anleger günstiger ist, ist irrelevant, weil der vorliegende Fall nach österreichischem Recht zu beurteilen ist.