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Wertpapiere: Haftung des Vorstandsvorsitzenden der Market Maker-Bank

Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: §§ 1301, 874

Nach der Rsp kommt ein Irrtum durch irreführende Werbebroschüren über die Risikogeneigtheit und Wertstabilität eines Wertpapiers als Haftungsgrund infrage. Der Vorstandsvorsitzende einer Bank, die irreführende Werbeunterlagen zu vertreten hat, kann gem § 1301 ABGB Mittäter oder Beitragstäter zu gem § 1295 Abs 2, § 1300 Satz 2 oder § 874 ABGB verpöntem Verhalten sein, wenn sein Handeln vom entsprechenden Vorsatz getragen war.

Im vorliegenden Fall war der Bekl (ua) Vorstandsvorsitzender einer Bank, die aufgrund einer „Platzierungs- und Market Maker-Vereinbarung“ (PMM-Vereinbarung; auch: PMMA) mit der Emittentin der Wertpapiere (hier: aktienvertretende MEL-Zertifikate) als Market Maker tätig war. Nach der PMM-Vereinbarung sollte die Bank die Marketing- und Werbemaßnahmen mit der Emittentin „koordinieren“; diese war wiederum ausdrücklich dazu verpflichtet, „vor Verwendung jedweden Marketing-, Werbe- bzw Informationsmaterials“ die schriftliche Zustimmung der Bank einzuholen.

In den inkriminiterten Werbebroschüren für interessierte Anleger wurden die Zertifikate unrichtig als „Aktien“ bezeichnet und der falsche Eindruck erweckt, dass diese Wertpapiere nicht den Schwankungen des Aktienmarkts unterliegen würden und daher sicherer als andere seien. Der Bekl kannte den Inhalt der Werbebroschüren; ihm war bewusst, dass die Aussage, die Zertifikate seien eine „sichere, breit gestreute Immobilienveranlagung in Zeiten stark schwankender Aktienmärkte“, nicht richtig war. Das von ihm mitgestaltete Marketingkonzept zielte darauf ab, ein möglichst breites Publikum anzusprechen, insb auch risikoaverse Sparbuch- und Bausparer. Er nahm es bewusst in Kauf, dass Kunden ein falsches Bild von der Sicherheit dieses Produkts vermittelt bekamen, um sie zu einer Investition in die Zertifikate zu verleiten.

Das BerufungsG qualifizierte die festgestellte Mitwirkung des Bekl an der Erstellung und Verbreitung der Broschüre als aktive Beitragshandlung. Diese Rechtsansicht ist nicht korrekturbedürftig, weil feststeht, dass der Bekl das Marketingkonzept mitgestaltet hat und die PMM-Vereinbarung ausdrücklich eine Zustimmungsverpflichtung der Bank „vor Verwendung jedweden Marketing-, Werbe- bzw Informationsmaterials“ festlegt. Damit bestand für die Bank auch die Pflicht, bei bekanntermaßen irreführenden Angaben die Zustimmung zu verweigern.

Von der stRsp gedeckt ist auch die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Bekl hafte der kl Anlegerin gem §§ 1301, 874 ABGB wegen Beihilfe an der irreführenden Werbung, weil er die Werbemaßnahmen in seiner Funktion als Vorstand gebilligt hat, wusste, dass diese zur Irreführung der Anleger geeignet waren, und billigend in Kauf nahm, dass Anleger aufgrund der Angaben in den Werbebroschüren Wertpapiere erwerben würden, die sie bei richtiger Information nicht erworben hätten. Aufgrund des Wissens des Bekl von der Unrichtigkeit der Informationen in den Werbebroschüren spielt die Frage einer allfälligen Ressortzuständigkeit keine Rolle.

OGH 3. 7. 2025, 6 Ob 81/25t

Entscheidung

Die Bank war nach der PMM-Vereinbarung weiters verpflichtet, sämtliche bei Kapitalerhöhungen der Emittentin nicht platzierten Zertifikate zu zeichnen (mit Geldern der Emittentin). Drei Ad-hoc-Meldungen der Emittentin aus den Jahren 2005 und 2006 waren unrichtig und irreführend, weil ein relevanter Prozentsatz der ausgegebenen Wertpapiere nicht am Markt bei (außenstehenden) Dritten platziert und im Ergebnis mit Geldern der Emittentin selbst durchgeführt wurde (vgl schon 10 Ob 86/14s, RdW 2016/195, GesRZ 2016, 68 [Kalss/Oppitz]).

Im vorliegenden Fall hegt der OGH in diesem Zusammenhang auch keine Bedenken gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Bekl hafte der kl Anlegerin gem §§ 1301, 874 ABGB aus Beihilfe zur Verletzung der Ad-hoc-Meldepflicht der Emittentin, weil er die Meldungen in seiner Funktion als Vorstand der Bank gekannt und genehmigt hat und wusste, dass die falschen Informationen in den Ad-hoc-Meldungen zur Irreführung der Anleger geeignet waren, sowie weiters wollte, dass Anleger aufgrund der (unrichtigen) Informationen in den Ad-hoc-Meldungen davon ausgehen, dass die Kapitalerhöhungen zur Gänze am Markt platziert wurden sowie eine starke Nachfrage nach den Zertifikaten besteht, und deshalb eine Investitionsentscheidung treffen, die sie bei Kenntnis der nicht platzierten Kapitalerhöhungen und der Rückkäufe nicht gewollt hätten. Aufgrund des Wissens des Bekl von der Unrichtigkeit der Informationen in den Ad-hoc-Meldungen spielt die Frage einer allfälligen Ressortzuständigkeit auch hier keine Rolle.

Nicht korrekturbedürftig ist auch die Qualifikation der festgestellten Mitwirkung des Bekl an der Veröffentlichung der unrichtigen Ad-hoc-Mitteilungen als aktive Beitragshandlung. Diesbezüglich hat der OGH bereits eine aktive Beitragshandlung des Bekl bejaht (vgl 10 Ob 86/14s, RdW 2016/195, GesRZ 2016, 68 [Kalss/Oppitz]). Damit stellen sich auch hier keine Fragen iZm einer Begehung durch Unterlassen.

Der vom Bekl behauptete Vergleichsabschluss zwischen der kl Anlegerin und der Bank konnte nicht festgestellt werden. Selbst wenn feststehen würde oder unstrittig sein sollte, dass die Kl wollte, dass ihr Rechtsvertreter einen Vergleich herbeiführt, würde auch dies nichts daran ändern, dass ihr Angebot niemals der Bank zugegangen ist. Eine mögliche Untätigkeit des Vertreters der Kl kann nicht zur Fiktion eines Zugangs der Erklärung an die Bank führen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 37013 vom 05.08.2025