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Zentrales Personenstandsregister: Streichung des Geschlechtseintrags unzulässig

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

EMRK: Art 8

PStG 2013: § 2, § 11, § 35, § 40, § 41

Das Geschlecht einer Person gehört gem § 2 Abs 1 iVm Abs 2 Z 3 PStG 2013 zu den allgemeinen Personenstandsdaten (Daten zum Personenkern), die gem § 11 Abs 1 PStG 2013 von der Personenstandsbehörde einzutragen sind. Die Eintragung des Geschlechts in das ZPR erfolgt im Zuge der Eintragung der Geburt.

Nach dem klaren Wortlaut der maßgeblichen Bestimmungen des PStG 2013 ist die Personenstandsbehörde zur Eintragung der Personenstandsfälle sowie der diesen Personenstandsfällen zugrunde liegenden Personenstandsdaten verpflichtet (vgl § 35 PStG 2013) und hat eine Eintragung zu ändern (vgl § 41 Abs 1 PStG 2013), wenn sie nach der Eintragung unrichtig geworden ist. Die entsprechenden Eintragungen (im ZPR) sind zwingend vorgesehen (argum: „sind ... einzutragen“; „ist ... vorzunehmen“ etc; vgl in diesem Sinn auch die Materialen zu § 35 PStG 2013, RV 1907 BlgNR 24. GP, 10). Die betreffenden Personenstandsfälle bzw Personenstandsdaten - und somit auch das Geschlecht - haben daher im ZPR aufzuscheinen. Dieses Erfordernis ergibt sich im Übrigen auch aus dem Grundsatz der Vollständigkeit der einzutragenden Daten (§ 40 Abs 1 PStG 2013).

Demnach ist auch das Geschlecht einer Person - im Zuge der Eintragung des Personenstandsfalls der Geburt - im ZPR einzutragen und hat (in weiterer Folge) im ZPR aufzuscheinen. Eine (ersatzlose) Streichung des Eintrags des Geschlechts ist daher nach Maßgabe des PStG 2013 unzulässig, zumal mit der Streichung bewirkt würde, dass ab dem Zeitpunkt der Freischaltung im ZPR (§ 40 Abs 2 PStG 2013), kein Geschlecht der betreffenden Person (mehr) eingetragen wäre, was der dargelegten Rechtslage nach dem PStG 2013 widerspricht.

Vor diesem Hintergrund kann die in § 41 Abs 1 PStG 2013 vorgesehene „Änderung“ des Eintrags nicht dahin verstanden werden, dass damit auch die Streichung des Geschlechts ermöglicht würde; vielmehr verpflichtet diese Bestimmung die Personenstandsbehörde dazu, das eingetragene Geschlecht einer Person auf Antrag durch einen anderen - nach Maßgabe der rechtlichen Voraussetzungen zulässigen - Geschlechtseintrag zu ersetzen.

Die Möglichkeit einer Streichung des Geschlechtseintrags erscheint auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Interpretation (des „Geschlechts“-Begriffs des § 2 Abs 2 Z 3 PStG 2013) mit Blick auf Art 8 Abs 1 EMRK vor dem Hintergrund des Erk VfGH 15. 6. 2018, G 77/2018 (= Rechtsnews 25620), geboten. In jenem VfGH-Erk wird im Übrigen grds zwischen Intersexualität (Eintrag einer Bezeichnung wie „divers“)und Transidentität (Eintrag des biologischen Geschlechts) unterschieden.

VwGH 5. 12. 2024, Ro 2023/01/0008

Entscheidung

Intersexualität: Eintrag einer Bezeichnung wie „divers“

Im Erk VfGH 15. 6. 2018, G 77/2018 (= VfSlg 20.258 = Rechtsnews 25620), hat der VfGH grds zwischen Intersexualität und Transidentität unterschieden (vgl dazu VwGH 14. 12. 2018, Ro 2018/01/0015, Rn 23, Rechtsnews 26694) und beziehen sich die (weiteren) Ausführungen im erwähnten Erkenntnis auf Fragen des Geschlechtseintrags von „Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich“, dh intersexuellen Personen (vgl insb VfGH G 77/2018, Rn 15; vgl in diesem Sinn auch VfGH 27. 6. 2018, E 2918/2016, Rechtsnews 25137).

Lediglich für diese Menschen (mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich) wird demnach eine starre Beschränkung auf einen binären Geschlechtseintrag nicht den Anforderungen des Art 8 Abs 2 EMRK gerecht, weshalb § 2 Abs 2 Z 3 PStG 2013 bei verfassungskonformer Interpretation dahin zu verstehen ist, dass für Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich auch andere Bezeichnungen (als „männlich“ oder „weiblich“), wie insb „divers“, „inter“ oder „offen“, verwendet werden können, um das Geschlecht bzw die Geschlechtsidentität dieser Menschen zum Ausdruck zu bringen (vgl VfGH G 77/2018, Rn 37). Gleichzeitig hat der VfGH aber auch ausgesprochen, dass § 2 Abs 2 Z 3 PStG 2013 so zu verstehen ist, dass die Personenstandsbehörden eine dieser Bezeichnungen (oder eine diesen vergleichbare Variante) auf Antrag „einzutragen haben“ (VfGH G 77/2018, Rn 38); die Ausführungen des VfGH in Rn 42 des erwähnten Erkenntnisses ändern nach Auffassung des VwGH daran nichts.

Soweit im „Erlass - Durchführungsanleitung für die standesamtliche Arbeit“ des BMI in diesem Zusammenhang - neben dem wahlweisen Geschlechtseintrag mit den Bezeichnungen „divers“, „inter“ oder „offen“ - auch die Möglichkeit der Löschung eines erfolgten Geschlechtseintrags vorgesehen ist, entspricht diese (lediglich behördeninterne) Anordnung demnach nicht der dargestellten Rechtslage nach dem PStG 2013 - abgesehen davon, dass damit offensichtlich nur die Fälle der Intersexualitität angesprochen werden („Für Menschen die weder männlich noch weiblich sind, ...“) und im vorliegenden Kontext daher von vornherein nicht von Bedeutung sind.

Transidentität: Eintrag des biologischen Geschlechts

Für den vorliegenden Fall hält der VwGH fest, dass nach dem PStG 2013 eine (verfassungsrechtlich grds unbedenkliche) Verpflichtung zum Eintrag des Geschlechts im ZPR (sowie auf der Geburtsurkunde) besteht und dass sich die Ausführungen des VfGH zu den Erfordernissen eine abweichenden Geschlechtseintrags lediglich auf intersexuelle Personen beziehen, dh auf Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich, die sich keinem der konventionellen Geschlechter zugehörig fühlen. Auf die Gruppe der transsexuellen (transidenten) Menschen (wie hier) stellt die Entscheidung nicht ab (hier: Unbehagen der mitbeteiligten Partei seit früher Kindheit im eigenen biologischen [männlichen] Geschlecht „mit wachsendem Leidensdruck“).

Die Personenstandsbehörde (Amtsrevisionswerber) hat daher den Antrag auf Änderung in Form einer Streichung des Geschlechtseintrags im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Soweit die Abweisung des Antrags auf Streichung des Geschlechtseintrags zur Folge hat, dass der ursprüngliche Geschlechtseintrag („männlich“) und sohin das biologische Geschlecht der mitbeteiligten Partei im ZPR (weiter) aufscheint, bestehen dagegen keine Bedenken. Nach der übereinstimmenden Rsp der österreichischen Höchstgerichte gehen nämlich sowohl die österreichische Rechtsordnung als auch das soziale Leben (nach wie vor)von dem Prinzip aus, dass jeder Mensch entweder weiblich oder männlich ist (vgl neben Judikatur des VfGH und OGH etwa bereits VwGH 30. 9.1997, 95/01/0061; VwGH 15. 9. 2009, 2008/06/0032, Rechtsnews 8134; vgl im Übrigen EGMR Y/Frankreich, 76888/17, Z 80 zum erweiterten Ermessensspielraum der Konventionsstaaten bei der Regelung dieser Frage). Dieses Prinzip gilt - wie im Hinblick auf die Rsp des VfGH nunmehr zu ergänzen ist - unbeschadet des Umstands, dass es eine „geringe Zahl“ von Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich (intersexuelle Personen) gibt (vgl zur besonderen Schutzbedürftigkeit dieser Gruppe VfGH G 77/2018, Rn 20).

Bereits im Beschluss Ro 2018/01/0015 (Rn 25) hat der VwGH unter Hinweis auf die erwähnte Rsp des VfGH klargestellt, dass es für die Eintragung des Geschlechts grds auf das biologische, körperliche Geschlecht ankommt. Eine andere Auslegung ist dem VwGH mangels ausdrücklicher Regelung durch den Gesetzgeber verwehrt (vgl zur äußersten Zurückhaltung bei korrigierenden Auslegungsmethoden etwa VwGH 3. 9. 2024, Ro 2023/03/0032, Rn 13, mwN, Rechtsnews 35960; vgl demgegenüber noch die - auf die psychische Komponente des Geschlechtszugehörigkeitsempfindens abstellende - Judikatur zur alten Rechtslage nach dem PStG, etwa VwGH 27. 2. 2009, 2008/17/0054, Rechtsnews 7042; VwGH 17. 2. 2010, 2009/17/0263, Rechtsnews 8857). Dies ist im Fall der mitbeteiligten Partei das männliche Geschlecht.

Anmerkung:

Vgl dazu auch OGH 17. 12. 2024, 10 ObS 71/24z: In jenem Fall hatte die kl P die Änderung des Eintrags ihres Geschlechts im ZPR von „männlich“ auf „weiblich“ erwirkt und in der Folge die Gewährung einer Alterspension beantragt. Die Pensionsversicherungsanstalt ging davon aus, dass – ungeachtet der Änderung der Eintragung im ZPR – nicht von einer Geschlechtsänderung auszugehen sei (keine Psychotherapie, Hormontherapie oder operative Geschlechtskorrektur und keine äußeren Zeichen der Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht). Nach Ansicht des OGH begründet der Geschlechtseintrag im ZPR zwar gem § 40 Abs 3 PStG 2013 grds vollen Beweis iSd § 292 Abs 1 ZPO, der gegnerischen Partei steht jedoch der Gegenbeweis offen: Eintragungen im ZPR dienen nur der Beurkundung, nicht aber dazu, verbindlich über den Personenstand (hier: das Geschlecht) abzusprechen; in gerichtlichen Verfahren kann daher der Beweis der Unrichtigkeit des Eintrags angetreten werden. Die Möglichkeit eines Gegenbeweises stellt nach Ansicht des OGH auch keine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36343 vom 31.01.2025