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Zivilrechtliche Prospekthaftung - anwendbares (dt) Recht

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

IPRG idF vor BGBl I 2009/109: § 48

Enthält der Verkaufsfolder unrichtige und irreführende Angaben und bearbeitet der (Mit-)Herausgeber gezielt auch den deutschen Markt, so muss er auch mit einer Schädigung deutscher Anleger rechnen. Es ist somit iSd der Ausweichklausel des (hier noch anzuwendenden) § 48 Abs 1 Satz 2 IPRG idF vor BGBl I 2009/109 von einer stärkeren Beziehung des (Mit-)Herausgebers und dem geschädigten klagenden Anleger zum deutschen Recht auzugehen und somit auf die Schadenersatzklage der deutschen Anleger deutsches Recht anzuwenden.

Dies gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, dass an das Markortrecht anzuknüpfen ist. Marktort ist bei der zivilrechtlichen Prospekthaftung der Markt, für den der Prospekt erstellt und zum zielgerichteten Vertrieb eingesetzt wurde. Wie auch das Verfassen und Absenden eines Briefes nicht schon die anknüpfungsrelevante Handlung ist, sondern erst dessen Kenntnisnahme durch den Empfänger, ist nicht schon das Erstellen des Prospekts relevant, sondern erst dessen zielgerichtete Platzierung auf dem Markt. Denn erst dadurch wird der durch außenwirksame Mitwirkung geschaffene Vertrauenstatbestand wirksam und wirkt auf die Anleger (Marktgegenseite) ein.

OGH 15. 12. 2015, 4 Ob 112/15x

Entscheidung

Im vorliegenden Fall war somit dt Recht anzuwenden und der OGH bejahte die Haftung der bekl (Mit-)Herausgeberin des Verkaufsfolders für den geltend gemachten Schaden der Anleger wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung:

Aus der dt Rsp zu § 826 dBGB ergebe sich, dass das gegenständliche Verhalten der Bekl (bewusst unrichtige Angaben im Verkaufsprospekt) als sittenwidrig zu beurteilen ist. Die bewusste Verharmlosung eines Risikos sowie die Aufnahme irreführender Aussagen in Werbeunterlagen für Vermögensanlagen werde regelmäßig auch den Eventualvorsatz für allfällige Schäden der Anleger in sich begreifen. Wer Verkaufsunterlagen, die in weiterer Folge an einen unbestimmbaren Adressatenkreis ausgefolgt werden, vorsätzlich mit irreführenden, respektive unrichtigen Angaben versieht, nehme damit auch mögliche daraus ursächlich resultierende Schäden zumindest billigend in Kauf (vgl BGH VI ZR 336/12 Rz 34).

Nach Ansicht des OGH lag hier auch ein vergleichbarer Fall zu der zuletzt genannten Entscheidung vor, in der die Sittenwidrigkeit auch mit dem besonderen Vertrauen der Anleger in die Integrität und fachliche Autorität des Wirtschaftsprüfers begründet wurde: Jedenfalls zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung bestand ein entsprechendes Vertrauen der Anleger in die Integrität, Seriosität und Professionalität der als (Mit-)Herausgeber des Verkaufsfolders ausgewiesenen bekl Bank, so der OGH. Die Bekl hafte den Kl daher auch hier wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung für den geltend gemachten Schaden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21395 vom 04.04.2016