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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
1. Die Beurteilung, ob eine Abschlussprüfung lege artis durchgeführt wurde, ist aufgrund des gesetzlichen Grundlagen eine quaestio mixta, die sowohl Tatsachen- als auch Rechtselemente enthält. Für die Beurteilung, ob eine Abschlussprüfung lege artis durchgeführt wurde, sind daher im Tatsachenbereich die geprüften Daten und die ihnen zugrunde liegenden wesentlichen unternehmensinternen Vorgänge sowie die Prüfungsmethoden und -schritte zu erheben, aber auch der Inhalt der zum Prüfungszeitpunkt veröffentlichten nationalen und internationalen Standards der beteiligten Verkehrskreise. Der rechtlichen Beurteilung unterliegt es, ob die strittige Prüfung unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände den umschriebenen gesetzlichen Anforderungen entsprach.
2. Der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Vermögensnachteil des Anlegers und einem unrichtigem Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers ist auch dann zu bejahen, wenn sich zwar nur ein Risiko verwirklicht, das im Bestätigungsvermerk nicht angeführt werden musste (etwa finanzielle Malversationen des Vorstands), wenn aber die aus anderen Gründen mangelhafte Abschlussprüfung und die darauf beruhende Veranlagung die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung des tatsächlich eingetretenen Risikos nicht bloß unerheblich erhöht hat. Ist die mit dem Bestätigungsvermerk des Prüfers versehene Unternehmensinformation objektiv unrichtig, weil das Rechnungswesen in Wahrheit nur mangelhaft geprüft wurde und der Jahresabschluss ein verzerrtes Bild der Lage der Gesellschaft vermittelt, liegt eine Steigerung des Risikos für potentielle Anleger oder Kreditgeber auf der Hand. Es besteht dann nicht nur die allgemeine Gefahr, dass negative wirtschaftliche Entwicklungen nicht rechtzeitig erkannt werden, sondern es steigt - gerade wenn es um Finanzanlagen geht - wesentlich auch das Risiko unentdeckter krimineller Machenschaften.
Entscheidung
IZm mit der Frage der Haftung des bekl Abschlussprüfers hat der OGH zu Kausalität, Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeitszusammenhang zusammengefasst ua ausgesprochen:
1. Kausalität
- | Das Vertrauen des Anlegers in einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erfordert zwar zumindest ein Bewusstsein seiner Existenz, sei es auch nur aufgrund einer Schlussfolgerung aus bekannten rechtlichen Rahmenbedingungen, aber nicht zwingend die Kenntnis seines Inhalts. |
- | Ein Kauf „im Vertrauen auf den Bestätigungsvermerk“ bedeutet auch nicht, dass dieser (und nicht zB die erwarteten Zinsen) für die Auswahlentscheidung ausschlaggebend war, sondern nur, dass er conditio sine qua non war. |
2. Rechtswidrigkeit
2.1. Bestätigungsvermerk
Gemäß § 274 Abs 1 Z 3 UGB hat der Bestätigungsvermerk ein Prüfungsurteil zu enthalten, das zweifelsfrei ergibt, ob ein uneingeschränkter oder ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt wird, ob der Bestätigungsvermerk aufgrund von Einwendungen versagt wird oder deshalb versagt wird, weil der Abschlussprüfer nicht in der Lage ist, ein Prüfungsurteil abzugeben.
Der Abschlussprüfer hat in einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk zu erklären, dass die von ihm nach § 269 UGB durchgeführte Prüfung zu keinen Einwendungen geführt hat und dass der geprüfte Jahres- oder Konzernabschluss aufgrund der bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnisse des Abschlussprüfers den gesetzlichen Vorschriften entspricht und unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung oder sonstiger maßgeblicher Rechnungslegungsgrundsätze ein möglichst getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens oder des Konzerns vermittelt.
Der uneingeschränkte Bestätigungsvermerk ist in geeigneter Weise zu ergänzen, wenn zusätzliche Bemerkungen erforderlich erscheinen, um einen falschen Eindruck über den Inhalt der Prüfung und die Tragweite des Bestätigungsvermerks zu vermeiden. Sind Einwendungen zu erheben, so hat der Abschlussprüfer gem § 274 Abs 3 UGB seine Erklärung einzuschränken oder den Bestätigungsvermerk zu versagen, in beiden Fällen ist die Entscheidung zu begründen.
Ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk ist dann zu erteilen, wenn der geprüfte Abschluss unter Beachtung der vorgenommenen Einschränkung ein im Wesentlichen getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt.
2.2. Abschlussprüfung lege artis
Die Beurteilung, ob eine Abschlussprüfung lege artis durchgeführt wurde, ist aufgrund dieser gesetzlichen Grundlagen eine quaestio mixta, die sowohl Tatsachen- als auch Rechtselemente enthält.
Was konkret von einem gewissenhaften Abschlussprüfer zu fordern ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Abschlussprüfung abzuleiten. Die einzufordernde Sorgfalt bemisst sich nach der aus objektiver Sicht zu beurteilenden Verkehrsauffassung (vgl § 1299 ABGB; Steckel in U. Torggler, UGB [2013] § 275 Rz 19 f mwN). Maßgeblich ist, welcher Prüfungsstandard normativ geboten ist, um dem gesetzlichen Zweck der Abschlussprüfung gerecht zu werden (Völkl/Lehner in Straube, UGB II/RLG3 § 275 Rz 22 mwN).
Zur näheren Konkretisierung welcher Grad an Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit in Bezug auf das Prüfungsrisiko aus Sicht der beteiligten Verkehrskreise im Anlassfall angemessen ist, dienen insb die Verlautbarungen der nationalen und internationalen Berufsorganisationen (Völkl/Lehner, aaO Rz 23 mwN). Diesen Standards kommt zwar keine Rechtsnormqualität zu, ihre Einhaltung ist aber ein Indiz für die Gewissenhaftigkeit der Prüfungsdurchführung. Umgekehrt indiziert ein Nichterreichen der Anforderungen in einem Fachgutachten der Berufsorganisationen, dass es der Abschlussprüfung an der geforderten Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit mangelt (Völkl/Lehner aaO Rz 23; Hennrichs in MünchKomm zum Bilanzrecht § 323 Rz 28).
2.3. Prüfung
- | Informationen, die in einem Abschluss enthalten sind, sind wesentlich und daher der Prüfung zu unterziehen, wenn ihr Weglassen oder ihre fehlerhafte Darstellung einzeln oder insgesamt wirtschaftliche Entscheidungen der Abschlussadressaten beeinflussen kann, die auf der Grundlage des Abschlusses getroffen werden. Die Beurteilung, was wesentlich ist, obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Abschlussprüfers (vgl Fachgutachten KFS/PG 1 der Kammer der Wirtschaftstreuhänder Österreichs). |
- | Für die Beurteilung, ob das Fehlen eines funktionsfähigen internen Kontrollsystems (IKS) der geprüften Gesellschaften eine Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks geboten hätte, genügt es nicht, nur die fachliche Meinung des Gutachters wiederzugeben. Auf die Frage, ob, warum und wie die Bekl IKS-Prüfungen durchführen hätte müssen, kommt es für sich allein nicht an, weil diese Vorgänge als solche keine Außenwirkung entfalten konnten. |
- | Der Umstand, dass die Bekl die nach den geltenden Prüfungsstandards gebotene Einholung von Bankbestätigungen unterlassen hat, ist ihr zwar vorwerfbar, darauf allein kommt es aber hier nicht an. Für die Dritthaftung ist er nur dann von Bedeutung, wenn eine hypothetische richtige Vorgangsweise unter Berücksichtigung pflichtgemäßen Ermessens jedenfalls zur Einschränkung von Bestätigungsvermerken führen hätte müssen. |
3. Rechtswidrigkeitszusammenhang
Nach Ansicht des OGH haben die Vorinstanzen einen Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen den festgestellten Prüfungsmängeln und dem eingetretenen Schaden der Kläger zutreffend bejaht:
3.1. Risikoerhöhung
Den Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Vermögensnachteil des Anlegers und einem (dort:) Beratungsfehler hat der OGH bereits in mehreren E bejaht, auch wenn sich zwar nur ein Risiko verwirklichte, vor dem der Berater mangels Erkennbarkeit nicht warnen musste, wenn aber die aus anderen Gründen mangelhafte Beratung und die darauf beruhende Veranlagung die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung des tatsächlich eingetretenen Risikos nicht bloß unerheblich erhöht hat (vgl 4 Ob 62/11p = LN Rechtsnews 11566 vom 19. 8. 2011 = RdW 2011/732; RIS-Justiz RS0127012; zur Zusicherung völliger Risikolosigkeit ohne Vorliegen entsprechender Informationen vgl 4 Ob 70/11i, ZIK 2012, 40 = LN Rechtsnews 12523 vom 13. 2. 2012 = RdW 2012/207; zum Risiko krimineller Handlungen vgl 4 Ob 67/12z, LN Rechtsnews 14089 vom 16. 11. 2012 = RdW 2013/16).
Diese zunächst für die Rechtsfolgen sorgfaltswidriger Anlageberatung entwickelten Überlegungen können nach Ansicht des OGH auf Fragen der Haftung eines Abschlussprüfers übertragen werden.
Auch der positive Bestätigungsvermerk vermittelt nach § 274 Abs 2 UGB dem an einer Anlage interessierten Publikum eine wichtige Information, nämlich dass Buchführung und Jahresabschluss der geprüften Gesellschaft den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung beachtet wurden und der Jahresabschluss ein möglichst getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft abgibt. Er verleiht dem Unternehmen zwar kein „Gütesiegel wirtschaftlichen Wohlbefindens“, er attestiert aber die geprüfte Verlässlichkeit der veröffentlichten Daten (Prachner/Szaurer in Straube, UGB II/RLG3 § 274 Rz 5; Steckel in U. Torggler, UGB [2013] § 274 Rz 1 ua).
3.2. Malversationen
Richtig ist, dass die gesetzliche Abschlussprüfung nicht zur Aufdeckung von finanziellen Malversationen des Vorstands gedacht und mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln der Systemprüfungen und Stichproben zu in der Vergangenheit liegenden Bilanzstichtagen dafür strukturell nicht ausgerichtet ist. Ohne einen konkreten Anfangsverdacht ist ein Abschlussprüfer nicht verpflichtet, der bloßen Möglichkeit von kriminellen Vorgängen nachzuspüren.
Eine sorgfältige Abschlussprüfung führt aber sehr wohl zur Aufdeckung von Fehlern oder Unregelmäßigkeiten des Rechnungswesens und Schwächen einer Unternehmensstruktur, also Umständen, die Malversationen erst ermöglichen oder zumindest erleichtern. Zwar kann nicht schlechthin jeder bei der Bilanzprüfung unterlaufene Fehler eine Haftung des Prüfers für Drittschäden begründen, wohl aber Fehler, die schon ex ante beurteilt geeignet waren, das verwirklichte Anleger- oder Kreditgeberrisiko zu erhöhen.
Ist die mit dem Bestätigungsvermerk des Prüfers versehene Unternehmensinformation objektiv unrichtig, weil das Rechnungswesen in Wahrheit nur mangelhaft geprüft wurde und der Jahresabschluss ein verzerrtes Bild der Lage der Gesellschaft vermittelt, liegt eine Steigerung des Risikos für potentielle Anleger oder Kreditgeber auf der Hand. Es besteht dann nicht nur die allgemeine Gefahr, dass negative wirtschaftliche Entwicklungen nicht rechtzeitig erkannt werden, sondern es steigt - gerade wenn es um Finanzanlagen geht - wesentlich auch das Risiko unentdeckter krimineller Machenschaften.
Diesen Überlegungen entsprechen auch die Begründungen der Vorinstanzen. Zwar konnte nicht festgestellt werden, dass eine mängelfreie Prüfung der Jahresabschlüsse für die hier strittigen Geschäftsjahre unmittelbar zur früheren Aufdeckung der Manipulationen des Vorstands geführt hätte, wohl aber mittelbar, weil eine Einschränkung oder Versagung eines Bestätigungsvermerks früher den Zusammenbruch des kriminellen Systems herbeigeführt hätte und der Schaden erst später hinzutretender Anleger verhindert worden wäre.
Die (bis zum Geschäftsjahr 2007) ohne Einschränkung von der Beklagten erteilten Bestätigungsvermerke vermittelten Anlegern, die eine Genussscheinbeteiligung ins Auge fassten, das Bild formal makellos organisierter und dokumentierter Unternehmen, deren publizierte Daten von Fachleuten geprüft und für richtig und vollständig befunden wurden. Aufgrund dieser Bestätigungsvermerke durften Anleger darauf vertrauen, dass der Sicherheit ihrer Investition wenigstens in dieser Hinsicht keine Gefahr drohen werde.