News

Sicherstellung – Widerspruch

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

StPO: § 110, § 112

Voraussetzung der gerichtlichen Hinterlegung von sichergestellten schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträgern (§ 112 Abs 1 StPO) ist der Widerspruch des Betroffenen gegen die Sicherstellung „unter Berufung auf ein gesetzlich anerkanntes Recht auf Verschwiegenheit, das bei sonstiger Nichtigkeit nicht durch Sicherstellung umgangen werden darf“. Der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei kommt die Kompetenz zur Prüfung zu, ob ein gesetzlich anerkanntes Verschwiegenheitsrecht behauptet wird, nicht jedoch die Entscheidung darüber, ob dem Widersprechenden ein solches Verschwiegenheitsrecht auch tatsächlich zusteht. Zur Entscheidung hierüber ist (soweit hier von Interesse) ausschließlich das Gericht zuständig. An die diesbezügliche Rechtsansicht der Staatsanwaltschaft oder der Kriminalpolizei ist das Gericht nicht gebunden.

Nach § 112 Abs 1 letzter Satz StPO dürfen die Unterlagen von der Staatsanwaltschaft oder der Kriminalpolizei nicht eingesehen werden, solange nicht iSd Abs 2 und 3 des § 112 StPO über die Einsicht entschieden worden ist. Gemäß § 112 Abs 2 StPO ist dabei zunächst das Aufforderungsverfahren durchzuführen (Aufforderung, jene Teile der Aufzeichnungen oder Datenträger konkret zu bezeichnen, deren Offenlegung eine Umgehung der Verschwiegenheit bedeuten würde) und erst im Anschluss daran das Sichtungsverfahren. Das Aufforderungsverfahren darf nicht unterbleiben, selbst wenn das Gericht schon vorweg zur Ansicht gelangt, dass ein gesetzlich anerkanntes Verschwiegenheitsrecht in concreto nicht vorliegt; die gegenteilige Rechtsansicht widerspräche der Systematik des § 112 Abs 2 StPO.

OGH 11. 10. 2017, 13 Os 94/17y (13 Os 95/17w, 13 Os 96/17t, 13 Os 97/17i)

Entscheidung

Bei entsprechendem Ergebnis des Sichtungsverfahrens hat das Gericht „anzuordnen, ob und in welchem Umfang“ die aufgrund des Widerspruchs hinterlegten Unterlagen „zum Akt genommen werden dürfen“ (§ 112 Abs 2 dritter Satz StPO). Diese Anordnung hat das Gericht somit auch dann auszusprechen, wenn es in Ausübung seiner Prüfungskompetenz die Prozessvoraussetzung der Berufung auf ein gesetzlich anerkanntes Verschwiegenheitsrecht verneint. Die hier mit Beschluss des LG ausgesprochene „Abweisung der Widersprüche“ steht daher mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Die in § 112 Abs 2 dritter Satz StPO vorgesehene „Sichtung“ ist die Prüfung, ob die Offenlegung der sichergestellten schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträger eine Umgehung des behaupteten gesetzlich anerkannten Verschwiegenheitsrechts bedeuten würde.

Die allgemeinen Sicherstellungsvoraussetzungen und die Verhältnismäßigkeit der Sicherstellung sind hingegen im Rahmen der Sichtung nicht zu prüfen (Rebisant in Lewisch, Jahrbuch Wirtschaftsstrafrecht und Organverantwortlichkeit 2013, 179 ff; vgl auch JAB 1700 BlgNR 24. GP 2; aM Tipold/Zerbes, WK-StPO § 112 Rz 15). Der diesbezügliche gerichtliche Rechtsschutz fällt vielmehr in die Regelungsbereiche des § 106 Abs 1 Z 2 StPO und des § 115 Abs 2 StPO.

§ 112 Abs 1 StPO setzt den Widerspruch einer „von der Sicherstellung betroffenen oder anwesenden Person“ voraus, die sich auf ein gesetzlich anerkanntes Recht auf Verschwiegenheit beruft. Von der Sicherstellung betroffen ist jene Person, die die sichergestellten schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträger in ihrer Verfügungsmacht hat (Tipold/Zerbes, WK-StPO § 112 Rz 10/1). Andere als von der Sicherstellung betroffene Personen sind zu einem Widerspruch iSd § 112 StPO nicht legitimiert. Gerichtlicher Rechtsschutz fällt insoweit vielmehr in die Regelungsbereiche des § 106 Abs 1 Z 2 StPO und des § 281 Abs 1 Z 3 StPO.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 24909 vom 05.02.2018