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Beweiswiederholung im Berufungsverfahren?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

EMRK: Art 6

StPO: § 362, § 363a, § 473

1. Eine Pflicht zu nochmaliger Vernehmung von Zeugen sieht § 473 Abs 2 StPO nur für den Fall vor, dass das BerufungsG gegen die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bedenken hegt, nicht aber wenn es – wie hier – die Feststellungen samt den korrespondierenden beweiswürdigenden Erwägungen ausdrücklich als zutreffend übernimmt. Auch aus der Rsp des EGMR ergibt sich nichts anderes: Eine Verletzung von Art 6 Abs 1 EMRK erblickt der EGMR nur dann, wenn das BerufungsG (bei voller Kognitionsbefugnis in der Schuldfrage) von der Beweiswürdigung des ErstG zum Nachteil des Angeklagten ohne unmittelbare Beweisaufnahme abweicht (vgl zB EGMR 5. 7. 2016, 46.182/08, Lazu/Moldau, oder EGMR 29. 3. 2016, 61.112/12, Gómez Olmeda/Spanien). Für eine („verfassungskonforme“) Auslegung des § 473 Abs 2 StPO iS einer weitergehenden Verpflichtung zur Beweiswiederholung im Berufungsverfahren besteht daher auch mit Blick auf die ins Treffen geführten Konventionsgarantien kein Anlass.

2. Das Gesetz bietet keine Grundlage für eine (amtswegige) außerordentliche Wiederaufnahme des Verfahrens aus Anlass eines Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens. Für die vorliegende Konstellation der Befassung des OGH mit einer Strafsache unter dem spezifischen Aspekt behaupteter Grundrechtsverletzungen ist eine Gesetzeslücke als Voraussetzung analoger Anwendung nicht auszumachen.

OGH 12. 12. 2017, 17 Os 18/17a

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 24910 vom 05.02.2018