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In der unterhaltsrechtlichen Lit wurde es zunächst als Selbstverständlichkeit betrachtet, dass der neue Steuerabsetzbetrag "Familienbonus Plus" (§ 33 Abs 3a EStG; in der Folge kurz Familienbonus), der seit 2019 eine substanzielle Steuerentlastung von Eltern ermöglicht, bei der Anrechnung der Transferleistungen Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag auf den Kindesunterhalt zugunsten des Kindes zu berücksichtigen ist.1 Auch der Autor vertrat ua in Zak 2018/627, 324 (mit Berechnungsschema und -beispielen) die Auffassung, dass der Familienbonus die Anrechnungsnotwendigkeit vermindert und dadurch mit Jahreswechsel zu einer deutlichen Erhöhung des Kindesunterhalts führen kann.2 In der Folge kam Gegenwind in Form von zwei Stellungnahmen von Tews und Gitschthaler auf, die sich gegen eine Anpassung der Anrechnungsmethode aussprechen.3 Welche Argumente diese Autoren vorbringen und warum diese nicht überzeugend sind, soll im Folgenden kurz dargestellt werden.
Eine Übersicht über die bisher erschienene Lit zeigt, dass es nicht nur zwei diametrale Positionen, sondern auch Meinungsunterschiede innerhalb dieser Positionen gibt.
Auf der einen Seite stehen jene Autoren, die den Familienbonus zum Vorteil des Kindes in der Anrechnungsformel anrechnungsmindernd berücksichtigen wollen, was dazu führt, dass eine Anrechnung seltener und jedenfalls in deutlich geringerem Ausmaß erforderlich ist.4 Die Frage, ob der Familienbonus zusätzlich in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen ist, wird unterschiedlich beurteilt.5
Auf der anderen Seite fordern Tews und Gitschthaler, die Anrechnung zum Vorteil des Geldunterhaltspflichtigen ohne Berücksichtigung des Familienbonus unverändert beizubehalten, wobei Tews die Steuerentlastung zur Gänze dem Unterhaltsschuldner belassen will,6 während Gitschthaler zumindest eine Beteiligung des Kindes durch Einbeziehung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage für gerechtfertigt hält.7
Bemerkenswert an den Stellungnahmen von Tews und Gitschthaler ist, dass beide Autoren auf das grundlegende Argument, das gegen ihre Auffassungen spricht, nicht eingehen. Dabei geht es um den Zweck der Anrechnung der Transferleistungen.8 Die Anrechnung, die bisher zu einer Unterhaltsminderung um bis zu ca 20 % führte, wurde von der Rsp 2002 ja nicht eingeführt, weil die Unterhaltsbemessung auf einmal zu hoch erschienen wäre. Sie dient ausschließlich dazu, dem Unterhaltsschuldner über den Umweg der Unterhaltsbemessung jenen Teil der Transferleistungen zukommen zu lassen, der nach Ansicht des VfGH mangels ausreichender Berücksichtigung der Unterhaltslast im Steuerrecht eine steuerliche Entlastungsfunktion übernimmt.9 Mit diesem Zweck ist die auf die Steuerbelastung Bezug nehmende Anrechnungsmethode untrennbar verbunden.
In einem solchen System der mittelbaren Steuerentlastung ist es logisch zwingend, dass neue oder höhere steuerliche Absetz- bzw Freibeträge, welche eine stärkere Bedachtnahme auf die Unterhaltslast bei der Einkommensteuerbemessung ermöglichen, für den Unterhaltsschuldner ein Nullsummenspiel dar-
stellen und indirekt dem unterhaltsberechtigten Kind zugutekommen, weil sie die Notwendigkeit zur Anrechnung - und damit zur Kürzung des zivilrechtlich angemessen erscheinenden Unterhalts - verringern.10
Es stellt sich einzig die Frage, ob der Familienbonus in dem vom Geldunterhaltspflichtigen geltend zu machenden Teil die steuerliche Entlastung seiner Unterhaltsleistungen bezweckt. Daran lassen die Gesetzesmaterialien aber keinerlei Zweifel. Dort ist ausdrücklich festgehalten, dass der Familienbonus die Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit von Eltern durch ihre Leistungen für Kinder berücksichtigt; der Absetzbetrag soll bewirken, dass die Eltern "... diese Lasten aus ihrem unversteuerten Einkommen leisten können und nicht eine darauf lastende Steuer dazu verdienen müssen".11
Der Familienbonus reicht nicht immer aus, um die vom VfGH geforderte Steuerentlastung des Geldunterhalts vollständig herbeizuführen. Soweit die Entlastung dadurch erfolgt, ist eine Anrechnung der Transferleistungen aber nicht mehr rechtfertigbar, wäre es doch ein Widerspruch in sich, den Unterhalt zur Steuerentlastung zu vermindern, obwohl die Belastung gar nicht mehr existiert. Wenn man die Familienbeihilfe dennoch aufteilen will, geht dies nur mit neuer Begründung, die man bisher schuldig geblieben ist.
Im Ergebnis führt dies zu einem höheren Unterhaltsanspruch als bisher. Bezieht man Vorgeschichte und Zweck in die Betrachtung ein, handelt es sich aber eigentlich um den Entfall einer Unterhaltsminderung, deren Zweck nicht mehr existiert. Selbstverständlich geht es nicht um eine 1:1-Weiterleitung des Familienbonus an das Kind unabhängig von den Anrechnungsvoraussetzungen; der Unterhalt erhöht sich maximal um jenen Betrag, um den er bisher zur Steuerentlastung gekürzt worden wäre.12
Mit der Anrechnung der Transferleistungen wurde ein steuerrechtlicher Fremdkörper in die Unterhaltsbemessung eingeführt.13 Der Familienbonus verlagert diese Thematik zu einem großen Teil dorthin zurück, wo sie hingehört - in das Steuerrecht. Auch aus dieser Perspektive sollte den Zivilgerichten daran gelegen sein, eine mittelbare unterhaltsrechtliche Steuerentlastung nicht unabhängig von diesem Grund aufrechtzuerhalten.
Auch Tews und Gitschthaler berufen sich auf den Willen des Gesetzgebers. Dieser habe im Regelfall eine Teilung des Familienbonus zwischen den Eltern vorgesehen und damit zu erkennen gegeben, dass der Entlastungseffekt beiden Elternteilen im gleichen Ausmaß14 bzw nicht dem unterhaltsberechtigten Kind, sondern nur den Eltern15 zugutekommen soll. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn der vom Geldunterhaltspflichtigen geltend zu machende Teil des Familienbonus zu einer Erhöhung des Kindesunterhalts führen und somit im Ergebnis in den Haushalt des betreuenden Elternteils abfließen würde.
Dass der Gesetzgeber im Steuerrecht bei getrennten Haushalten eine Entlastung beider Eltern anstrebt (sofern beide über ein zur Ausnützung des Familienbonus ausreichendes Einkommen verfügen), ist offensichtlich. Zu den unterhaltsrechtlichen Folgen findet sich in den Gesetzesmaterialien freilich kein einziges Wort. Kann man dieses Schweigen des Gesetzgebers mit Tews16 tatsächlich nur so deuten, dass die Anrechnung der Transferleistungen ohne Berücksichtigung des Familienbonus zu erfolgen hat? Liegt nicht viel eher der Schluss nahe, dass der Steuergesetzgeber die unterhaltsrechtliche Frage nicht lösen, sondern den Prinzipien und der Anwendung des Unterhaltsrechts überlassen wollte?
Im Mittelpunkt beider Stellungnahmen stehen die wirtschaftlichen Auswirkungen, wobei insb die Verteilungsgerechtigkeit zwischen dem Haushalt des betreuenden und jenem des geldunterhaltspflichtigen Elternteils thematisiert wird. Wenn beide Elternteile jeweils den halben Familienbonus ausnützen können und der Geldunterhalt an das Kind aufgrund der Transferleistungen bisher um mindestens den halben Familienbonus gekürzt worden ist, führt die Berücksichtigung des Familienbonus bei der Anrechnung in der Tat dazu, dass im Ergebnis der gesamte Familienbonus im Haushalt des betreuenden Elternteils landet. Unfair erscheinen kann dies aber nur dann, wenn man Vorgeschichte und Zweck der Anrechnung ausblendet. Aus anderer Perspektive handelt es sich zur Hälfte um die Rücknahme einer nicht mehr gerechtfertigten Unterhaltsminderung und zur Hälfte um die Entscheidung des Steuergesetzgebers, auch für den betreuenden Elternteil eine steuerliche Absetzmöglichkeit zu schaffen.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob es Aufgabe des Unterhaltsrechts sein kann, Verteilungsgerechtigkeit zwischen Haushalten (die man ganz unterschiedlich beurteilen kann) herzustellen. Dies geht weit über die Bemessung des Unterhalts nach dem Bedarf des Kindes und der Leistungsfähigkeit des geldunterhaltspflichtigen Elternteils hinaus. Und schließt nicht § 231 Abs 2 ABGB, laut dem der betreuende Elternteil seine Unterhaltspflicht
grundsätzlich schon durch die Betreuung vollständig erfüllt, die Berücksichtigung von dessen Leistungsfähigkeit bei der Bemessung des Geldunterhalts gerade aus?17
Was zunächst als Selbstverständlichkeit erschien, hat sich durch neue Stellungnahmen in der Lit und (offenbar bereits vorliegende) widersprüchliche Judikatur der Erstgerichte18 zu einem überraschend spannenden Thema entwickelt. Im Kern geht es aber nur um die Beantwortung einer Frage: Kann man eine Unterhaltsminderung aufrechterhalten, obwohl der Grund dafür nicht mehr existiert?
Peyerl, Der steuerliche Familienbonus Plus in der Unterhaltsbemessung, iFamZ 2018, 193; Neuhauser, Einige Auswirkungen des Familienbonus Plus auf die Bemessung des Kindesunterhalts, iFamZ 2018, 196; Neuhauser in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 231 Rz 205.
Kolmasch, Die Anrechnung der Familienbeihilfe auf den Kindesunterhalt ab 2019, Zak 2018/627, 324. Ausführlicher Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht9 157 ff.
Tews, "Familienbonus Plus" - Ende der Familienbeihilfen-Anrechnung? EF-Z 2019/3, 8; Gitschthaler, Familienbonus Plus und Unterhaltsrecht, EF-Z 2019/62, 116.
Siehe FN 1 und 2.
Für die Einbeziehung Peyerl, iFamZ 2018, 193 (195). Gegen die Einbeziehung (soweit der Familienbonus zur steuerlichen Entlastung des Unterhalts dient) Kolmasch, Zak 2018/627, 324 (327); Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht9 14.
Tews, EF-Z 2019/3, 8 (12).
Gitschthaler, EF-Z 2019/62, 116 (118).
Tews (EF-Z 2019/3, 8) erwähnt den Zweck gar nicht, Gitschthaler (EF-Z 2019/62, 116) nur am Beginn seines Beitrags, ohne auf die Bedeutung einzugehen.
Ausführlich Gitschthaler, Unterhaltsrecht3 Rz 744 ff; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht9 150 ff.
Dieser Logik hat sich der OGH in 6 Ob 240/17p = Zak 2018/198, 111 (Kolmasch) in Bezug auf den Kinderfreibetrag angeschlossen.
Siehe die Ergebniskontrolle bei den Berechnungsmethoden in Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht9 164 und Kolmasch, Zak 2018/627, 324 (326). Anders Tews, EF-Z 2019/3, 8 (11); Gitschthaler, EF-Z 2019/62, 116 (117).
Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht9 152. Siehe auch Neuhauser in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 231 Rz 205.
Tews, EF-Z 2019/3, 8 (9).
Gitschthaler, EF-Z 2019/62, 116 (117 f). An der Auffassung von Gitschthaler erscheint widersprüchlich, dass er auf der einen Seite die klare - unterhaltsrechtliche - Absicht des Gesetzgebers erkennt, den Familienbonus nicht dem Kind, sondern den Eltern zukommen zu lassen. Auf der anderen Seite fordert er die Einbeziehung des Familienbonus in die Unterhaltsbemessungsgrundlage, die dann doch auch ausgeschlossen sein müsste.
EF-Z 2019/3, 8 (12).
Siehe zB Gitschthaler, Unterhaltsrecht3 Rz 44.
Siehe Gitschthaler, EF-Z 2019/62, 116 (FN 13 und 18).