Datenschutz & E-Government

Vertretung Minderjähriger in Datenschutzfragen

Dr. Heidi Scheichenbauer / Mag. Ulrich Wanderer

Die Veröffentlichung von Kinderfotos, auf Grundlage der Einwilligung durch die Eltern, ist heutzutage üblich. Das betrifft jedoch oftmals nicht nur den rein "privaten" Bereich, sondern auch deren Verwendung für den Öffentlichkeitsauftritt von gemeinnützigen Organisationen, die Kinder unterstützen. Hier kann ein Spannungsverhältnis zwischen dem Kindeswohl und dem Recht auf Datenschutz entstehen. Der nachfolgende Beitrag befasst sich mit der Frage, unter welchen Umständen eine Veröffentlichung durch die Einwilligung der Obsorgeberechtigten zulässig sein kann.

1. Einleitung

Fotos von glücklichen Kindern auf seinem Social Media Profil zu posten, ist für die meisten Eltern schlicht eine Selbstverständlichkeit. Dabei ist ihnen in der Regel nicht klar, dass sie damit ein Grundrecht ihrer Kinder verletzen könnten. Solche Fragestellungen betreffen jedoch nicht nur den rein "privaten" Bereich, sondern auch den Öffentlichkeitsauftritt von Einrichtungen wie Kinderspielgruppen, Schulen oder auch viele gemeinnützige Organisationen, die Kinder unterstützen, in denen Fotomaterial häufig auf Basis der Einwilligung durch die Eltern veröffentlicht wird.

Nachdem Kinderbilder in der heutigen Marketing-Welt hoch im Kurs stehen, werden diese auch in erhöhtem Maß als Werbeträger in jenen Fällen verwendet, in denen von Krankheiten oder anderen Beeinträchtigungen betroffene Kinder Hilfe von diversen Einrichtungen erhalten und diese Einrichtungen dann mit den Erfolgsgeschichten und Bildern der Kinder auf ihre Möglichkeiten hinweisen und die Bilder so als Werbeträger "in eigener Sache" verwenden.

Während dem Foto des Neujahrsbabys (möglicherweise) niemand mehr "nachweinen" würde,1 kann eine rigide Sichtweise hier dazu führen, dass Kindern der Zugang zu notwendigen bzw nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommenen Therapien/Hilfeleistungen verwehrt bleibt oder zumindest beträchtlich erschwert wird. So könnte die Anschaffung spezieller Therapiegeräte daran scheitern, dass mögliche Unterstützer mangels Bildmaterials sich nicht ausreichend mit den Anliegen dieser Kinder identifizieren und deshalb geringere Mittel eingeworben werden können.

2. Exkurs: Verhältnis Datenschutz-Grundverordnung zum Recht am eigenen Bild

Die Veröffentlichung von Fotos tangiert jedoch nicht nur das Recht auf Datenschutz, sondern betrifft auch das in § 78 Urheberrechtsgesetz (UrhG) geregelte Recht am eigenen Bild, weil Abbildungen einer erkennbaren Person nach hM personenbezogene Daten einer zumindest identifizierbaren Person darstellen. § 78 UrhG regelt den Bildnisschutz von (natürlichen) Personen und legt fest, dass Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden dürfen, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten oder, falls er gestorben ist, ohne die Veröffentlichung gestattet oder angeordnet zu haben, eines nahen Angehörigen verletzt würden. Das Verhältnis dieser Rechte zueinander ist aktuell nicht geklärt.

In der Literatur wird vertreten, dass § 78 UrhG als lex specialis den Normen der DS-GVO vorgeht und somit eine Sperrwirkung entfaltet.2

Dies wird aus § 12 Abs 2 Z 3 DSG abgeleitet, welcher vorsieht, dass eine Bildaufnahme unter Berücksichtigung der Vorgaben gem § 13 DSG zulässig ist, wenn sie durch besondere gesetzliche Bestimmungen angeordnet oder erlaubt ist. Hier wird vertreten, dass § 78 UrhG eine solche gesetzliche Bestimmung ist und die entsprechende Öffnungsklausel in Art 85 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) verortet.3 Aufgrund des Anwendungsvorranges des Unionsrechts ist jedoch eher davon auszugehen, dass die DS-GVO in ihrem Anwendungsbereich den § 78 UrhG verdrängt, da sowohl die Aufnahme eines digitalen Bildes als auch die anschließende Verwendung jeweils als eine Datenverarbeitung iSd Art 4 Z 2 DS-GVO zu qualifizieren sind.4

Die Aufnahme eines digitalen Bildes und die anschließende Verwendung sind jeweils eine Datenverarbeitung iSd Art 4 Z 2 DS-GVO, sofern nicht die Haushaltsausnahme greift. Das führt dazu, dass § 78 UrhG nur noch einen schmalen Anwendungsbereich hat, etwa für analoge Fotos.

3. Vertretung und höchstpersönliche Rechte

In der Literatur wird die Möglichkeit der Vertretung Minderjähriger in datenschutzrechtlichen Agenden unter Hinweis auf die Höchstpersönlichkeit des Rechts auf Datenschutz regelmä-


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ßig ausgeschlossen.5 Höchstpersönliche Rechte können - nach ihrem Zweck bzw ihrer Natur - absolut sein. Das bedeutet, dass die Ausübung dieser Rechte und jede sonstige Disposition darüber grundsätzlich nur durch den Betroffenen selbst erfolgen können. Die Rechte sind demnach vertretungsfeindlich und eine Vertretung grundsätzlich ausgeschlossen (absolut höchstpersönliche Rechte).6 Zudem wird vertreten, dass es höchstpersönliche Rechte geben könne, die zwar unübertragbar und höchstpersönlich, trotzdem aber nicht vertretungsfeindlich wären (relativ höchstpersönliche Rechte).7 Bei der datenschutzrechtlichen Einwilligung soll es sich um ein absolut höchstpersönliches Recht handeln, welches keine Vertretung zulässt.8

4. Vertretungsmöglichkeit nach der DS-GVO

Gegen das generelle datenschutzrechtliche Unvertretbarkeitsdogma9 sprechen nun die Änderungen, die Art 8 DS-GVO mit sich gebracht hat. Art 8 Abs 1 DS-GVO legt besondere Bedingungen für die Einwilligung eines Kindes in Bezug auf Dienste der Informationsgesellschaft10 fest. Ob Kindern eine selbstständige Ausübung des Grundrechts möglich ist, ist in weiterer Folge anhand ihrer Grundrechtsmündigkeit zu beurteilen.11

Nach Art 8 DS-GVO ist die Verarbeitung der personenbezogenen Daten bei einem Angebot von Diensten der Informationsgesellschaft, das einem Kind direkt gemacht wird, aufgrund einer Zustimmung des Kindes rechtmäßig, wenn das Kind das 16. Lebensjahr vollendet hat; hat das Kind das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet, so ist diese Verarbeitung nur rechtmäßig, sofern und soweit diese Einwilligung durch den Träger der elterlichen Verantwortung für das Kind oder mit dessen Zustimmung erteilt wird. In Österreich wurde die Altersgrenze auf das 14. Lebensjahr abgesenkt.12

In Art 8 DS-GVO wurde durch den Unionsgesetzgeber somit explizit die Vertretungsmöglichkeit durch die Eltern auch in Datenschutzangelegenheiten betreffend Dienste der Informationsgesellschaft anerkannt. Dies wirft die Frage auf, wie Sachverhalte/Vertretungsmöglichkeiten in anderen Konstellationen, also wenn kein an Kinder gerichtetes Angebot von Diensten der Informationsgesellschaft vorliegt, zu beurteilen sind, die jedoch innerhalb des DS-GVO-Anwendungsbereichs liegen.

Hier sind mehrere Sichtweisen denkbar. So könnte man davon ausgehen, dass der Unionsgesetzgeber insb die "Dienste der Informationsgesellschaft" als besonders gefahrengeneigt angesehen hat und daher gerade hier eine strenge Reglementierung als erforderlich erachtete (und bei jüngeren Kindern die Vertretung/Mitwirkung der Eltern als notwendig gesehen wird). Unter einer analogen Anwendung dieser Bestimmung könnte die Vertretungsmöglichkeit auch auf andere Bereiche ausgedehnt werden, wobei eine analoge Anwendung dieser speziellen Bestimmung in der "Offline-Welt" wohl mangels planwidriger Lücke eher auszuschließen sein wird.13 Außerhalb des Abgrenzungsmerkmals "Dienst der Informationsgesellschaft" ist es nämlich kaum möglich, eine generell-abstrakte, für jede Rechtskultur innerhalb der EU gültige Tatbestandseingrenzung zu formulieren, wann eine Einwilligung generell vertretbar sein soll und wann demgegenüber der Charakter als höchstpersönliches Recht im Vordergrund steht. Daher kann dem Unionsgesetzgeber kaum vorgeworfen werden, er hätte eine solche Regelung für den gesamten "Offline-Bereich" planwidrig unterlassen.

Bevor auf die Frage eingegangen wird, wie mit diesem Schweigen des Unionsgesetzgebers umzugehen ist, soll kurz auf die bestehende österreichische Entscheidungspraxis eingegangen werden.

5. Bisherige Rechtsprechung

Hinsichtlich der bisherigen Entscheidungspraxis der Datenschutzbehörde ist im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) nur eine einzige Entscheidung14 ersichtlich, welche auf der Rechtsgrundlage des DSG 2000 erfolgte. Diese beschäftigte sich mit der Zulässigkeit der Veröffentlichung eines Klassenfotos auf der Website einer Volkschule. Die Eltern eines Schülers hatten eine von der Schule eingeholte Einwilligungserklärung zur Veröffentlichung von Kinderfotos zu Zwecken der Öffentlichkeitsarbeit explizit abgelehnt.

Die DSB hatte hier zu prüfen, ob durch die Veröffentlichung des Klassenfotos berechtigte Geheimhaltungsinteressen des abgebildeten Kindes verletzt wurden. Inhaltlich kam die DSB zu dem Schluss, dass das betroffene unmündige minderjährige Kind dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt wurde, dass ohne Vorliegen einer Zustimmung der Eltern eine Veröffentlichung eines Fotos des Kindes auf der Webseite der öffentlichen Volksschule erfolgte. Hier hätte die Behörde - implizit - eine Zustimmung von den Eltern des Beschwerdeführers als ausreichend iSv § 4 Z 14 und § 8 Abs 1 Z 2 DSG 2000 genügen lassen, wenn diese wirksam erteilt worden wäre.

Die bisherige Rechtsprechung der Gerichte scheint in der Frage der Vertretung durch den gesetzlichen Vertreter im Bereich höchstpersönlicher Rechte nicht eindeutig, explizite datenschutzrechtliche Entscheidungen existieren bislang nicht.


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Eine prominente medienrechtliche Entscheidung, die gegen die Möglichkeit der Vertretung in Sachen Einwilligung spricht, war der sog "Fenstersturz-Fall".15 Eine zu behandelnde Frage war, ob die Mutter eines zehnjährigen Kindes die Zustimmung zur Veröffentlichung eines nur leicht verpixelten Fotos ihres Kindes in einer Tageszeitung erteilen konnte, neben dem auch höchstpersönliche, Gesundheitsdaten enthaltende Informationen veröffentlicht wurden. Dabei führte der OGH aus, dass es sich bei dieser Einwilligung um ein höchstpersönliches Recht handelt und eine Vertretung nicht zulässig ist. Sofern dem Kind die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit fehlen würde, könne diese Einwilligung nicht durch gesetzliche Vertreter ersetzt werden,16 womit eine Veröffentlichung nicht zulässig wäre.

Kurze Zeit nach der oben erwähnten Fenstersturz-Entscheidung entschied der OGH,17 dass die Weitergabe von Fotos und anderer persönlicher Informationen eines minderjährigen Sohnes durch den Vater an familienfremde Dritte zur Einstellung in eine Website und vergleichbare Internet-Portale unzulässig ist. Ausschlaggebend war die Veröffentlichung des Fotos eines Kindes im Rahmen eines begleiteten Besuchskontaktes. Dem Antragsgegner wurde untersagt, Lichtbilder und persönliche Daten des Kindes an nicht zur Familie gehörende Dritte zur Einstellung in die Website und vergleichbare Internet-Portale oder in vergleichbarer Weise zugänglich zu machen, sofern die obsorgeberechtigte Person hiezu nicht ihre ausdrückliche Einwilligung erteilt hatte.18 Hier wurde somit auf die Einwilligung der obsorgeberechtigten Mutter abgestellt, was mit der Annahme einer absoluten Vertretungsfeindlichkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung im Widerspruch steht.

Eine ebenfalls zu dieser Thematik regelmäßig zitierte Entscheidung betrifft die Verwendung eines Fotos eines minderjährigen Patienten im Zuge einer Spendenkampagne für einen Krebshilfeverein. Hier hat der OGH19 die Frage der Gültigkeit der elterlichen Zustimmung jedoch offengelassen und nicht weiter behandelt.

Aus diesen Entscheidungen ist ersichtlich, dass bislang keine gesicherte Rechtsprechung zur Frage der Vertretung von Kindern bei der Frage der datenschutzrechtlichen Einwilligung besteht.

6. Relative Vertretungsfeindlichkeit durch multipolare Grundrechtskonstellationen

Neben jenen Autoren, welche die Vertretungsmöglichkeit durch die Eltern ablehnen, waren bereits bisher Stimmen zu finden, die die absolute Vertretungsfeindlichkeit von höchstpersönlichen Rechten in Frage stellen. So führt Kopetzki hinsichtlich des oben geschilderten Fenstersturzfalles aus, dass das Ergebnis dieser Entscheidung zwar zutreffend sei, es dafür aber nicht des "Postulats der Vertretungsfeindlichkeit von Persönlichkeitsrechten" bedurft hätte, da die Wirksamkeit einer Zustimmung der Mutter zu einer bloßstellenden Veröffentlichung schon an der Vereinbarkeit mit dem Wohl des Kindes gescheitert wäre.20

Die Möglichkeit der Substituierbarkeit betreffend die Verfügung über ein höchstpersönliches Recht durch einen gesetzlichen Vertreter würde sich nicht aus dem Wesen dieser Rechte ergeben. Die zentral zu behandelnde Frage wäre jene, welche Vertretungsakte mit dem Leitbild des Kindeswohls kompatibel sind. Genau in diese Richtung hatte bereits zuvor Thiele argumentiert und das Kindeswohl in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt.21

Auch der Vorläufer des Europäischen Datenschutzausschusses, die Art 29 Datenschutzgruppe, hatte in der Vergangenheit die Vertretungsmöglichkeit durch Eltern offenbar grundsätzlich als möglich erachtet. Dies wird durch eine ältere Stellungnahme der Art 29 Datenschutzgruppe gestützt, die sich mit dem Thema Vertretung in Datenschutzfragen beschäftigt und ausführt, dass Kinder für die Ausübung ihrer Rechte größtenteils eine gesetzliche Vertretung benötigen würden.22 Die Art 29 Datenschutzgruppe erwähnt hier bereits den Begriff des Kindeswohls und führt zudem aus, dass die Notwendigkeit der Vertretung keineswegs bedeuten würde, dass Kinder ab einem bestimmten Alter in Angelegenheiten, die ihre Interessen berühren, nicht gehört werden sollten.

Auf grundrechtlicher Ebene ist hinsichtlich des Kindeswohls seit dem Inkrafttreten der Grundrechte-Charta auf Art 24 GRC zu verweisen. Hier wird in Abs 1 das Kindeswohl näher "definiert". Kinder haben demnach Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind. Darüber hinaus können sie ihre Meinung frei äußern und diese ist in den Angelegenheiten, die sie betreffen, in einer ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigen. Nach Abs 2 muss bei allen Kinder betreffende Maßnahmen öffentlicher oder privater Einrichtungen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.

Mit dem BVG Kinderrechte23 wurde in Österreich zudem das Übereinkommen über die Rechte von Kindern (die Kinderrechtskonvention) in Österreich in den Verfassungsrang erhoben.

In den Gesetzesmaterialien zum BVG Kinderrechte24 wurde unter Hinweis auf Art 3 des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes25 und Art 24 GRC deutlich gemacht, dass Art 1 BVG Kinderrechte den besonderen Schutz- und Fürsorgeanspruch von Kindern in Verbindung mit den zentralen, kinderrechtespezifischen Anspruch der vorrangigen Berücksichtigung des Wohles des Kindes verwirklicht.

Gem Art 1 BVG Kinderrechte hat jedes Kind "Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind,


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auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit. Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein".

Zur Beantwortung der Frage der Vertretungsmöglichkeit in datenschutzrechtlichen Agenden tritt somit der besondere Schutzanspruch für Kinder aus Art 24 GRC und dem BVG Kinderrechte hinzu, der die Rechte des Kindes als Grundrechte ausformt und dabei zu konkurrierenden Interessen zwischen der Privatsphäre und dem Kindeswohl zu im Einzelnen aufzulösenden Spannungen führen kann.26 Adressaten sind dabei nicht nur umfassend öffentliche Akteure und etwa verantwortliche Stellen aus dem öffentlichen Bereich, die entsprechende Schutz- und Fürsorgepflichten treffen, sondern auch Bürger und Unternehmen. Insoweit greift eine (mittelbare) Drittwirkung.27 Es ist zudem eine zentrale Aufgabe der Eltern bzw der Erziehungsberechtigten, die entsprechenden Rechte wahrzunehmen und es wird ein am Wohl der Minderjährigen ausgerichtetes Handeln ihrer gesetzlichen Vertreter gefordert.28

In der hier behandelten Fragestellung liegt somit eine multipolare Grundrechtskonstellation vor, bei der nicht nur das (höchstpersönliche) Recht auf Datenschutz zu berücksichtigen ist, sondern auch andere grundrechtlich abgesicherte Kinderrechte, rund um den Nukleus des Kindeswohles (welches auch eine Pflicht zur Berücksichtigung der Meinung des Kindes vorsieht), miteinzubeziehen sind.29

Multipolare Grundrechtskonstellationen und damit verbundene Fragestellungen sind keine neue Erscheinung, sondern werden mit dem Instrument grundrechtlicher Interessenabwägung gelöst. Bereits in den Erläuterungen zum Kindschafts- und Namensrechtsänderungsgesetz 2001 (KindNamRÄG 2001) wurde etwa ausgeführt, dass es strittig wäre, wie sich der Grundsatz des Rechts auf Selbstbestimmung mit den Pflichten und Rechten der Eltern im Rahmen ihrer Aufgaben der Pflege und Erziehung (die im Wege des Schutzes des Familien- und Privatlebens - Art 8 EMRK - ebenfalls verfassungsrechtlichen Schutz genießen) vereinbaren lässt. Auch das "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" ist als eine Konkretisierung des aus § 16 ABGB abzuleitenden Persönlichkeitsrechts sowie aus dem Recht auf Achtung des Privatlebens (Art 8 EMRK) zu betrachten.30

7. Zum Begriff des Kindeswohls in der österr Rechtsordnung

Während Art 1 BVG Kinderrechte der besonderen Bedeutung des Kindeswohls auf verfassungsrechtlicher Ebene Rechnung trägt, normiert § 138 ABGB auf einfachgesetzlicher Ebene das Kindeswohl als Leitkriterium bei allen das Kind betreffenden Angelegenheiten.31 Der Begriff "Kindeswohl" wurde durch das KindNamRÄG 2013 das erste Mal genauer in der österr innerstaatlichen Rechtsordnung durch § 138 ABGB umschrieben und ist laut den Erläuterungen32 in allen das Kind betreffenden Maßnahmen - sei es durch die Eltern, sonstige Obsorgebetraute oder eine gerichtliche Entscheidung - bestmöglich sicherzustellen und aufrechtzuerhalten.

Es handelt sich dabei um einen Rechtsbegriff, der als "flexibles Attribut jeweils spezifischer und veränderlicher Konstellationen von personalen und sozialen Schutz- und Risikofaktoren" verstanden wird. Eine abschließende Definition des vielschichtigen Begriffs "Kindeswohl" ist nicht möglich. Einige für das Wohl des Kindes bedeutende Aspekte wurden jedoch in das Gesetz aufgenommen, um den Eltern, den an einer Auseinandersetzung Beteiligten und nicht zuletzt auch den Gerichten Anhaltspunkte für die Beurteilung dieser Frage in all jenen Fragestellungen zu bieten.

So ist das Kind auf eine angemessene Versorgung angewiesen. Unter Versorgung versteht das Gesetz alle Aspekte, die für das körperliche und psychische Wohlbefinden des Kindes erforderlich sind, angefangen von der ausreichenden und ausgewogenen Versorgung mit Nahrung über die Körperpflege und die Bereitstellung notwendiger medizinischer Behandlungen und den gesicherten Kontakt zu beiden Elternteilen bis hin zur Verschaffung geeigneter Wohnmöglichkeiten. Die Angemessenheit der Versorgung ist im Einzelfall zu beurteilen und hängt insb von den Lebensverhältnissen der Eltern, dem Alter, aber vor allem auch den konkreten Bedürfnissen des Kindes ab. Auch die Förderung der Bedürfnisse, Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes ist bei der Beurteilung des Kindeswohls zu berücksichtigen.

Die Bedachtnahme auf den Willen des Kindes ist ein weiterer Bestandteil des Kindeswohls, der in Abhängigkeit vom Verständnis des Kindes und dessen Fähigkeit zur Meinungsbildung zu berücksichtigen ist.

Auch die Wahrung der Rechte, Ansprüche und Interessen des Kindes wird angeführt (dabei geht es etwa um Maßnahmen, die das wirtschaftliche Wohlergehen des Kindes sichern sollen). In Ermangelung einer festgelegten Rangordnung sind die einzelnen in § 138 ABGB angeführten Kriterien in jedem Einzelfall gesondert zu gewichten. Viele der hier aufgezählten Punkte des Kindeswohlbegriffs sind von den Eltern in den eingangs geschilderten Konstellationen zu berücksichtigen und können als Beispiele für eine multipolare Grundrechtskonstellation gesehen werden.

Die (unzweifelhaft prima facie im Sinne des Kindeswohls liegende) Unterstützung von Kindern mit schweren Krankheiten/Beeinträchtigungen durch das Sammeln von Spenden ist regelmäßig nur dann finanziell ausreichend "erfolgreich", wenn eine entsprechende Kampagne unter Verwendung von Bildmaterial der zu unterstützenden Kinder erfolgt. Die damit in Verbindung stehende Offenlegung von besonderen Datenkategorien/sensib-


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len Daten und die Kindeseigenschaft verhindern hier die Verwendung der Vertragserfüllung gem Art 6 Abs 1 lit b DS-GVO bzw des berechtigten Interesses gem Art 6 Abs 1 lit f DS-GVO.

Hier bleibt in der Regel nur die ausdrückliche Einwilligung nach Art 9 DS-GVO als möglicher Erlaubnistatbestand. Sofern diese Kinder nicht die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit besitzen, wäre diese Möglichkeit, Werbung mittels Bildmaterials für die Anliegen dieser Kinder zu betreiben, (datenschutz-)rechtlich untersagt.

8. Schlussfolgerungen

Würden die in der Lit teilweise vertretenen Anforderungen des "höchstpersönlichen" Datenschutzrechts gewahrt, droht die Gefahr, dass andere Aspekte des Kindeswohles in weiterer Folge durch die Eltern nicht ausreichend berücksichtigt werden können. Im Sinne des Kindeswohls ist hier primär der Einsatz von sog "Stock-Fotos" (also vorproduzierten Aufnahmen, die über Bildagenturen verkauft werden) in Erwägung zu ziehen. Sofern dieser aber aufgrund des speziellen Sachverhalts, etwa Patenschaften bzw Projekte für ganz bestimmte Kinder, nicht möglich ist, scheidet diese Möglichkeit aus.

Vor dem Hintergrund der geschilderten multipolaren Grundrechtskonstellation lässt sich der Schluss ziehen, dass das Recht auf Privatsphäre und damit der Datenschutz des Minderjährigen hinter den Primat des Kindeswohls zurücktreten, wenn der konkrete Einzelfall dies erfordert.33 Die grundrechtliche Abwägung muss dabei jedenfalls das Kindeswohl mit einschließen. Rechtskonform angewandt, werden die Eltern die Mitspracherechte der Kinder (als Bestandteil des Kindeswohls) ebenfalls miteinbeziehen, sofern sich die Kinder (bereits) entsprechend äußern können.34

Dementsprechend wurde auch hinsichtlich Art 8 DS-GVO ausgeführt, dass die Eltern keine freie Verfügungsbefugnis über die personenbezogenen Daten des Kindes besitzen würden, sondern dass die Träger der elterlichen Sorge die Einwilligung nur für das Kind (also ausschließlich in dessen Interesse) abgeben dürfen. Hierbei solle sich der Diensteanbieter aufgrund der Höchstpersönlichkeit des Datenschutzrechts aus Art 8 GRC vergewissern, dass die durch die gesetzlichen Vertreter erfolgte Einwilligung tatsächlich im Interesse des Kindes erfolgt.35

Mit dieser differenzierten Sicht ist auch kein Wertungswiderspruch mit dem EU-Datenschutzrecht zu befürchten. Das Zivilrecht, im Besonderen das Kindschaftsrecht ebenso wie das Erwachsenenschutzrecht, lässt durchwegs zu, dass gesetzliche Vertreter im Namen und im Interesse der betroffenen Person Verträge schließen dürfen und situationsbedingt sogar müssen. Mit dem Abschluss solcher Verträge ist in der Regel auch zwingend die Verarbeitung personenbezogener Daten der vertretenen Person verbunden. In diesem Fall liegt bei einem gültigen Vertragsabschluss auch eine Rechtfertigung nach Art 6 Abs 1 lit b DS-GVO oder bei Gesundheitsdiensten Art 9 Abs 2 lit h DS-GVO vor, weil die von der Datenverarbeitung betroffene Person durch die Willenserklärung des Vertretungsberechtigten zur Vertragspartei wird. Auch hier führt die Handlung des gesetzlichen Vertreters zu einer Disposition über einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung respektive in das Datenschutzgrundrecht. Trotzdem ist diese Konstellation erhaben über die Debatte, ob die höchstpersönliche Natur des Datenschutzgrundrechts den Vertragsschluss durch gesetzliche Vertreter (in Zukunft?) vollkommen verhindert.

Tatsächlich lautet die Kernfrage, wann eine Einwilligung durch den Vertreter im Interesse des Vertretenen liegt, obwohl der Einwilligung in den Grundrechtseingriff nicht unmittelbar eine synallagmatische Gegenleistung gegenübersteht, von der eine Vertragsbeziehung geprägt ist. Der Ausgangsfall des Datenschutzgrundrechts ist eben, dass der Mensch als selbstbestimmtes Individuum grundsätzlich selbst seine Interessen bestimmt - auch dann, wenn diese Interessen objektiv/intersubjektiv damit gar nicht befördert werden. In den Übergängen der kommunizierenden Gefäße Selbstbestimmung und Selbstverantwortung - die es in den verschiedenen Phasen des menschlichen Lebens regelmäßig gibt - kann nur im Einzelfall sorgsam beurteilt werden, ob den Interessen einer vertretenen Person mit der Einwilligung tatsächlich gedient ist. Die Prüfung erfordert dabei eine Sorgfalt, die die wenigsten von uns in eigener Sache im Alltag walten lassen.

1

Kopetzki, Kinder im Bild, RdM 2016/82, 121.


2

Zöchbauer, Erneut: Schutz vor Lichtbildaufnahmen und deren Veröffentlichung, Überlegungen aus Anlass der DSGVO und des DS-AG, MR 2017, 299 (301).


3

Zöchbauer, Erneut: Schutz vor Lichtbildaufnahmen und deren Veröffentlichung, Überlegungen aus Anlass der DSGVO und des DS-AG, MR 2017, 299 (301); Höhne, DSGVO und Digitalfotografie, ZIIR 2018, 244 (252).


4

Seling/Schelling, Bildnutzung in der Praxis: Alles neu nach der DSGVO?, ecolex 2018, 739; Klein, Personenbilder im Spannungsfeld von Datenschutzgrundverordnung und Kunsturhebergesetz (2017) 251.


5

Marous, OGH: Die Zustimmung nach § 7 MedienG als "absolut höchstpersönliches" Recht, jusIT 2016/55, 121; Marous, Public Shaming Minderjähriger, Rechtliche Grenzen für die Veröffentlichung bloßstellender Bilder im Internet, EF-Z 2013/160, 255; Marous, Stärkung des Schutzes Minderjähriger vor bloßstellender Berichterstattung, Zur Entscheidung des OLG Wien, 18 Bs 63/15v, EF-Z 2015/148, 244; Höhne, Wer kann über höchstpersönliche Rechte verfügen, ZIIR 2015, 335.



7

Marous, jusIT 2016/55, 118; Marous, EF-Z 2013/160, 255.


8

Marous, jusIT 2016/55, 121; Höhne, ZIIR 2015, 335.


9

Kopetzki, RdM 2016/82, 121.


10

Vgl § 3 Abs 1 Bundesgesetz, mit dem bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäfts- und Rechtsverkehrs geregelt werden (E-Commerce-Gesetz - ECG).


11

Buchner in Buchner/Kühling, Art 8, Rz 10 unter Verweis auf Frenz, Handbuch Europarecht IV § 2 Rz 292 f.



13

Vgl Feiler/Forgó, EU-DSGVO Art 8 Rz 1 (2017); Marous, jusIT 2016/55, 121.


14

DSB 8. 10. 2015, DSB-D122.347/0005-DSB/2015.



16

Haidinger, Minderjährige in der datenschutzrechtlichen Judikatur, Dako 2017/9, 17.


17

OGH 6. 7. 2016, 7 Ob 81/16m (Besuchskontaktfoto), jusIT 2016/88, 187 (Thiele) = ZIIR 2016, 527 (Thiele).


18

Thiele, OGH: Anti-Stalking EV bei familiärer Bildnisschutzverletzung, ZIIR 2016, 527.


19

OGH 17. 2. 2015, 4 Ob 261/14g (Kinderkrebsforschung).


20

Kopetzki, RdM 2016/82, 121.


21

Thiele, Der Schutz personenbezogener Daten von Minderjährigen, insb im schulischen Bereich, in Jahnel (Hrsg), Jahrbuch Datenschutzrecht und E-Government (2012) 76.


22

Art 29 Datenschutzgruppe, WP 147.


23

Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern, BGBl I 4/2011.



25

Übereinkommen über die Rechte des Kindes, BGBl 7/1993 idF BGBl 437/1993.


26

Thiele in Jahnel, Jahrbuch Datenschutzrecht und E-Government (2012) 76.


27

Kühling in Kühling/Buchner, Art 8, FN 9 unter Verweis auf Ennuschat in Stern/Sachs, Europäische Grundrechte-Charta, Art 24 Rz 7.


28

Thiele in Jahnel, 76.


29

Dies wurde explizit für die Ausgestaltung von Art 8 DS-GVO festgelegt.


30

Höhne, ZIIR 2015, 335.


31

Leiler-Khakzadeh, Das KindNamRÄG 2013 aus grundrechtlicher Perspektive, iFamZ 2014, 96.



33

Thiele in Jahnel, 76.


34

Thiele in Jahnel, 76.


35

Heckmann/Paschke in Ehmann/Selmayr (Hrsg), Datenschutz-Grundverordnung (2018) Art 8 Rz 26.


Artikel-Nr.
jusIT 2019/13

20.02.2019
Heft 1/2019
Autor/in
Heidi Scheichenbauer

Dr. Heidi Scheichenbauer ist als Juristin im Bereich des Datenschutzrechts tätig. Die Beantwortung datenschutzrechtlicher Fragestellungen und die Abhaltung von datenschutzrechtlichen Seminaren zählen hier zu ihren laufenden Tätigkeiten. Zudem ist sie Mitglied des Vereins österreichischer betrieblicher und behördlicher Datenschutzbeauftragter – Privacyofficers.at und Autorin von datenschutzrechtlichen Publikationen.

Publikationen (Auswahl):
Der Datenschutzbeauftragte (2019); Datenschutz für Vereine (2018); Verpflichtende Datenschutzbeauftragte für Spendenorganisationen? jusIT Spezial: DS-GVO (2018); Scheichenbauer/Wanderer: Vertretung Minderjähriger in Datenschutzfragen, jusIT 2019/13.

Ulrich Wanderer

Mag. Ulrich Wanderer ist selbständiger Mediator in Wien, Niederösterreich und Kärnten, Beratungsjurist in der Familienberatungsstellen der EDW. Darüber hinaus Lehrtätigkeit an der Fachhochschule Kärnten und Vortragstätigkeit an der Universität Wien.

Publikationen:
Wanderer (Hrsg), Handbuch Mediation (WEKA Verlag), Hilfe ich werde Vater (Mymorawa); Fachautor mehrerer Beiträge für Handbücher des WEKA-Verlages, Mediation ist Do it yourself (Mymorawa), zahlreiche Beiträge in Fachzeitschriften.