Rezension

Praxishandbuch Börserecht, 2. Auflage. Von Gernot Wilfling. Linde Verlag, Wien 2019. XXXII, 38 Seiten. 78 €.

Bearbeiter: Rainer Wolfbauer

Bereits wenige Monate nach Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) im Juli 2016 hatte der Autor das "Praxishandbuch Börserecht" in erster Auflage herausgebracht. In den ersten drei Jahren danach hat sich in Lehre und Rsp in Bezug auf die Rezeption der MAR naturgemäß viel getan. Dazu kommt noch die Neukodifikation des zeitgleich mit dem WAG 2018 erlassenen BörseG 2018, die das BörseG 1989 ablöste und zahlreiche unionsrechtliche Vorgaben aufgrund der MiFID II, MiFIR und anderer delegierter Rechtsakte implementierte. All diese Umstände bewogen den Verfasser des gegenständlichen Werks, Ende 2019 eine Neuauflage herauszubringen.

Das Werk ist - wie bereits die Vorauflage - sichtlich von der umfangreichen praktischen Erfahrung des Autors als in den einschlägigen Fachgebieten tätiger Rechtsanwalt geprägt. Wenn etwa im Zusammenhang mit dem neuen Delisting-Regime nach § 38 BörseG 2018 empfohlen wird, die Variante des "Aktionärsverlangens" anstelle eines Beschlusses der Hauptversammlung zu präferieren, um Anfechtungen zu vermeiden (Rz 484), so spricht hier natürlich der Berater, der Rechtsrisiken weitgehend ausschließen möchte. Ähnliches gilt bspw auch für die zutreffende Einschätzung, dass das "kalte Delisting" infolge des nunmehr positivierten Regelungskomplexes zum "Widerruf der Zulassung über Antrag des Emittenten" im Regelfall unattraktiver sein wird als das "echte Delisting" nach dem BörseG 2018 (Rz 494).

Die zahlreichen Änderungen inhaltlicher wie auch teilweise bloß formaler Natur durch das BörseG 2018 wurden in der Neuauflage berücksichtigt, sodass das Werk als wertvoller Arbeitsbehelf fungiert, um sich mit dem System des neuen Materiengesetzes vertraut zu machen. Wer indessen in die theoretischen Tiefen des Börserechts vorstoßen möchte, wird eher zum nahezu zeitgleich mit dem vorliegenden Praxishandbuch erschienenen Gesetzeskommentar von Kalss/Oppitz/U. Torggler/Winner zum BörseG 2018 und zur MAR greifen müssen. Aufgrund des synchronen Herausgabedatums beider Bücher konnte Wilfling dieses Werk bedauerlicherweise noch nicht berücksichtigen (wie vice versa im Übrigen auch die Autoren des Kommentars zwangsläufig noch die erste Auflage des Praxishandbuchs heranziehen). Dies ist freilich der organisatorischen Sphäre des Verlags zuzuschreiben und keineswegs dem Autor.

Va den zentralen Themen der MAR aus Sicht der Finanzmarktteilnehmer (Emittenten wie auch Intermediäre) widmet Wilfling besonders ausführliche Kapitel, was nicht verwundert, weil genau dort die interessantesten Fragestellungen zu lokalisieren sind: So werden etwa die Ad-hoc-Meldepflicht, die Pflicht zum Führen von Insiderlisten oder auch die Directors’ Dealings-Meldepflicht eingehend behandelt, wobei die marktnahe Beratungspraxis des Autors auch hier immer wieder durchschimmert. Die Beschreibung der Vor- und Nachteile einer Einstufung als "permanenter Insider" (Rz 781) zeugt von einem geübten Blick für existente Rechtsrisiken. Die zahlreichen aus dem realen Wirtschaftsleben gegriffenen Beispiele (etwa zu den "in enger Beziehung stehenden" natürlichen und juristischen Personen bei der Directors’ Dealings-Meldepflicht) sollten den Rechtsunterworfenen, die nicht so tief in der Materie verankert sind, tatsächlich helfen, ein besseres Gefühl für die einzelnen komplexen Tatbestände zu erhalten. Insofern ist der Betitelung des Buchs mit "Praxishandbuch Börserecht" eigentlich ein Understatement, da das Marktmissbrauchsrecht in ihm einen mindestens ebenso großen Stellenwert besitzt.

Auch wenn das vorliegende Werk, ganz seinem Konzept entsprechend, für manche akademischen Fragen keine abschließenden Lösungen bereithalten wird, ist es bestens geeignet, sich mit dem Komplex des Börse- und des Marktmissbrauchsrechts vertraut zu machen und einen guten Einblick in das rechtliche Dickicht zu erhalten.

Artikel-Nr.
ZFR 2020/193

26.08.2020
Heft 8/2020