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Die Blockchain: Von Fehlern und Irrtümern

Oliver Völkel

Hie und da geht auch auf der Blockchain etwas schief. Im Allgemeinen sind es allerdings nicht technische Fehler, die geschehen, sondern menschliche. Wer versehentlich seine Bitcoins an eine falsche Adresse schickt, wird dies meist rasch bereuen. Dass die Aufzeichnung einmal durchgeführter Transaktionen technisch nicht mehr rückgängig zu machen ist, zeichnet die Blockchain gerade aus. Doch auch andere Arten von Fehlern kommen in der Praxis vor. Dieser Beitrag widmet sich der Frage, wie mit Fehlern und Irrtümern auf der Blockchain nach den einschlägigen Bestimmungen des ABGB umzugehen ist. Dabei beschränken sich die Ausführungen auf solche dezentralen Blockchains, die mit der Bitcoin- oder auch der Ethereum-Blockchain vergleichbar sind.

1. Einleitung

Teilweise herrscht immer noch die Vorstellung, Transaktionen auf der Blockchain seien anonym. Ist dann die Frage überhaupt relevant, wie mit Fehlern und Irrtümern umzugehen ist? Wenn ich meinen Anspruchsgegner gar nicht kenne, was nützt mir dann mein Anspruch? Dieser Einwand übersieht, dass viele relevante Akteure in der Krypto-Landschaft bereits heute rasch identifiziert werden können. Und zwar immer dann, wenn eine bestimmte Adresse auf einer Blockchain einer bestimmten Person zugeordnet werden kann.

Als gutes Beispiel lassen sich Adressen von Krypto-Börsen nennen. Diese sind in aller Regel öffentlich bekannt. Eine solche Adresse kann deshalb mithilfe eines Blockchain Explorers - eines Programms, mit dem sich Transaktionen nachverfolgen lassen - rasch einer bestimmten Börse zugewiesen werden.1 Deren Betreiber führen wiederum Buch über ein- und ausgehende Transaktionen auf diesen Adressen und sind zur Identifizierung ihrer Kunden verpflichtet2 oder führen eine Identifizierung freiwillig durch. Sobald jemand versucht, digitale Assets über einen solchen Intermediär zu veräußern, besteht zumindest ein Ansatzpunkt, um die Identität des Gegenübers ausfindig zu machen.

Auch andere Akteure, die für das Bestehen der Blockchain relevant sind, können oft einfach identifiziert werden. Gemeint sind die Miner,3 die durch das Bestätigen von Transaktionswünschen das Rückgrat der Blockchain bilden. In den allermeisten Fällen nutzen Miner beim heute noch am weitesten verbreiteten Proof-of-Work-Verfahren4 nämlich ihre Rechenleistung nicht dazu, um allein auf Block-Jagd zu gehen. Stattdessen bündeln sie ihre Rechenkraft in sog Mining Pools.5 Der Betreiber des Mining Pools stellt sicher, dass die Rechenleistung der einzelnen Teilnehmer sinnvoll eingesetzt wird. Hat der Pool-Betreiber einen Block erzeugt, so erhält zunächst auch dieser den Block Reward und die Transaction Fees.6 Von der Summe dieser Einnahmen behält sich der Pool-Betreiber einen Prozentsatz ein; der Rest wird an die Teilnehmer des Mining Pools im Verhältnis der bereitgestellten Rechenleistung verteilt. Auch hinsichtlich der Betreiber von Mining Pools gilt, dass die von ihnen verwendeten Adressen meist öffentlich bekannt sind. Somit kann über diese Adressen wiederum ein Rückschluss auf die Identität des Pool-Betreibers als potenziellem Anspruchsgegner gezogen werden.

Der Einwand der Anonymität hält also oft nicht stand. Je höher der ökonomische Anreiz, desto eher lassen sich bereits heute Wege finden, den Schleier der Pseudonymität der Blockchain zu lüften. Und die Möglichkeiten dafür werden in Zukunft wohl eher zu- als abnehmen. So stehen Pläne des europäischen Normgebers zum Verbot anonymer Wallets im Raum.7 In Zukunft könnten legal in der EU verwendete Blockchain-Adressen einzelnen Personen zuordenbar werden. Doch von den oben dargestellten Beispielen ganz abgesehen, kann es natürlich auch vorkommen, dass die Identität des Anspruchsgegners von vornherein bekannt ist. Die Frage, wie mit Fehlern und Irrtümern auf der Blockchain umzugehen ist, hat also durchaus praktische Relevanz und somit ihre Berechtigung. Die Vorfrage, wann überhaupt österr Recht maßgeblich sein kann, wird im Rahmen eines Exkurses erörtert.


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2. Arten von Fehlern und Irrtümern

Um welche Fehler und Irrtümer geht es konkret? Hier soll zunächst eine negative Abgrenzung erfolgen: Nicht Gegenstand dieses Beitrags sind Irrtümer iZm dem zugrunde liegenden Schuldverhältnis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger. Nimmt A etwa ein Anbot des B an und leistet daraufhin ein Bitcoin, unterlag er aber bei seiner Annahme einem beachtlichen Irrtum, so kann er den geschlossenen Vertrag mit B ggf nach § 871 ABGB anfechten und das geleistete Bitcoin nach § 877 ABGB kondizieren. Da dieser und vergleichbare Irrtümer aber nicht unmittelbar etwas mit der Transaktion auf der Blockchain zu tun haben, bleiben sie in diesem Beitrag ausgeklammert.

Stattdessen werden nur solche Fehler und Irrtümer behandelt, die iZm einem Transaktionswunsch auf der Blockchain stehen. Zur Erinnerung: Bei einem Transaktionswunsch handelt es sich, vereinfacht gesprochen, um die Nachricht einer Person, in der diese angibt, wie sie mit der Blockchain konkret interagieren möchte, etwa wie viele Bitcoins von einer Absenderadresse auf eine Empfängeradresse übertragen werden sollen.8 Fehler, die in technischer Hinsicht zur Ungültigkeit des gesamten Transaktionswunsches führen, werden jedoch ebenfalls ausgeklammert. Ungültige Transaktionswünsche würden ohnehin nie Teil der Blockchain. Dieser Beitrag behandelt also nur solche Fehler bei Transaktionswünschen, die auch tatsächlich Teil der Blockchain werden können. Da die Möglichkeiten zur Interaktion mit der Blockchain limitiert sind, können die vorstellbaren Fehler systematisiert und in Fallgruppen analysiert werden.

Als einfachster Fall ist zunächst vorstellbar, dass ein Transaktionswunsch insg versehentlich abgesetzt wurde. Bspw wollte A gar nicht den Senden-Befehl in seiner Wallet-Software auslösen. Von diesem Transaktionsirrtum sind Fälle zu unterscheiden, in denen zwar die Vornahme der Transaktion beabsichtigt war, deren Inhalt aber Fehler aufweist. Bei solchen Inhaltsirrtümern muss weiter zwischen einfachen und komplexen Transaktionen unterschieden werden.

Einfache Transaktionen sind solche, bei denen es lediglich um die Übertragung bestimmter digitaler Assets geht. A möchte bspw zwei Bitcoins an B übertragen. Als möglicher Inhaltsirrtum kommt in Betracht, dass sich der Absender A beim Ziel seiner Transaktion irrt, also bspw die zwei Bitcoins nicht an die Adresse des B überträgt. Neben einem solchen Zielirrtum kann eine Person aber auch einem Inhaltsirrtum darüber unterliegen, welchen Betrag sie überträgt. Vertippt sich A bspw und überträgt 20 statt zwei Bitcoins an B, so liegt ein Betragsirrtum vor. Doch noch ein weiterer Inhaltsirrtum ist möglich: Möchte eine Person eine Transaktion auf der Blockchain vornehmen, so bietet sie eine Belohnung als Anreiz für jenen Miner an, der die Transaktion letztlich in einem Block bestätigt (Transaktionsgebühr). Auch dabei können Fehler passieren: A möchte 20 Bitcoins an B übertragen; dafür möchte er 0,00005 Bitcoin an Transaktionsgebühr bieten. A verwechselt die beiden Beträge; er überträgt 0,00005 Bitcoin an B und bietet dafür 20 Bitcoins als Belohnung für den Miner. Neben dem Ziel- und dem Betragsirrtum ist bei einfachen Transaktionen also auch ein Gebührenirrtum vorstellbar.

Komplexe Transaktionen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht ausschließlich der Übertragung von digitalen Assets dienen. Stattdessen werden sie genutzt, um Funktionen von dezentralen Computerprogrammen auszulösen. Da der Programmierung dieser Smart Contracts genannten Programme kaum Grenzen gesetzt sind, ist auch die Möglichkeit für Irrtümer quasi grenzenlos. Dennoch ist zumindest eine Kategorisierung möglich, und so kommen neben den bereits diskutierten Ziel-, Betrags- und Gebührenirrtümern noch zwei weitere Kategorien hinzu. Einerseits kann der Aufruf einer Funktion des Smart Contract irrtümlich erfolgt sein. Ein solcher Aufrufirrtum kann bspw dann vorliegen, wenn A die Funktion eines Smart Contract zum Umtausch bestimmter digitaler Assets aufrufen wollte; stattdessen ruft er aber irrtümlich eine Funktion zum Vernichten dieser digitalen Assets auf. Andererseits kann ein Fehler darin liegen, zwar die richtige Funktion aufzurufen, dieser Funktion aber falsche Daten zu übergeben. Diese Datenirrtümer können sehr unterschiedlich ausfallen. Bspw könnte ein Smart Contract eine Funktion vorsehen, um bestimmte digitale Assets an eine vom Benutzer genannte Zieladresse auszufolgen; A möchte dafür seine eigene Adresse angeben, gibt irrtümlich aber die Adresse des B an.

Zusammenfassend können somit Transaktionsirrtümer und Inhaltsirrtümer unterschieden werden. Bei einfachen Transaktionen sind an Inhaltsirrtümern der Ziel-, der Betrags- und der Gebührenirrtum vorstellbar. Hinzu kommen bei komplexen Transaktionen der Aufrufirrtum bei irrtümlichen Funktionsaufrufen und der Datenirrtum, wenn einer Funktion irrtümlich falsche Daten übergeben werden. Auch mehrere gleichzeitig vorliegende Irrtümer in einem einzelnen Transaktionswunsch sind vorstellbar.

3. Anspruchsgrundlagen und Anspruchsgegner

Im Allgemeinen gilt, dass eine Sache vom Empfänger zurückverlangt werden kann, wenn diese irrtümlich und rechtsgrundlos geleistet wurde (§ 1431 ABGB).9 Das gilt selbstverständlich auch dann, wenn es um die Leistung digitaler Assets auf der Blockchain geht. Diese sind Sachen10 und damit auch Gegenstand des § 1431 ABGB. Nach der vom Autor vertretenen Auffassung11 über die Anwendung eigentumsrechtlicher Bestimmungen auf bestimmte digitale Assets, wie zB Bitcoin, konkurriert die Kondiktion nach § 1431 ABGB mit der Herausgabeklage nach § 366 ABGB,


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wenn der Leistende auch Eigentümer der digitalen Assets war und es an einem gültigen Titel für den Erwerb durch den Empfänger fehlte.12

Neben dem Leistenden A und dem Empfänger B gibt es bei Transaktionen auf der Blockchain allerdings noch eine weitere Person, die es zu berücksichtigen gilt. Zur Erinnerung: Bevor eine Transaktion auf der Blockchain verewigt wird, existiert sie lediglich als Transaktionswunsch des Absenders. Bei diesen Transaktionswünschen handelt es sich um einseitig verbindliche Willenserklärungen des Absenders des Transaktionswunsches in Form der Auslobung (§ 860 ABGB).13 Damit ist ersichtlich, welche Person bisher vergessen wurde: Es ist der Miner C, der den von A gewünschten Erfolg bewirkt, indem er dessen Transaktionswunsch als durchgeführte Transaktion auf der Blockchain festhält. Auch wenn es zwischen dem Absender A und dem Miner C wegen der Qualifizierung dieser Rechtsbeziehung als Auslobung nicht zum Abschluss eines vertraglichen Schuldverhältnisses kommt,14 so ist C als Miner dennoch Erklärungsempfänger. Da auch C auf den Inhalt der Erklärung des A vertraut, kann A seine Erklärung (den Transaktionswunsch, also die Auslobung) gegenüber C nicht ohne Weiteres aus der Welt schaffen. Vielmehr lässt sich die Erklärung des A auch gegenüber C nur nach den Regeln des Irrtumsrechts beseitigen. Dessen Grundsätze sind nicht nur auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbar, sondern generell auf Erklärungen 15 (§§ 871, 876 ABGB) und damit auch auf den Transaktionswunsch als Auslobungserklärung. Gab es also einen Rechtsgrund (die Auslobung; den Transaktionswunsch) für die Leistung (die Transaktionsgebühr), unterlag der Leistende aber einem beachtlichen Irrtum bei der Abgabe seiner Erklärung, die zum Entstehen des Rechtsgrundes geführt hat, so kann er - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen - seine Erklärung anfechten (§ 871 ABGB), damit den Rechtsgrund für seine Leistung beseitigen und die Leistung bereicherungsrechtlich zurückverlangen (§ 877 ABGB).16 Die Irrtumsregeln des ABGB gelten somit auch im Hinblick auf jene Rechtsbeziehung, die zwischen dem auslobenden Absender eines Transaktionswunsches und dem erfüllenden Miner entsteht.

Bei den in diesem Beitrag diskutierten Irrtümern ist Anspruchsgegner des Absenders A also entweder B, der Empfänger der irrtümlichen und rechtsgrundlosen Leistung (§§ 366, 1431 ABGB) oder der Miner C, der aufgrund einer irrtümlichen Willenserklärung des A die Transaktionsgebühr als Leistung empfängt (§§ 877 ABGB). Das Verhältnis Leistender - Leistungsempfänger (A und B) ist somit vom Verhältnis Auslobender - Erfüllender/Miner (A und C) zu unterscheiden. Während es sich bei Leistendem und Auslobendem stets um dieselbe Person A handelt, fallen Leistungsempfänger B und Erfüllender/Miner C in aller Regel auseinander. Somit ist selbst dann, wenn es gar keinen Leistungsempfänger B gibt, dennoch zumindest hinsichtlich der Transaktionsgebühr ein Anspruch des A gegenüber dem Miner C vorstellbar (bspw wenn A in seinem Transaktionswunsch versehentlich die Übertragung eines Bitcoins an eine nicht in Verwendung stehende Adresse auslobt). Grafisch lässt sich die Rechtsbeziehung wie folgt darstellen:

Abbildung 1: Beispiel einer einfachen Transaktion

3.1. Anspruch gegenüber dem Empfänger B

Gegenüber dem Empfänger B kann A seinen Anspruch entweder auf § 1431 ABGB oder auf § 366 ABGB stützen (wenn der Leistende A Eigentümer war). Anspruchsgegner ist hier der Empfänger einer irrtümlichen und rechtsgrundlosen Leistung.17 Der Anspruch richtet sich auf die Rückübertragung des Geleisteten, also etwa eines irrtümlich geleisteten Bitcoins.18 Dass die Transaktion als solche nicht aus der Blockchain entfernt werden kann, ist unbeachtlich. Auch in der physischen Welt ist dies nicht anders: Stellt etwa B dem A eine Goldmünze zurück, so ändert dies nichts daran, dass A dem B diese Goldmünze in der Vergangenheit einmal übergeben hat.19

Mit der Eigentumsklage (§ 366 ABGB) kann der Eigentümer A seine Sache, die er nicht mehr innehat, von demjenigen herausverlangen, der sie innehat, nämlich B. Gegenstand der Eigentumsklage sind nach ganz hA nur körperliche Sachen. Wie gezeigt


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wurde,20 weisen Bitcoins und vergleichbare digitale Assets einen in hohem Grad quasi-körperlichen Charakter auf, wie er sonst nur von körperlichen Sachen bekannt ist. Den genannten digitalen Assets liegt weiters kein relatives Recht zugrunde; sie zählen stattdessen zur Kategorie der sonstigen unkörperlichen Sachen nach § 292 ABGB.21 Der in hohem Grad quasi-körperliche Charakter rechtfertigt die unmittelbare Anwendung eigentumsrechtlicher Normen wie etwa der Eigentumsklage nach § 366 ABGB auch auf digitale Assets wie Bitcoin oder Ether, sofern sie individualisierbar sind (§ 370 ABGB). Das Klagebegehren ist auf die Herausgabe der Sache gerichtet und nicht bloß auf die Duldung ihrer Wegnahme.22 Auf die Möglichkeit des Eigentumserwerbs des Empfängers durch Vermengung sei lediglich hingewiesen.23

Mit der Leistungskondiktion (§ 1431 ABGB) kann der Leistende eine irrtümlich und rechtsgrundlos geleistete Sache zurückverlangen. Voraussetzung dafür ist lediglich zweierlei: die Leistung einer Nichtschuld und ein Irrtum über das Bestehen eines Rechtsgrundes für die erbrachte Leistung. Ein fahrlässiger Irrtum steht der Kondiktion nicht entgegen; es kommt damit also nicht auf dessen Entschuldbarkeit an.24 Ein Irrtum über Tatsachen ist für die Kondiktion ausreichend.25

Damit ist gegenüber dem Empfänger B sowohl die Geltendmachung des Transaktionsirrtums als auch des Betragsirrtums vorstellbar, wenn eine irrtümliche und rechtsgrundlose Leistung des A vorliegt. Beim Gebührenirrtum scheidet ein Anspruch des Leistenden A gegenüber dem Empfänger B hingegen aus, weil nicht B die Transaktionsgebühr empfängt, sondern der Miner C. Ob beim Aufrufirrtum und beim Datenirrtum - also bei Interaktionen mit einem Smart Contract - ein Anspruch nach dem hier diskutierten § 1431 ABGB gegenüber einem Leistungsempfänger vorstellbar ist, richtet sich danach, ob eine Leistung des A vorliegt und ob diese Leistung des A im Wege des Smart Contract einer bestimmten Person zukommt. Liegt eine Leistung vor und kommt diese im Wege des Smart Contract einer bestimmten Person zu, so ist ein Anspruch grds möglich. Im gegenteiligen Fall - es liegt keine Leistung vor oder es gibt keinen Leistungsempfänger - ist auch kein Anspruch auf Basis des § 1431 ABGB denkbar. S dazu den Exkurs in Pkt 4. unten.

3.2. Anspruch gegenüber dem Miner C

Gegenüber dem Miner C kommt als mögliche Anspruchsgrundlage hinsichtlich der Anfechtung der Willenserklärung § 871 ABGB und hinsichtlich der Kondizierung § 877 ABGB infrage. Anspruchsgegner der Irrtumsanfechtung nach § 871 ABGB ist der Empfänger einer irrtümlichen Willenserklärung, nämlich der Auslobungserklärung des A.26 Erklärungs- und Leistungsempfänger (hinsichtlich der Transaktionsgebühr) fallen beim Miner C stets zusammen. § 366 ABGB scheidet gegenüber dem Miner C aus. Bei der Beanspruchung der Transaktionsgebühren aus den einzelnen Transaktionswünschen der auslobenden Absender durch den Miner C werden diese ununterscheidbar miteinander vermischt. Es kommt damit, wie etwa auch für Buchgeld vertreten, zum originären Erwerb des Miners C an den Transaktionsgebühren durch Vermengung (§ 371 ABGB).27 § 366 ABGB muss damit als Anspruchsgrundlage hinsichtlich der Transaktionsgebühren ausscheiden.

Welche Arten der oben vorgestellten Irrtümer können nun gegenüber dem Miner C geltend gemacht werden? Da bei der Anwendung des § 871 ABGB die Auslobungserklärung angefochten wird, hängt die Antwort davon ab, welchen Inhalt diese Willenserklärung aufweist. Inhalt der Willenserklärung, also des Transaktionswunsches, ist zunächst der Wunsch des Absenders, eine bestimmte Transaktion auf der Blockchain festzuhalten, bei gleichzeitigem Versprechen einer Belohnung. Um ein Beispiel aus der analogen Welt heranzuziehen: Der Transaktionswunsch ist vergleichbar mit einer Auslobung an Steinmetze, einen bestimmten Text in Stein zu meißeln. Auch der zu meißelnde Text ist Teil der Willenserklärung des Auslobenden, denn damit umschreibt der Auslobende den Inhalt der ausgelobten Leistung. Gleich verhält es sich im digitalen Raum. Der Transaktionswunsch insg stellt eine Willenserklärung dar. Sämtliche Teile des Transaktionswunsches sind Teil der Willenserklärung des Absenders. Formell bieten daher sowohl der Transaktionsirrtum als auch sämtliche Inhaltsirrtümer eine Grundlage dafür, dass der Auslobende seine Willenserklärung gegenüber dem Miner anficht.

Die Nützlichkeit der Anfechtung nach § 871 ABGB gegenüber dem Miner C darf aber nicht überschätzt werden. Insb ist sie kein taugliches Mittel, um irrtümliche Transaktionen ungeschehen zu machen oder Ersatz dafür zu verlangen. Irrt sich im Steinmetz-Beispiel der Auslobende beim Text, den es zu meißeln gilt, so kann er bei Vorliegen aller Voraussetzungen die diesbezügliche Willenserklärung zwar beseitigen28 und die Belohnung zurückverlangen.29 Ein Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands des Steines ist damit aber nicht verbunden. Ebenso wenig kann vom Miner C auf Basis der §§ 871/877 ABGB begehrt werden, dass er die Transaktion rückgängig macht. Ein solcher Anspruch bzw ein da-


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von abgeleiteter Anspruch auf Wertersatz kann allenfalls nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen gegenüber dem Miner C zustehen.


Übersicht: Geltend­machung von Ansprüchen
Irrtum Empfänger (§§ 366, 1431) Miner (§§ 871/877)
Transaktionsirrtum JaJa*
Betragsirrtum JaJa*
Gebührenirrtum NeinJa*
Aufrufirrtum S Exkurs Ja*
Komplexer Irrtum S Exkurs Ja*

* beschränkt auf die Rückforderbarkeit der ausgelobten Transaktionsgebühr

Voraussetzung für die Anfechtung nach § 871 ABGB ist zunächst das Vorliegen eines beachtlichen und kausalen Irrtums. Beachtlich sind bei entgeltlichen Geschäften nur der Erklärungs- und der Geschäftsirrtum.30 Einem Erklärungsirrtum unterliegt, wer aus der Sicht des Erklärungsempfängers etwas anderes erklärt, als er erklären wollte. Erklärungsirrtum liegt also vor, wenn und weil die objektive Bedeutung der Erklärung vom inneren Willen des Erklärenden abweicht.31 Der Irrtum war kausal, wenn der Irrende A bei Kenntnis der wahren Sachlage seine Erklärung überhaupt nicht oder zumindest nicht in dieser konkreten Gestalt abgegeben32 und dadurch der Miner C den Transaktionswunsch nicht oder nicht mit dem konkreten Inhalt bestätigt hätte. Bietet der Absender eines Transaktionswunsches für dessen Bestätigung eine Transaktionsgebühr als Belohnung an, so liegt ein entgeltliches Geschäft vor.33 Bei allen hier diskutierten Irrtümern erklärt der Absender weiters etwas anderes, als er erklären wollte. Beim Transaktions- und Aufrufirrtum gilt dies für den gesamten Inhalt der Auslobung; beim Ziel-, Betrags-, Gebühren- und Datenirrtum gilt dies für die jeweiligen Teile des Transaktionswunsches. Die hier diskutierten Fälle sind somit allesamt beachtliche Erklärungsirrtümer.

Die allgemeinen Voraussetzungen zur Irrtumsanfechtung liegen in den hier diskutierten Fällen somit stets vor. Der Irrtum kann allerdings nur dann erfolgreich geltend gemacht werden, wenn er entweder durch den anderen veranlasst wurde (§ 871 Abs 1 1. Fall ABGB), dem Gegenüber offenbar hätte auffallen müssen (2. Fall leg cit), oder wenn der Irrtum rechtzeitig aufgeklärt wurde (3. Fall leg cit).

Der Irrtum ist durch den anderen veranlasst, wenn der Erklärungsempfänger/Anfechtungsgegner (der Miner C) selbst den Irrtum des Erklärenden (des Absenders A) adäquat verursacht. Eine solche Konstellation lässt sich möglicherweise konstruieren; da der Transaktionswunsch aber in aller Regel vom Absender A und ohne Zutun des Miners C abgesetzt wird, ist diese Alternative in der Praxis wohl nicht relevant.

Ein Irrtum muss dem anderen Teil offenbar auffallen, wenn die ausdrückliche Erklärung des Irrenden so geartet ist, dass der Erklärungsempfänger/Anfechtungsgegner den Irrtum bei der im Verkehr üblichen und objektiv vorausgesetzten Aufmerksamkeit hätte bemerken oder wenigstens Verdacht hätte schöpfen müssen.34 Ob ein Transaktionswunsch versehentlich abgesetzt wurde (Transaktionsirrtum) ist für den Miner aber in aller Regel nicht erkennbar. Dasselbe gilt für die Frage, ob der gesendete Betrag korrekt ist (Betragsirrtum) oder ob die Empfangsadresse Fehler aufweist (Zielirrtum). Diese Umstände entziehen sich der Kenntnis des Miners und Fehler können diesem auch gar nicht auffallen. Der Transaktionsirrtum als solcher und auch sämtliche Umstände, die nicht das Verhältnis zwischen Absender A und Miner C betreffen, kann der Auslobende A daher in aller Regel nicht nach § 871 ABGB gegenüber dem Miner C geltend machen.

Beim Gebührenirrtum kann die Sache jedoch anders zu beurteilen sein. Transaktionsgebühren notieren idR im tiefen Nachkommastellenbereich. Bei Bitcoin liegt die im Durchschnitt angebotene Transaktionsgebühr gegenwärtig etwa im Bereich der fünften Nachkommastelle (etwa 0.00005 BTC oder rund 2 €).35 Bei Ether liegt sie gegenwärtig im Bereich der dritten Nachkommastelle (0.007 ETH oder rund 20 €).36 Gelegentlich werden jedoch Transaktionen bestätigt, für die ein Vielfaches an Transaktionsgebühr geboten wird. Auf der Ethereum-Blockchain sind 100 Ether und mehr keine Seltenheit. Erst jüngst bezahlte die Krypto-Börse Bitfinex 7.676 Ether (aktuell rund 30 Mio €) für eine einzelne Transaktion.37 Den Rekord hält eine Transaktion, für deren Bestätigung der Absender 10.000 Ether (aktuell rund 42 Mio €) auslobte.38 Unterlief den Absendern in solchen Fällen ein Fehler, so ist die Frage der Rückforderbarkeit alles andere als ein akademisches Problem.

Auf den ersten Blick mag allein der Umstand, dass die konkret gebotene Transaktionsgebühr um ein Vielfaches über dem Durchschnitt liegt, dafür sprechen, das Offenbar-Auffallen-Müssen zu bejahen. Dagegen könnte eingewendet werden,


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dass es sich beim Mining um einen automatisierten Prozess handelt, weshalb die Anforderungen an die im Verkehr übliche und objektiv vorausgesetzte Aufmerksamkeit39 eher gering zu halten sind. Das alleinige Abstellen auf die Höhe der Transaktionsgebühr greift aber ohnehin zu kurz. Allein der Umstand, dass hohe Transaktionsgebühren versprochen werden, muss in der Praxis noch kein Indiz dafür sein, dass der Auslobende irrt. Für hohe Transaktionsgebühren kann es legitime und andere Gründe geben, denen jedenfalls kein Irrtum zugrunde liegt. Ein gutes Beispiel dafür sind Arbitragemöglichkeiten bei dezentralisierten Finanzanwendungen (Decentralized Finance - DeFi). Können bspw durch eine Arbitrage-Transaktion 110 Ether verdient werden, so kann das Versprechen von 100 Ether Transaktionsgebühr durchaus angemessen sein; va dann, wenn der Absender der Transaktion in Konkurrenz zu anderen Personen steht, die möglicherweise selbst dieselbe Transaktion durchführen möchten. Wenn im konkreten Fall nur einer der konkurrierenden Transaktionswünsche die Arbitragemöglichkeit ausnutzen kann, ist es wirtschaftlich sinnvoll, eine hohe Transaktionsgebühr zu versprechen, denn der Miner hat grds ein größeres Interesse daran, die Transaktion mit der höheren Transaktionsgebühr zu bestätigen. Hohe Transaktionsgebühren können auch Schutz vor einem relativ neuen und als Miner Extractable Value (MEV)40 benannten Phänomen sein. Bei diesem mit Frontrunning vergleichbaren Geschehen analysieren Miner die Auswirkungen von Transaktionswünschen - etwa Interaktionen mit DeFi-Anwendungen - und platzieren anstelle des Transaktionswunsches eines Absenders eine eigene gleichlautende Transaktion, um bspw die Arbitragemöglichkeit selbst auszunutzen. Um es auf den Punkt zu bringen: Ein bloßer Blick auf die Höhe der Transaktionsgebühr ist nicht ausreichend; in der Praxis können eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle spielen.

Ein Irrtum ist solange rechtzeitig aufgeklärt, als das Gegenüber noch keine rechtlichen oder wirtschaftlichen Dispositionen im Vertrauen auf die Gültigkeit der Erklärung getroffen oder die Gelegenheit zu solchen versäumt hat, solange also noch kein Vertrauensschaden beim Erklärungsempfänger/Anfechtungsgegner eingetreten ist.41 Da es auf die Erkennbarkeit des Irrtums für den Miner nicht ankommt, ist diese Variante der Irrtumsanfechtung nicht nur beim Gebührenirrtum, sondern bei allen hier diskutierten Irrtumsarten vorstellbar. Die Aufklärung ist so lange rechtzeitig, als der Transaktionswunsch noch nicht in einem Block bestätigt wurde. Rechtliche Dispositionen wurden zu diesem Zeitpunkt noch nicht getroffen - erst mit der Bestätigung des Transaktionswunsches erfüllt der Miner die Auslobungsbedingung und hat damit Anspruch auf die ausgelobte Belohnung. Zwar trifft der Miner bereits bei der Zusammenstellung des Blocks wirtschaftliche Dispositionen - er zieht etwa den Transaktionswunsch des Absenders A einem anderen Transaktionswunsch zur Bestätigung in einem Block vor. Solange der Block aber nicht bestätigt wurde, könnte der Miner den Transaktionswunsch jederzeit durch einen anderen ersetzen. Vor der Bestätigung eines Blocks liegt lediglich eine geringe wirtschaftliche Disposition vor, die nach der Rsp die Rechtzeitigkeit nicht ausschließen soll.42 Spätestens mit der Bestätigung der Transaktionen in einem Block ist die Aufklärung aber nicht mehr rechtzeitig, um die Irrtumsanfechtung zu rechtfertigen. Zu diesem Zeitpunkt hat der Miner die Auslobungsbedingungen des Absenders A erfüllt; er hat damit eine rechtliche Disposition getroffen.

4. Exkurs I: "Zurechnung" von Smart Contracts zu Personen

Nur Personen, dh Rechtssubjekte, können Träger von Rechten und Pflichten sein, rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben und empfangen, Leistungen erbringen und erhalten. Wer auf der Straße einen Verkaufsautomaten bedient, der schließt den Kaufvertrag nicht mit dem Automaten, sondern mit dessen Betreiber. Erklärungs- und ggf Leistungsempfänger ist also stets eine Person. Ebenso wie durch den Einsatz physischer Verkaufsautomaten können auch Smart Contracts, Computerprogramme, die dezentral auf einer Blockchain ausgeführt werden - digitale Automaten -, dazu verwendet werden, vertragliche Schuldverhältnisse zu begründen. Dafür ist es notwendig, dass korrespondierende rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, Anbot und Annahme, zwischen zwei oder mehr Personen ausgetauscht werden. Die Interaktion mit Smart Contracts weist jedoch Besonderheiten auf, die es bei deren rechtsgeschäftlicher Einordnung zu berücksichtigen gilt. Ein Smart Contract kann - muss aber nicht - als Einladung zur Anbotslegung oder, je nach Ausgestaltung, auch bereits als das bindende Anbot einer Person verstanden werden. Die komplexe Transaktion des Absenders A zur Interaktion mit dem Smart Contract ist dann je nach Ausgestaltung entweder dessen Anbot oder eben bereits die korrespondierende Annahme. Um ein digitales Pendant zum analogen Verkaufsautomaten-Beispiel zu skizzieren, kann ein Smart Contract dienen, der nach Übertragung einer kleinen Menge Ether einen Token neu erzeugt und an den Absender der Ether überträgt. Dabei stellen sich mehrere Fragen: Wie ist die Tätigkeit des Miners C in dieser Beziehung rechtsgeschäftlich einzuordnen? Wem gegenüber gibt der Absender A im Beispiel seine Willenserklärung ab? Und an wen leistet A im Beispiel die geringe Menge Ether?


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Zur Beantwortung der ersten Frage - Wie ist die Tätigkeit des Miners C rechtsgeschäftlich einzuordnen? - lohnt erneut ein Blick auf den Transaktionswunsch des Absenders A. Wie oben herausgearbeitet, ist Inhalt der Willenserklärung des A, also seines Transaktionswunsches, der Wunsch, eine bestimmte Transaktion auf der Blockchain festzuhalten, bei gleichzeitigem Versprechen einer Belohnung. Der Inhalt des Transaktionswunsches, also der vom Miner C auf der Blockchain festzuhaltende Umstand (zB Übertragung von Bitcoins [einfache Transaktion] oder auch die Interaktion mit einem Smart Contract [komplexe Transaktion]) ist dabei vom Transaktionswunsch selbst streng zu trennen. Der Transaktionswunsch ist immer eine einseitig verbindliche Willenserklärung des Absenders A in Form der Auslobung. Inhalt des Transaktionswunsches, also der festzuhaltende Umstand, kann hingegen entweder eine Leistung (zB Übertragung von Bitcoin) oder eine Erklärung (zB ein Anbot des A an B) sein, oder beides. Die Tätigkeit des Miners C ist jedoch stets dieselbe. Sie beschränkt sich auf das Festhalten des Transaktionswunsches als durchgeführte Transaktion auf der Blockchain. Um beim oben vorgestellten Beispiel des Meißelns von Text in einem Stein zu bleiben: Ziel ist die Herstellung eines bestimmten faktischen Erfolgs, nämlich das Festhalten des Textes im Stein bzw das Festhalten des einfachen oder komplexen Transaktionswunsches in der Blockchain. Bei diesem Vorgang bildet der Miner keinen eigenen rechtsgeschäftlichen Willen.43 Er nimmt auch keine Rechtshandlung für den Absender A vor, selbst dann nicht, wenn Inhalt des Transaktionswunsches eine rechtsgeschäftliche Erklärung ist. Der Miner hält lediglich einen tatsächlichen Umstand fest, nämlich den Umstand, dass der Absender A die Transaktion vorgenommen hat, ganz unabhängig von ihrem Inhalt.

Zur Beantwortung der zweiten und der dritten Frage - Wem gegenüber gibt der Absender A bei Vertragsschluss unter Einsatz eines Smart Contract seine Willenserklärung ab und wem gegenüber leistet er? - kann somit zunächst festgestellt werden: Es ist nicht der Miner C, der den Transaktionswunsch bestätigt. Stattdessen muss es eine andere Person sein, die den Smart Contract wie einen Verkaufsautomaten einsetzt.

In diesem Zusammenhang ist auf eine Besonderheit von Smart Contracts hinzuweisen, die das Blockchain-basierte Pendant vom physischen Verkaufsautomaten unterscheidet. Wurde nämlich ein Smart Contract auf der Blockchain veröffentlicht, so kann er seine Funktion grds unabhängig von vertraglichen Schuldverhältnissen verrichten. Das oben skizzierte Beispiel eines Smart Contract, der gegen Hingabe von Ether einen Token ausgibt, soll zum besseren Verständnis an dieser Stelle weiterentwickelt werden: Wurde der Smart Contract zunächst von einem Unternehmen dazu eingesetzt, um Verträge über die Ausgabe der Token zu schließen, geht das Unternehmen später aber ohne Rechtsnachfolge unter, so gibt es keine Person mehr, der gegenüber bei der Interaktion mit dem Smart Contract eine Willenserklärung abgegeben oder der gegenüber geleistet werden kann. Das Computerprogramm wird jedoch auch weiterhin Token erzeugen, wenn eine andere Person die programmierten Bedingungen erfüllt. Die Unveränderlichkeit der Blockchain gilt auch für die Funktionsweise einmal veröffentlichter Smart Contracts. Der Fall ist vergleichbar mit einem physischen Verkaufsautomaten eines rechtsnachfolgelos untergegangenen Unternehmers, der gegen Einwurf von Münzen weiterhin Produkte herausgibt, solange der Vorrat reicht. In beiden Fällen - Interaktion mit dem Smart Contract; Bedienen des Automaten - handelt es sich mangels eines Erklärungsempfängers nicht um rechtsgeschäftliche Erklärungen. Diese Eigenschaft von Smart Contracts - Verrichten werthaltiger Aufgaben ohne Begründung vertraglicher Schuldverhältnisse - hat weitreichende Auswirkungen, deren Behandlung jedoch eigenen Beiträgen vorbehalten bleiben muss.

5. Exkurs II: Maßgeblichkeit österreichischen Rechts

Die in diesem Beitrag vorgestellten Überlegungen setzen voraus, dass österr Recht zur Anwendung gelangt. Wann aber ist dies der Fall? Es ist nicht davon auszugehen, dass sich Absender A und Leistungsempfänger B bzw Miner C bei allen Fallkonstellationen stets in Ö aufhalten.

5.1. Anwendbares Recht im Verhältnis Absender - Empfänger

Im Verhältnis zwischen Absender A und Empfänger B sind der Transaktionsirrtum, der Betragsirrtum, der Aufruf- und der Datenirrtum relevant. Wegen der Limitierung dieses Beitrags auf Irrtümer außerhalb eines bestehenden Schuldverhältnisses sind hinsichtlich der kollisionsrechtlichen Beurteilung stets die Bestimmungen über den außervertraglichen Bereich maßgeblich. Im Anwendungsbereich der VO 864/2007/EG (Rom II) kann Art 10 Abs 3 einschlägig sein, wonach iZm ungerechtfertigter Bereicherung das Recht jenes Staates anwendbar ist, in dem die ungerechtfertigte Bereicherung eingetreten ist. Dies ist jener Staat, in dem der Empfänger seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art 2 Abs 2 iVm Abs 3 Rom II). Ist das IPRG anwendbar, so gilt mangels spezieller Norm der Grundsatz der stärksten Beziehung (§ 1 Abs 1 IPRG). Die Wertungen aus Rom II können wohl auch für Beurteilungen nach dem IPRG herangezogen werden, weshalb im Anwendungsbereich des IPRG ebenso das Recht jenes Staats maßgeblich ist, in dem der Leistungsempfänger seinen


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Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die hier angestellten Überlegungen sind also dann relevant, wenn der Leistungsempfänger in Ö ist.

5.2. Anwendbares Recht im Verhältnis Absender - Miner

Im Verhältnis zwischen Absender A und Miner C sind grds sämtliche hier diskutierten Irrtümer relevant. In der Praxis wird aber nur der Gebührenirrtum eine Rolle spielen. In diesem Fall geht es um die Beurteilung des Irrtums iZm einer Auslobungserklärung, die Beseitigung dieser Willenserklärung sowie die Kondizierung der ungerechtfertigt vereinnahmten Transaktionsgebühr. Bei der Beurteilung dieses Sachverhalts kann im Anwendungsbereich von Rom II ebenfalls Art 10 Abs 3 einschlägig sein, wonach iZm ungerechtfertigter Bereicherung das Recht jenes Staates anwendbar ist, in dem die ungerechtfertigte Bereicherung eingetreten ist. Ist das IPRG anwendbar, so gilt wiederum mangels spezieller Norm der Grundsatz der stärksten Beziehung (§ 1 Abs 1 IPRG). Die Wertungen aus Rom II können wieder für Beurteilungen nach dem IPRG herangezogen werden, weshalb im Anwendungsbereich des IPRG ebenso das Recht jenes Staats maßgeblich ist, in dem der Leistungsempfänger seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die hier angestellten Überlegungen sind also dann relevant, wenn der Miner in Ö ist.

6. Zusammenfassung der Ergebnisse

Im Ergebnis kann also festgehalten werden:

-Bei Interaktionen mit der Blockchain lassen sich einfache und komplexe Transaktionen unterscheiden. Einfache Transaktionen haben lediglich die Übertragung bestimmter digitaler Assets zum Gegenstand. Komplexe Transaktionen interagieren mit Funktionen von dezentralen Computerprogrammen (Smart Contracts).
-Bei Interaktionen mit der Blockchain können Transaktionsirrtümer und Inhaltsirrtümer auftreten. Bei einfachen Transaktionen sind an Inhaltsirrtümern der Ziel-, der Betrags- und der Gebührenirrtum vorstellbar. Hinzu kommen bei komplexen Transaktionen der Aufrufirrtum (bei irrtümlichen Funktionsaufrufen) und der Datenirrtum (bei irrtümlicher Übergabe falscher Daten).
-Vom Empfänger kann der Absender beim Transaktions- und beim Betragsirrtum die Herausgabe der (zu viel) übertragenen digitalen Assets verlangen, wenn der Absender entweder Eigentümer ist (§ 366 ABGB) oder zumindest kein Rechtsgrund für die Leistung bestand (§ 1431 ABGB). Die Transaktionsgebühr kann der Absender vom Empfänger der Transaktion nicht herausverlangen, weil diese von jemand anderem (dem Miner) vereinnahmt wird.
-Bei Transaktionswünschen handelt es sich um Auslobungs- und damit um einseitig verbindliche Willenserklärungen, die hinsichtlich ihres gesamten Inhalts einer Anfechtung wegen Irrtums nach § 871 ABGB zugänglich sind. Die Irrtumsregeln des ABGB gelten somit auch im Hinblick auf jene Rechtsbeziehung, die zwischen dem auslobenden Absender eines Transaktionswunsches und dem erfüllenden Miner entsteht.
-Vom Miner kann der Absender beim Gebührenirrtum die (zu viel) geleistete Transaktionsgebühr herausverlangen, wenn der Irrtum dem Miner offenbar auffallen musste (§ 871 Abs 1 2. Fall ABGB). Die Alternativen der Veranlassung des Irrtums (1. Fall leg cit) und der rechtzeitigen Aufklärung (3. Fall leg cit) sind in der Praxis bedeutungslos. Ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Transaktion oder auf Wertersatz kann nicht auf § 871 ABGB gestützt werden.
1

Bspw Etherscan (https://etherscan.io/) für die Ethereum-Blockchain oder der Bitcoin Explorer (https://www.blockchain.com/explorer) für die Bitcoin-Blockchain.


2

Vgl § 6 Abs 1 Z 1 FM-GwG; Art 13 Abs 1 lit a RL 2018/843/EU vom 30. 5. 2018.


3

Der Begriff Miner wird als Überbegriff für Miner bei PoW und Validatoren bei PoS-Blockchains verwendet.


4

Vgl Piska/Völkel, Blockchain rules (2019) Rz 1.11 ff, 13.4 ff.


5

Vgl Piska/Völkel, Blockchain rules Rz 6.6 f, 13.9 ff.


6

Vgl Piska/Völkel, Blockchain rules Rz 1.49 ff.


7

Vgl ErwGr 39 des Entwurfs der geplanten Geldwäsche-VO.


8

Piska/Völkel, Blockchain rules Rz 1.41.


9

Mader in Schwimann/Kodek, ABGB4 (2016) § 1431 Rz 1; Koziol/Spitzer in KBB, ABGB6 (2020) § 1431 Rz 1; Lurger in Kletečka/Schauer, ABGB § 1431 Rz 2 f; RIS-Justiz RS0033607.


10

Vonkilch/Knoll, Bitcoins und das Sachenrecht des ABGB, JBl 2019, 139 (141 f); Fleißner, Eigentum an unkörperlichen Sachen am Beispiel von Bitcoins, ÖJZ 2018, 437 (437 f); Völkel, Vertrauen in die Blockchain und das Sachenrecht, ZFR 2020, 492 (494 f).


11

Völkel, ZFR 2020, 492 (495 ff).


12

Koziol/Spitzer in KBB 6 § 1431 Rz 6; Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB § 366 Rz 5.


13

Völkel, Zur Bedeutung der Dezentralität von Blockchains im Privatrecht, ZFR 2019, 601 (605).


14

Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB4 (2014) § 860 Rz 2, 4; Bollenberger/Bydlinski in KBB 6 § 860 Rz 2, 3; Wiebe in Kletečka/Schauer, ABGB § 860 Rz 1.


15

Riedler in Schwimann/Kodek 4 § 876 Rz 1; Bollenberger/Bydlinski in KBB 6 § 876 Rz 1.


16

Riedler in Schwimann/Kodek 4 § 877 Rz 1; Bollenberger/Bydlinski in KBB 6 § 877 Rz 1 f; Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 (2014) § 877 Rz 1.


17

Mader in Schwimann/Kodek 4 Vor §§ 1431 ff Rz 4; Zoppel in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 (2019) § 366 Rz 5.


18

Mader in Schwimann/Kodek 4 Vor §§ 1431 ff Rz 6; Zoppel in Schwimann/Kodek 5 § 366 Rz 7; Holzner in Kletečka/Schauer 1.06 § 366 Rz 2.


19

Möchte man bei Registern bleiben, so wäre auch eine rechtsgrundlose Eintragung im Firmenbuch als Beispiel denkbar. Diese kann korrigiert oder gelöscht werden; der Umstand der Löschung bleibt dennoch weiterhin ersichtlich.


20

Völkel, Privatrechtliche Einordnung virtueller Währungen, ÖBA 2017, 385 ff.


21

Völkel, ÖBA 2017, 385 ff (387).


22

Winner in Rummel/Lukas 4 § 366 Rz 3; Zoppel in Schwimann/Kodek 5 § 366 Rz 7; Holzner 1.06 in Kletečka/Schauer § 366 Rz 2.


23

Vgl Piska/Völkel, Blockchain rules Rz 3.38 ff.


24

Mader in Schwimann/Kodek 4 § 1431 Rz 4; Koziol/Spitzer in KBB 6 § 1431 Rz 4; Lurger in Kletečka/Schauer 1.07 § 1431 Rz 3; Rummel in Rummel 3 § 1431 Rz 5.


25

Mader in Schwimann/Kodek 4 § 1431 Rz 6; Koziol/Spitzer in KBB 6 § 1431 Rz 4; Lurger in Kletečka/Schauer 1.07 § 1431 Rz 3; Rummel in Rummel 3 § 1431 Rz 5.


26

Riedler in Schwimann/Kodek 4 § 877 Rz 4; Rummel in Rummel/Lukas 4 § 871 Rz 1.


27

Vgl Piska/Völkel, Blockchain rules Rz 3.38 ff.


28

Riedler in Schwimann/Kodek 4 § 877 Rz 4; Bollenberger/Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger 6 § 877 Rz 2.


29

Riedler in Schwimann/Kodek 4 § 877 Rz 4; Bollenberger/Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger 6 § 877 Rz 3; Pletzer in Kletečka/Schauer, ABGB § 877 Rz 1.


30

Riedler in Schwimann/Kodek 4 § 871 Rz 7; Bollenberger/Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger 6 § 871 Rz 1; Pletzer in Kletečka/Schauer 1.03 § 871 Rz 2; Rummel in Rummel/Lukas 4 § 871 Rz 5.


31

Riedler in Schwimann/Kodek 4 § 871 Rz 8; Bollenberger/Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger 6 § 871 Rz 5; Pletzer in Kletečka/Schauer 1.03 § 871 Rz 7; Rummel in Rummel/Lukas 4 § 871 Rz 7.


32

Riedler in Schwimann/Kodek 4 § 871 Rz 20; Bollenberger/Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger 6 § 871 Rz 3; Pletzer in Kletečka/Schauer 1.03 § 871 Rz 5; Rummel in Rummel/Lukas 4 § 871 Rz 6.


33

Wiebe in Kletečka/Schauer 1.03 § 860 Rz 2; Rummel in Rummel/Lukas 4 § 860 Rz 4.


34

Riedler in Schwimann/Kodek 4 § 871 Rz 28 f; Bollenberger/Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger 6 § 871 Rz 15; Pletzer in Kletečka/Schauer 1.03 § 871 Rz 49 ff; Rummel in Rummel/Lukas 4 § 871 Rz 24.




37

Transaktionshash 0x2c9931793876db33b1a9aad123ad4921dfb9cd5e59dbb78ce78f277759587115.



39

Riedler in Schwimann/Kodek 4 § 871 Rz 28 f; Bollenberger/Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger 6 § 871 Rz 15; Pletzer in Kletečka/Schauer 1.03 § 871 Rz 49 ff; Rummel in Rummel/Lukas 4 § 871 Rz 24.


40

Vgl https://medium.com/umbrella-network/miner-extractable-value-mev-101-warum-was-und-wie-bddb85dc030a#:~:text=Miner%20Extractable%20Value%20(MEV)%20ist,in%20einer%20f%C3%BCr%20sie%20vorteilhaften (zuletzt abgefragt am 4. 10. 2021).


41

Riedler in Schwimann/Kodek 4 § 871 Rz 30 f; Bollenberger/Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger 6 § 871 Rz 16; Pletzer in Kletečka/Schauer 1.03 § 871 Rz 53 ff; Rummel in Rummel/Lukas 4 § 871 Rz 25 f.


42

Riedler in Schwimann/Kodek 4 § 871 Rz 30; Pletzer in Kletečka/Schauer 1.03 § 871 Rz 53; Rummel in Rummel 3 § 871 Rz 26.


43

Dies ist letztlich Folge der Dezentralität der Blockchain (vgl Völkel, ZFR 2019, 601 ff): Miner stehen nicht mit anderen Minern in schuldrechtlicher Beziehung; die Gesamtheit der Miner bildet kein eigenständiges Rechtssubjekt; es gibt niemanden, dem gegenüber vom Miner ein rechtsgeschäftlicher Wille gebildet werden könnte. Die Tätigkeit des Miners ähnelt stattdessen jener eines Boten, wobei auch dieser Vergleich nur teilweise zutrifft.


Artikel-Nr.
ZFR 2021/235

25.11.2021
Heft 11/2021
Autor/in
Oliver Völkel

Dr. Oliver Völkel, LL.M. ist Partner bei Stadler Völkel Rechtsanwälte. Sein fachlicher Schwerpunkt liegt im Bank- und Kapitalmarktrecht sowie im Recht der digitalen Assets und virtuellen Währungen. Zu seinen Mandanten zählen zahlreiche namhafte in- und ausländische Unternehmen und Banken. Oliver Völkel studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien und an der Columbia Law School in New York. In der Vergangenheit war er unter anderem an der Universität Wien im Bereich Strafrecht tätig sowie in namhaften international ausgerichteten Wirtschaftskanzleien.