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FX-Kredit und Bestimmtheit der Fremdwährungsschuld in der Rechtsprechung

Alexander Wilfinger

In zahlreichen Prozessen wird derzeit über die Wirksamkeit von Fremdwährungskreditverträgen gestritten, zuletzt hat der OGH maßgebende Fragen geklärt. Der vorliegende Beitrag liefert eine Bestandsaufnahme der umfangreichen Rechtsprechung.

1. Hintergrund

Niedrige Zinsen und das Potenzial günstiger Wechselkursentwicklungen sorgten lange für große Beliebtheit von Fremdwährungskrediten unter österr Verbrauchern. Die vor allem in eine Aufwertung des Euro gegenüber dem Schweizer Franken (CHF) gesetzten Hoffnungen wurden aus heutiger Sicht freilich enttäuscht, rückblickend stellt sich der Vertragsabschluss häufig als nachteilig heraus. Das juristische Nachspiel wurde zunächst primär im Schadenersatzrecht ausgetragen, wo sich etwa Fragen der Reichweite von Aufklärungspflichten und der Verjährung stellten.1 Mittlerweile hat sich der Schauplatz ganz ins Vertragsrecht verlagert: Zahlreiche Kl machen geltend, dass die Verträge überhaupt unwirksam seien.

Die Ausgangsfälle unterscheiden sich zwar im Detail nach dem Bedingungswerk der bekl Bank und der genauen Vertragsabschlusssituation, sind aber im Wesentlichen vergleichbar. Charakteristikum des Fremdwährungskredits ist die Koppelung der Zahlungspflichten an eine andere Währung (§ 2 Abs 12 VKrG). Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung als echte2 (= Rückzahlung in CHF) oder unechte (= Rückzahlung in Euro) Fremdwährungsschuld trägt der Kunde daher das Wechselkursrisiko: Da er entweder einen bestimmten CHF-Betrag oder das einem bestimmten CHF-Betrag entsprechende Euro-Äquivalent schuldet, werden Rückzahlung und Bedienung von Zinsen für Euro-Verdiener günstiger, wenn der Euro gegenüber dem CHF steigt, und - wie tatsächlich geschehen - umgekehrt. Zentrale Punkte des Vertragsabschlusses sind insofern die grundsätzliche Einigung über die Koppelung an den CHF und die Festsetzung des maßgebenden CHF-Betrags; mangels eines amtlichen Devisenkurses fragt sich außerdem, wie die Umrechnung erfolgt.

In der Praxis wurden diese an sich klaren Schritte offenbar nicht immer einzeln nachvollzogen. Regelmäßig nannten die Vertragswerke etwa gerade keinen CHF-Betrag, vielmehr war von einem Kredit "im Gegenwert" einer näher bezeichneten Euro-Summe die Rede.3 Den dafür maßgebenden Umrechnungskurs gaben manche Bedingungen gar nicht an,4 andere verwiesen auf das hausinterne Devisenfixing.5 Gleichzeitig wurden den Kreditnehmern im Ergebnis Euro zur weiteren Verwendung zugezählt6 und sollte die Rückführung des Kredits nach manchen Klauseln "in der jeweils ausgenützten Währung" erfolgen.7

Aus Sicht der Kunden blieb damit zu viel unklar. Die Klauseln zur Fremdwährungsschuld seien gröblich benachteiligend und intransparent, die Verträge seien unvollständig.8 Ohne eindeutige CHF-Angaben bleibe vom Fremdwährungskredit aber nichts mehr übrig, weshalb die Verträge von vornherein nichtig und rückabzuwickeln seien.

Die Sprengkraft dieses Standpunkts, der das Wechselkursrisiko der Bank zuweisen soll, ist evident. Es wird an tausenden, oftmals jahrzehntealten Verträgen gerüttelt. Erschwerend kommt die besondere Unübersichtlichkeit des Problems hinzu. Fremdwährungskredite sind zwangsläufig komplexe Verträge, der genaue Inhalt, die dahinterstehenden wirtschaftlichen Vorgänge und die Einzelheiten der Abwicklung sind schwer zu durchschauen; nicht ohne Grund hat die FMA die Neuvergabe de facto gestoppt.9 Unterzieht man einzelne Klauseln der notorisch strengen AGB-Kontrolle, tritt zusätzlich der notorisch noch strengere EuGH auf den Plan, der sich bereits in zahlreichen Vorabentscheidungsverfahren aus verschiedenen Mitgliedstaaten zu Fremdwährungskrediten geäußert hat.10 Schnell entsteht der


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Eindruck eines fragilen Konstrukts, das zusammenbricht, sobald ein Bestandteil wegfällt.

Bei aller Komplexität im Einzelnen gerät leicht in den Hintergrund, dass über das Grundsätzliche sehr wohl Einigkeit besteht. Dass der Kunde einen CHF-Kredit abschließen und dadurch in den Genuss günstigerer Zinsen und möglicher Wechselkursvorteile kommen wollte, ist regelmäßig unzweifelhaft. Beruft er sich nunmehr, da die Wechselkursentwicklung nicht den erhofften Lauf genommen hat, auf Nichtigkeit, liegt der Verdacht eines nachträglichen Rosinenpickens nahe.11

Die Ausgangslage ist also ambivalent und fordert letztlich die Gerichte, die sich den skizzierten Problemen derzeit mit beeindruckender Schlagzahl widmen und beinahe im Wochentakt neue E fällen. Dementsprechend bietet sich eine Bestandsaufnahme an, die veranschaulicht, dass die Rsp auch im Dickicht vieler Spezialfragen nicht den Blick auf das Wesentliche verliert. Mehrere Weichenstellungen führen dabei hin zu einer mittlerweile gefestigten Rsp.

2. Euro-Zahlungen und Umrechnung

2.1. Kredit- und Geldwechselvertrag

Zunächst lässt sich einiges abschichten. Immer wieder wird der schon angesprochene Umstand aufgeworfen, dass die Kreditnehmer im Ergebnis keine Fremdwährung erhielten, sondern Euro ausbezahlt wurden. Bei der unechten Fremdwährungsschuld ist das selbstverständlich, weil die Fremdwährung hier nur als Berechnungsgrundlage für die Euro-Zahlungen dient. Vereinbart wurde idR aber eine echte Fremdwährungsschuld, nach Z 75 Satz 1 ABB ist der Kredit sogar effektiv - also ohne Ersetzungsbefugnis nach § 907b Abs 1 ABGB - in der Fremdwährung zurückzuzahlen.12 Vertragsgegenstand ist dann die Zurverfügungstellung von CHF, weshalb die Bank die Auszahlung von Fremdwährung schuldet.13

Dass sich die Kunden dennoch für Euro entscheiden konnten, die sie natürlich zur weiteren Verwendung benötigten, versteht der OGH als Angebot zum Abschluss eines selbstständigen Vertrags. Die Bank wechselt die kreditvertraglich geschuldete Fremdwährung direkt aufgrund eines gesonderten Geldwechselvertrags und zahlt Euro aus, was dem Kunden die anderweitige Beschaffung erspart ("Trennungsmodell").14 Auf den Inhalt des Kreditvertrags wirkt sich die Euro-Zuzählung also nicht aus.

2.2. Verweis auf hausinternes Devisenfixing

Für den Umrechnungskurs hinsichtlich der Aus-, Rück- und Zinszahlung stellen die AGB mancher Banken auf das eigene "Devisenfixing" ab, womit die hausinterne Bestimmung der marktüblichen Handelskurse gemeint ist. Solche Verweise auf selbstständige Berechnungen des Unternehmers sind regelmäßig verdächtig, weil sie für den Kunden schwer nachvollziehbar sind und auf missbilligte einseitige Entgelt- oder Leistungsbestimmungen hinauslaufen können (§ 6 Abs 1 Z 5 und Abs 2 Z 3 KSchG); insofern wenig überraschend untersagte das HG Wien in einem unbekämpft gebliebenen Urteil die Verwendung einer derartigen Klausel.15 Nicht immer sind die schon reflexhaft aufkommenden Vorbehalte freilich auch tatsächlich berechtigt. Soll in einem Lebensversicherungsvertrag geregelt werden, wie die Berechnung einer Jahrzehnte später fälligen Rente erfolgen wird, muss der Versicherer etwa zwangsläufig auf die einschlägigen versicherungsmathematischen Grundsätze zurückgreifen und auf die "im Fälligkeitszeitpunkt geltenden Tarife" verweisen.16

Ebenso alternativlos ist das Devisenfixing, was der OGH im Nachgang zur E des HG Wien berücksichtigte. Irgendwie muss der zur Zeit der Zahlung am Zahlungsort maßgebliche Kurswert (§ 907b Abs 2 ABGB) ja ermittelt werden, wobei die Marktteilnehmer seit der Abschaffung amtlicher Kurse im Zuge der Euro-Einführung auf sich gestellt sind: Banken sind "vor dem Hintergrund, dass es derzeit keinen amtlich verlautbarten Briefkurs gibt, gezwungen, diesen selbst zu ermitteln, also ein sogenanntes Fixing (welches vormals amtlich durchgeführt wurde) vorzunehmen. Dass die einzelnen österreichischen Banken (bzw -gruppen) ein solches Fixing durchführen, stellt nach den Feststellungen nicht nur einen Handelsbrauch, sondern sogar eine allgemeine Verkehrssitte dar."17 Selbstverständlich ist das kein Freibrief zur Willkür, die herangezogene Berechnungsmethode muss sachlich und nachprüfbar sein;18 im Grundsatz ist die Heranziehung des eigenen Devisenfixings aber unbedenklich. Obwohl die E nicht in einem Klauselprozess erging - Anlass war vielmehr ein Schreiben der vor dem HG Wien unterlegenen Bank, mit dem sie ihre Kunden über die Heranziehung des Devisenfixings im Rahmen des dispositiven § 907b Abs 2 ABGB informierte -, liegt mit Koch dementsprechend nahe, dass der OGH die fragliche Klausel anders als das HG Wien nicht beanstandet hätte.19 Eine klare Position des EuGH ist in seiner äußerst unübersichtlichen Rsp zu den Anforderungen an Wechselkursklauseln kaum auszumachen.20


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2.3. Keine Umrechnungsklausel

Gemeinsam geben die Devisenfixing-E und die Trennung von Kredit- und Geldwechselvertrag die Richtung für Fälle vor, in denen eine Wechselkursklausel schon ursprünglich fehlt oder nachträglich wegfällt.

Nach dem zunächst allgemein naheliegenden dispositiven § 907b ABGB kann die Fremdwährungsschuld auch in inländischer Währung erfüllt werden (Abs 1), wobei die Umrechnung dann nach dem "zur Zeit der Zahlung am Zahlungsort maßgeblichen Kurswert" erfolgt (Abs 2); für dessen Ermittlung darf die Bank auf ihr Devisenfixing abstellen, im Streitfall ist ein Sachverständiger beizuziehen.21 Dass das interne Devisenfixing daneben auch aufgrund eines dahin gehenden Handelsbrauchs oder einer Verkehrssitte zum Zug kommt, setzt entsprechende Tatsachenfeststellungen im konkreten Prozess über das Vorhandensein eines solchen Brauchs oder der Sitte voraus.22 Fehlt der Umrechnungsmechanismus von vornherein und ist der Vertrag insofern anfänglich lückenhaft, ist all das weitgehend unproblematisch.23

Entfallen die entsprechenden Klauseln erst nachträglich im Rahmen der AGB-Kontrolle, sorgt demgegenüber die jüngere EuGH-Rsp für Unsicherheit, die die Ersetzung missbräuchlicher Klauseln nur eingeschränkt zulässt und nationale Grundsätze von der geltungserhaltenden Reduktion über die ergänzende Vertragsauslegung bis zur Anwendung dispositiven Rechts unter Druck bringt.24 Im vorliegenden Zusammenhang zeigt sich der OGH davon indes unbeeindruckt, weil die Trennung von Kredit- und Geldwechselvertrag die Umrechnung im Regelfall des echten Fremdwährungskredits entbehrlich macht: Entfielen die "Konvertierungsklauseln" und käme auch eine Anwendung von § 907b ABGB nicht in Betracht, "bliebe es dabei, dass die Zahlungen in der Fremdwährung zu erfolgen haben. Der Kreditvertrag wäre auf dieser Basis zu erfüllen und könnte ohne die beanstandeten Klauseln fortbestehen. Der Kreditnehmer müsste sich die von ihm in fremder Währung zu leistenden Beträge dann - nicht notwendigerweise beim Kreditgeber - selbst beschaffen."25

Unionsrechtliche Zweifel26 zerstreut der OGH mit dem Hinweis, dass sich die mitunter restriktiven EuGH-E zu Fremdwährungskrediten - insb die Rs "A" S.A. 27 - nicht auf das österr Trennungsmodell beziehen.28 Dieses distinguishing ist gerade angesichts des starken Anlassfallbezugs von Vorabentscheidungsverfahren heilsam, der im Tenor von EuGH-Urteilen oft nicht zum Ausdruck kommt und daher untergeht.29 So dürfte das Problem im polnischen Ausgangsstreit in der Rs "A" S.A. ein unterschiedliches Verständnis der beiden Vertragspartner von der Wechselkursklausel gewesen sein: Der Kunde ging von der Heranziehung des (offenbar vorhandenen) amtlichen Kurses der polnischen Nationalbank aus, die Bank von ihrer eigenen Wechselkurstabelle.30 Dann mag ein nur schwer zu sanierender Dissens vorliegen,31 die österr Fälle liegen aber meist anders.32

3. Wechselkursbindung und Bestimmtheit der Kreditsumme

3.1. Problem

Wechsel- und Umrechnungsfragen lassen sich damit weitgehend lösen. Beim echten Fremdwährungskredit erfolgt die Euro-Auszahlung aufgrund eines gesonderten Geldwechselvertrags; umgerechnet wird auf Basis des am Markt üblichen Kurses, den das bankinterne Devisenfixing abbilden kann; fallen Konvertierungsklauseln weg, muss der Kunde die geschuldete Fremdwährung anderweitig beschaffen. All das setzt freilich Sicherheit über die Grundgröße voraus: die Maßgeblichkeit eines bestimmten CHF-Betrags, der beim echten Fremdwährungskredit selbst die Kreditsumme ist und an den sich beim unechten Fremdwährungskredit die Euro-Kreditsumme koppelt.33

Erstaunlich oft wird allerdings geltend gemacht, dass gerade diese Sicherheit fehle, weil die Bezugnahme auf die Wechselkursbindung an sich und die zugrunde liegende CHF-Größe in den Vertragswerken vage bleibe. Man ist damit bei der zentralen Frage der jüngeren Rsp angelangt.

3.2. Intransparente Rückführungsklausel (1 Ob 93/21i)

Paradigmatisch ist ein Verbandsprozess, dem ua folgende Klauseln zugrunde lagen:

"Wir [...] erklären uns gerne bereit, Ihnen einen in Euro und Fremdwährung einmalig ausnützbaren Kredit bis zum Gegenwert von EUR [...] in folgender Währung: Schweizer Franken auf Ihrem Konto [...] samt allfälligen Konten in den jeweils erforderlichen Währungen zu nachfolgenden Bedingungen zur Verfügung zu stellen."


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"Die Rückführung des Kredites erfolgt in der jeweiligen ausgenützten Währung."

Die bekl Bank ging davon aus, dass der Kredit auch bei Auszahlung in Euro ein Fremdwährungskredit bleibe, also in CHF "ausgenützt" werde und dementsprechend in CHF rückzuführen sei. Für den OGH ist dieses Verständnis aber nicht zwingend. Der Kunde, der wie regelmäßig letztlich Euro erhalten will und auch erhält, könne genauso davon ausgehen, dass die tatsächlich ausbezahlte die "ausgenützte" Währung sei. Dann liege der Fremdwährungskredit aber fern: "Im Fall der ‚Euro-Ausnützung‘ des Kredits verschleiert die Klausel [...] dem Kreditnehmer das Währungsrisiko, weil er die Bezugnahme auf die Möglichkeit der Ausnützung ‚in Euro und Fremdwährung‘ auch so verstehen kann, dass ihm alternativ ein gewöhnlicher Euro-Kredit (mit einer höheren Zinsbelastung) angeboten wird."34 Die - vom VKI allein beanstandete - Rückführungsklausel sei daher intransparent (§ 6 Abs 3 KSchG).

Zukünftig müssen sich Banken also um eine dahin gehend deutlichere Formulierung bemühen. Für den Individualprozess und damit für die Rechtsfolgen im konkreten Vertragsverhältnis lässt die abstrakte Prüfung möglicher Missverständnisse im Verbandsverfahren indes keine Schlüsse zu, was der 1. Senat wenig später hervorhob.35

3.3. Dissens (6 Ob 51/21z)

Dass die Dinge auch dort kompliziert liegen können, zeigte in der Folge die E 6 Ob 51/21z, die aufgrund des besonderen Verfahrensverlaufs freilich gleichsam eine Mittelstellung zwischen Verbands- und Individualprozess einnimmt. Der Kl begehrte die Feststellung, dass er am Laufzeitende nur die in Euro ausbezahlte Kreditsumme abzüglich der geleisteten Tilgungsraten zurückzahlen müsse, weil die Klauseln zur Fremdwährungsschuld unwirksam seien. Die Unterinstanzen teilten diese Rechtsansicht offenbar schon grds nicht und wiesen die Klage zügig ab. Den rudimentären Sachverhaltsfeststellungen lässt sich im Wesentlichen nur entnehmen, dass dem Kl ein "in Euro und Fremdwährung einmalig ausnützbare[r] Kredit ‚bis zum Gegenwert von 50.000 EUR‘" versprochen wurde, die Rückführung in der ausgenützten Währung erfolgen sollte, die bekl Bank den Kredit auch tatsächlich "in Schweizer Franken zur Verfügung stellte" und ein Fremdwährungskonto sowie ein damit verbundenes Girokonto in Euro einrichtete, der Kl aber nie "Geld in Fremdwährung ausbezahlt" erhielt und "vom Fremdwährungskonto direkt keine Überweisungen" vornahm.36 Die Ausgangslage erinnert insofern stark an das Verbandsverfahren, weil sich der OGH letztlich nur mit der einigermaßen abstrakten Frage auseinandersetzen konnte, ob die vertragliche Regelung auch dann hinreichend klar ist, wenn der Kunde faktisch ausschließlich mit Euro in Berührung kommt.

Dementsprechend kritisch ist die Grundhaltung des OGH, der von der AGB-Kontrolle schnell zu einem tiefer liegenden Problem abbiegt. Der Kl moniere nämlich, dass er das CHF-Obligo mangels eines festgelegten Umrechnungsmodus nicht ermitteln könne, und mache damit "in Wahrheit geltend, dass die Kreditsumme als Hauptleistungspflicht der Kreditgeberin und davon abgeleitet auch die Rückzahlungssumme als Hauptleistungspflicht des Kreditnehmers nicht ausreichend konkretisiert seien. Die Rechtsfolge daraus wäre aber keine (Teil-)Nichtigkeit intransparenter Vertragsklauseln, sondern dass der Kreditvertrag gar nicht wirksam zustande kam."37 Tatsächlich lasse sich die Höhe der Kreditsumme auf Basis des Vorbringens und der Feststellungen nicht ermitteln, weshalb Dissens nach § 869 ABGB vorliege.38 Da das auf zinslose Rückzahlung am Laufzeitende gerichtete Feststellungsbegehren allerdings mit der konsequenterweise eintretenden sofortigen bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung unvereinbar sei, verwies der OGH die Sache in die erste Instanz zurück, um dem Kl zu ermöglichen, sein Begehren schlüssig zu stellen.39

Die besonders ausführlich begründete E wirkt zunächst wie ein richtungsweisender Erfolg für Fremdwährungskreditnehmer. Ihre Aussagekraft ist aber gerade aufgrund des Prozessverlaufs beschränkt, worauf jüngst Zoppel hingewiesen hat.40 Ob sich ein Vertragsinhalt bestimmen lässt, hängt ja zwangsläufig von vielen Faktoren ab, der maßgebende Empfängerhorizont (§§ 863, 914 ABGB) ergibt sich aus dem gesamten Parteiverhalten in der Abschlusssituation und im Lauf der Vertragsabwicklung. Feststellungen dazu fehlten aber fast vollständig, es ist nicht einmal klar, ob der Kunde Kenntnis vom eröffneten Fremdwährungskonto, vom darauf gebuchten CHF-Betrag oder von der entsprechenden Euro-Summe erlangte. Die Annahme von Dissens bezieht sich damit auf "einen Fall, der sich real höchstwahrscheinlich nicht ereignet hat",41 was auch der 6. Senat berücksichtigt. Rückschlüsse auf den Bindungswillen könnten nämlich etwa dann sehr wohl gezogen werden, "wenn der Kläger in Kenntnis von den Schweizer Frankenbetrag ausweisenden Kontoauszügen über die Kreditvaluta disponierte",42 weshalb das ErstG explizit zur Erörterung der "Problematik der Bestimmtheit der Kreditschuld" im fortgesetzten Verfahren aufgefordert wurde.43

3.4. Regelfall: eindeutige Vertragspraxis

Von der intransparenten Rückführungsklausel im Verbandsprozess über den "abstrakten" Dissens im unvollständigen ersten Rechtsgang führt die Rsp schließlich zu konkreten Fällen, in denen die Karten auf dem Tisch liegen. Klarheit über die gelebte


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Vertragspraxis räumt mögliche Zweifel an der Bestimmbarkeit der Fremdwährungsschuld auf Basis des Vertragstexts dabei regelmäßig aus.44

Das betont der OGH in bewusster Abgrenzung zur Dissens-E. Erhält der Kunde etwa - "[a]nders als in dem der Entscheidung 6 Ob 51/21z zugrunde liegenden Fall" - nach Vertragsabschluss einen Kontoauszug des CHF-Kontos, der sowohl den CHF-Betrag als auch den konkret herangezogenen Währungsumrechnungskurs ausweist, und beanstandet er diesen Betrag nicht, "lässt sein Verhalten nur den Schluss zu, mit einer Kreditsumme in Höhe eben jenes CHF-Betrags einverstanden gewesen zu sein".45 Dasselbe gilt bei einer im Vertrag nicht ziffernmäßig bestimmten Kreditsumme, "konkretisiert im Kontoauszug anlässlich der Zuzählung mit 155.000 CHF".46 In solchen Situationen kann "nicht zweifelhaft sein, dass der Kreditbetrag in CHF - und damit die Fremdwährungsschuld - bestimmt war und der Vertrag mit der Kreditsumme in Höhe des ihr bekannt gegebenen CHF-Betrags zu dem für die Ausnützung des Kredits in Fremdwährung vereinbarten Zinssatz zustande gekommen ist".47

Die Einordnung setzte sich schnell und in zahlreichen E verschiedener Senate durch, sodass mittlerweile eine gefestigte Rsp vorliegt, die in den üblichen Fallkonstellationen von der Bestimmbarkeit der Fremdwährungsschuld ausgeht.48 Die Geltendmachung von Nichtigkeit als Reaktion auf ungünstige Wechselkursentwicklungen scheidet also idR aus, was der 4. Senat besonders deutlich macht: Erhält der Kunde über 18 Jahre lang jährlich Kontoauszüge, ohne sie zu beanstanden, und lehnt er eine Konvertierung trotz mehrfacher Hinweise auf die Kursentwicklung ab, ist die spätere Berufung auf Unbestimmtheit sogar rechtsmissbräuchlich, denn die "Gegenauffassung würde es einem Kreditnehmer ermöglichen, seinen Vertragspartner jahrzehntelang über seinen Rechtsstandpunkt im Unklaren zu lassen und damit im Ergebnis auf dessen Rücken zu spekulieren".49

4. Fazit

Vor dem Hintergrund dieser umfangreichen Rsp relativiert sich der erste Eindruck vom fragilen Fremdwährungskredit. Jahrelange geräuschlose Vertragsabwicklung kann mögliche Unklarheiten im Vertragstext sanieren, der "Nichtigkeitsjoker" sticht nicht. Nach dem schadenersatzrechtlichen dürfte damit auch am vertragsrechtlichen Schauplatz bald Ruhe einkehren, ist die Grundsatzfrage der Bestimmtheit doch genauso geklärt wie mehrere Einzelfragen über Auszahlungsmodalitäten und Umrechnungsmechanismen. Neue europäische Impulse sind zwar natürlich nie ausgeschlossen, der OGH sieht für Vorlagen derzeit aber keine Notwendigkeit.50

1

Liebel/Perner in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 988 Rz 9 mwN.


2

Nach § 907b Abs 1 ABGB hat der Schuldner grds eine Ersetzungsbefugnis, er kann auch in Euro leisten; wird diese Ersetzungsbefugnis abbedungen und ist eine schuldbefreiende Zahlung daher nur in Fremdwährung möglich, liegt eine effektive Fremdwährungsschuld vor; vgl Aichberger-Beig in Klang 3 § 905a Rz 12 ff.







8

Exemplarisch OGH 6 Ob 51/21z.


9

FMA-FXTT-MS, 28. 4. 2017; dazu Wolfbauer, FMA veröffentlicht neue Mindeststandards zu Fremdwährungs- und Tilgungsträgerkrediten, ZFR 2017, 308; Liebel/Perner in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 988 Rz 7; allgemein zu behördlichen Interventionsmaßnahmen am Finanzmarkt Wilfinger, Verbraucherschutz durch Kapitalmarktaufsicht (2020) 3 ff.


10

Prominent sind etwa EuGH C-26/13, Kásler; C-186/17, Andriciuc, ZFR 2018/4 (Riss); C-260/18, Dziubak; C-212/20, "A" S.A.; C-472/20, Lombard Lízíng.


11

Vgl Perner, Rücktritt vom Lebensversicherungsvertrag - Durchgriff auf den Kreditvertrag? ÖBA 2018, 15 (19).


12

Bollenberger/P. Bydlinski in KBB6 § 907b Rz 9.


13

OGH 8 Ob 37/20d ÖBA 2021, 486 (Koch); 1 Ob 173/21d; 5 Ob 203/21w.



15

HG Wien 11 Cg 50/15p (abrufbar unter https://verbraucherrecht.at/system/files/typo3/HG_Wien_5. 11. 2015_11_Cg_50_15p.pdf, 26. 9. 2022).


16

Perner/Spitzer, Rentenoption und Rentenberechnung in der Lebensversicherung, VR 2021 H 7-8, 37 (38 ff) gegen 7 Ob 186/20h.


17

OGH 8 Ob 37/20d, Pkt II.10.


18

Vgl OGH 8 Ob 37/20d, Pkt II.10.


19

Koch, Anm zu 8 Ob 37/20d, ÖBA 2021, 490 (491 f).


20

Einerseits muss der Wechselkurs nach EuGH C-212/20, "A" S.A., Rn 35 ff, so detailliert umschrieben sein, dass der Verbraucher ihn auch selbst bestimmen könnte (s aber noch Abschnitt 2.3. zum speziellen Ausgangsfall); daran anknüpfende Zweifel am Devisenfixing in der E 6 Ob 51/21z, Rn 31. Andererseits kann nach EuGH C-38/17, GT/HS, Rn 27 ff, von der Bank nicht verlangt werden, dass alle relevanten Elemente bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses konkret angegeben werden, weshalb die spätere Festlegung durch den Darlehensgeber unproblematisch ist, sofern sie für den Verbraucher nachvollziehbar gemacht wird (Rn 36, 45).


21

OGH 8 Ob 37/20d, Pkt II.10.


22

RIS-Justiz RS0042274; s OGH 8 Ob 37/20d, Pkt II.10., einerseits und 6 Ob 51/21z, Rn 25, andererseits.


23

Vgl OGH 1 Ob 173/21d, Rn 10; 4 Ob 3/22b, Rn 14; Spitzer, Vertragslücken im österreichischen und europäischen Recht, ÖJZ 2020, 761 (762 f).


24

Näher etwa Spitzer, ÖJZ 2020, 761; Spitzer/Wilfinger, EuGH: Neues zur Klauselersetzung durch dispositives Recht, ÖJZ 2020, 1002; Wilfinger, EuGH Dexia Nederland und die Folgen für das österreichische AGB-Recht, ÖBA 2021, 326; zuletzt EuGH C-80/21 bis C-82/21, E. K.



26

Graf, Neue EuGH-E: Ausnahmsweise doch kein ersatzloser Wegfall nichtiger AGB-Klauseln? ecolex 2021, 990 (991), aus Anlass von EuGH C-932/19, OTP Jelzálogbank; konkret dazu OGH 5 Ob 54/22k, Rn 12 f.


27

EuGH C-212/20, "A" S.A.; vgl demgegenüber aber auch EuGH C-472/20, Lombard Lízing, Rn 56.


28

OGH 4 Ob 15/22t, Rn 11; 5 Ob 54/22k, Rn 13 f; 6 Ob 76/22b, Rn 9.


29

Faber, Auslegung von EuGH-Entscheidungen (1. Teil), JBl 2017, 697 (707 ff).


30

EuGH C-212/20, "A" S.A., Rn 23.


31

EuGH C-212/20, "A" S.A., Rn 56 ff.


32

Vgl außerdem OGH 4 Ob 3/22b, Rn 18 f, wonach falsche Vorstellungen von der Existenz eines amtlichen Wechselkurses allenfalls einen Geschäftsirrtum iSd § 871 ABGB darstellen, der binnen drei Jahren ab Vertragsabschluss geltend zu machen ist (§ 1487 ABGB).


33

Vgl OGH 6 Ob 51/21z, Rn 35, 45.


34

OGH 1 Ob 93/21i, Rn 20. Gemeint ist dabei wohl "Euro-Auszahlung", weil bei "Euro-Ausnützung" gerade kein Währungsrisiko besteht.


35

OGH 1 Ob 173/21d, Rn 12; vgl etwa auch 9 Ob 66/21b, Rn 10.




38

OGH 6 Ob 51/21z, Rn 26, 47.


39

OGH 6 Ob 51/21z, Rn 47 ff.


40

Zoppel, Fremdwährungskredite: Überlegungen anlässlich der aktuellen Rechtsprechung des OGH, ÖJZ 2022, 864 (865).


41

Zoppel, ÖJZ 2022, 864 (865).


42

OGH 6 Ob 51/21z, Rn 26; vgl dementsprechend 6 Ob 76/22b, Rn 3.



44

Vgl Zoppel, ÖJZ 2022, 864 (866).





48

Neben den bereits genannten E s OGH 1 Ob 9/22p; 1 Ob 88/22f; 2 Ob 198/21p; 2 Ob 54/22p; 6 Ob 24/22f, wo die Umrechnungsmodalitäten handschriftlich auf dem Vertrag vermerkt wurden; 6 Ob 76/22b; 7 Ob 58/22p.


49

OGH 4 Ob 208/21y, Rn 14; vgl auch 1 Ob 88/22f, Rn 11 f; 2 Ob 198/21p, Rn 11 f; 2 Ob 54/22p, Rn 11 f.



Artikel-Nr.
ZFR 2022/228

28.10.2022
Heft 10/2022
Autor/in
Alexander Wilfinger
Dr. Alexander Wilfinger ist Universitätsassistent am Institut für Zivil- und Zivilverfahrensrecht der WU Wien.

Publikationen: Verbraucherschutz durch Kapitalmarktaufsicht (2020); Beweisrecht (2020, gemeinsam mit Spitzer); Feststellung zur Insolvenztabelle zwischen EuInsVO, EuGVVO, nationalem Recht und Schiedsverfahren, KTS 2020, 121; Verwaltungsakt als gesetzliches Verbot (§ 134 BGB), AcP 220 (2020) 956.