Gesetzgebung

Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Zivilrecht

Stand: BGBl I 2020/16, in Kraft seit 22. 3. 2020; BGBl I 2020/24, in Kraft seit 5. 4. 2020.

Das 2. COVID-19-Gesetz (BGBl I 2020/16) und das 4. COVID-19-Gesetz (BGBl I 2020/24) enthalten Maßnahmen im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, die zur Bewältigung der aktuellen außergewöhnlichen Situation beitragen sollen. Diese Maßnahmen sind weitgehend gesammelt in zwei COVID-19-Justiz-Begleitgesetzen (COVID-19-JuBG) zu finden. Die Regelungen sind am 22. 3. 2020 bzw 5. 4. 2020 in Kraft getreten und treten grundsätzlich mit Ende 2020 außer Kraft.

Unterhaltsvorschuss

-Erleichterung von Unterhaltsvorschüssen bis (vorerst) Ende April 2020 durch den Entfall des für Titelvorschüsse nach § 3

Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Zivilrecht - Anfang Seite 132

UVG geltenden Erfordernisses eines Exekutionsantrags (§ 7 1. COVID-19-JuBG).

Notariatsakte und Beglaubigungen

-Errichtung notarieller Urkunden (insb von Notariatsakten) und Vornahme von Unterschriftenbeglaubigungen unter Nutzung elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten ermöglicht (§ 90a NO).

Mietzinsmoratorium

Unabhängig vom anwendbaren Mietzinsregime (Voll-, Teil- oder Nichtanwendungsbereich des MRG) hat der Gesetzgeber für Wohnungsmieten mit dem 2. COVID-19-JuBG ein Mietzinsmoratorium bezüglich der von 1. 4. bis 30. 6. 2020 fälligen Zahlungen eingeführt. Allerdings greift das Moratorium nicht voraussetzungslos ein. Der Mieter kann sich nur dann darauf berufen, wenn er die Mietzinse deshalb nicht oder nicht vollständig entrichtet, weil er als Folge der COVID-19-Pandemie "in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich" beeinträchtigt ist. Nach den Materialien liegt eine erhebliche Beeinträchtigung zB dann vor, wenn der Mieter aufgrund der Pandemie seinen Job verloren hat oder seine selbstständige Erwerbstätigkeit wegen behördlicher Maßnahmen, Quarantäne oder einer durch COVID-19-bedingten Spitalsbehandlung "wochenlang" nicht ausüben kann (AB 116 BlgNR 27. GP 16).

Rechtsfolgen:

-Der Verzug mit den im Zeitraum von 1. 4. bis 30. 6. 2020 fälligen Mietzinszahlungen kann vom Vermieter bis Ende Juni 2022 nicht als Kündigungs- oder Aufhebungsgrund herangezogen werden (§ 1 und § 17 Abs 2 2. COVID-19-JuBG).
-Die für diesen Zeitraum offenen Beträge können bis Ende 2020 nicht eingeklagt oder aus der Kaution abgedeckt werden (§ 1 2. COVID-19-JuBG).
-Da die Fälligkeit unberührt bleibt (reine Stundung), fallen für den Zahlungsrückstand Verzugszinsen an. Sofern der Mietvertrag vor dem 1. 4. 2020 geschlossen worden ist, sind diese Verzugszinsen auf den gesetzlichen Zinssatz von 4 % pro Jahr beschränkt (§ 3 2. COVID-19-JuBG). Dass der Mieter nicht verpflichtet ist, die Kosten einer außergerichtlichen Betreibung zu ersetzen (wie § 3 2. COVID-19-JuBG für Altverträge festhält), ergibt sich hier generell bereits aus dem Stundungszweck.

Verlängerung befristeter Mietverträge

Bis Ende 2020 können befristete Wohnungsmietverträge, die im Zeitraum zwischen April und Juni 2020 ablaufen, auch auf einen kürzeren Zeitraum als drei Jahre verlängert werden (§ 5 und § 17 Abs 2 2. COVID-19-JuBG).

Stundung von Kreditraten

Der in § 2 2. COVID-19-JuBG vorgesehene Schutz für Kreditnehmer greift bei Verbraucherkrediten und Krediten an Kleinstunternehmer ein, sofern der Kreditvertrag vor dem 15. 3. 2020 abgeschlossen worden ist. Er umfasst:

-Die Fälligkeit von Kreditraten, die im Zeitraum von 1. 4. 2020 bis 30. 6. 2020 fällig werden, verschiebt sich mangels abweichender Vereinbarung oder vertragsgemäßer Zahlung um jeweils drei Monate nach hinten. Verzugszinsen fallen nicht an.
-Bis zum Ablauf der Stundung ist eine Kündigung des Kreditvertrags wegen Zahlungsverzugs oder Verschlechterung der Vermögensverhältnisse ausgeschlossen. Mit Zahlungsverzug sind hier wohl andere Rückstände gemeint, da die gestundeten Beträge ja gar nicht fällig sind.
-Eine Frist, die für die Inanspruchnahme von Sicherheiten nach der letzten Fälligkeit vorgesehen ist, verlängert sich entsprechend.
-Mangels einvernehmlicher Regelung für den Zeitraum nach 30. 6. 2020 verlängert sich die Laufzeit des Kreditvertrags um drei Monate.

Voraussetzung für den Schutz ist, dass

-der Verbraucher aufgrund der COVID-19-Pandemie Einkommensausfälle hat, die dazu führen, dass die Zahlung der im oben angeführten Zeitraum fällig werdenden Kreditraten den angemessenen Lebensunterhalt gefährden würde, bzw
-dass das Kleinstunternehmen diese Kreditraten pandemiebedingt nicht oder nicht ohne Gefährdung seiner wirtschaftlichen Grundlagen zahlen kann.

Allgemeine Beschränkung von Verzugsfolgen

-Für zwischen 1. 4. und 30. 6. 2020 fällig werdende Zahlungen schränkt § 3 2. COVID-19-JuBG generell bei allen vor 1. 4. 2020 geschlossenen Vertragsverhältnissen die Verzugsfolgen bis Ende Juni 2022 ein. Der Schuldner hat unabhängig vom vertraglichen vereinbarten Zinssatz lediglich den gesetzlichen Zinssatz von 4 % als Verzugszinsen zu leisten und muss Kosten von außergerichtlichen Betreibungsmaßnahmen nicht ersetzen. Voraussetzung ist, dass der Zahlungsverzug auf eine erhebliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist. Die gerichtliche Geltendmachung ist nicht ausgeschlossen bzw aufgeschoben.
-Wer in Leistungsverzug gerät, weil er pandemiebedingt die Leistung aufgrund der angeordneten Erwerbsbeschränkungen oder wegen einer erheblichen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht erbringen kann, muss eine vereinbarte Konventionalstrafe nicht entrichten, auch wenn diese kein Verschulden voraussetzt (§ 4 2. COVID-19-JuBG). Diese Regelung gilt nur in vor 1. 4. 2020 eingegangenen Vertragsverhältnissen und ist bis Ende Juni 2022 in Kraft (§ 17 Abs 2 2. COVID-19-JuBG).

Fristenunterbrechung und -hemmung

-In bürgerlichen Rechtssachen (Zivilprozesse, Außerstreitverfahren, Grundbuch- und Firmenbuchverfahren, Exekutionsverfahren, Insolvenzverfahren) werden alle verfahrensrecht-

Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Zivilrecht - Anfang Seite 133

lichen Fristen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes laufen oder danach beginnen, bis zum Ablauf des 30. 4. 2020 unterbrochen und beginnen danach neu zu laufen (§ 1 Abs 1 1. COVID-19-JuBG). Der Unterbrechungszeitraum kann durch V der BMJ verlängert werden (§ 8 Abs 1 1. COVID-19-JuBG). Ausgenommen von der Unterbrechung sind Verfahren über die Aufrechterhaltung freiheitsbeschränkender Maßnahmen, insb nach dem UbG und dem HeimAufG, sowie Insolvenzverfahren (§ 7 2. COVID-19-JuBG). Auch Leistungsfristen werden nicht unterbrochen. Siehe auch Zak 2020/192, 113 und Zak 2020/193, 115.
-Im Einzelfall kann das Gericht die Unterbrechung einer verfahrensrechtlichen Frist durch Beschluss ausschließen bzw beenden, wobei es gleichzeitig eine neue angemessene Frist zu setzen hat (§ 1 Abs 2 und 3 1. COVID-19-JuBG). Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
- Materiellrechtliche Fristen, innerhalb derer das Gericht angerufen werden muss (zB Verjährungsfrist, Gewährleistungsfrist, Frist für die Besitzstörungsklage) werden insofern gehemmt, als die Zeit vom Inkrafttreten des Gesetzes bis zum Ablauf des 30. 4. 2020 nicht in die Frist eingerechnet wird (§ 2 1. COVID-19-JuBG). Auch dieser Hemmungszeitraum kann durch V der BMJ verlängert werden. Beachte Zak 2020/193, 115 und Zak 2020/205, 124.

Verfahrensregeln

-Während der Geltung von Bewegungs- bzw Kontakteinschränkungen in Zusammenhang mit COVID-19 entfallen in Zivilsachen Anhörungen, mündliche Verhandlungen, die Möglichkeit zur Protokollierung mündlichen Anbringens sowie die Erteilung und Durchführung von Vollzugsaufträgen (§ 3 1. COVID-19-JuBG). Ausnahmen sind nur nach strengen Kriterien möglich.
-Unbedingt erforderliche Anhörungen oder Verhandlungen können in diesem Zeitraum auch ohne persönliche Anwesenheit über technische Kommunikationsmittel durchgeführt werden (§ 3 1. COVID-19-JuBG). Nach den Materialien kommen nicht nur Videokonferenzen, sondern ausnahmsweise auch einfache Telefonate in Betracht (397/A 27. GP 35).
-Schaffung einer Delegationsregel für den Fall, dass ein Gericht seine Tätigkeit wegen COVID-19 einstellt und unbedingt erforderliche Verfahrenshandlungen erforderlich sind (§ 4 1. COVID-19-JuBG).
-Ermöglichung von Abstimmungen in Senaten im Umlaufweg (§ 11 1. COVID-19-JuBG).
-Die BMJ erhielt eine weitreichende Verordnungsermächtigung, die nicht nur die Verlängerung der Maßnahmen, sondern auch die Festlegung von Ausnahmen und die Erlassung zusätzlicher Regelungen für Fristen und Termine umfasst. Auch besondere Formen oder Örtlichkeiten für Gerichtseingaben können durch V bestimmt werden (§ 8 1. COVID-19-JuBG).

Exekution

Um die Gefahr der Obdachlosigkeit zu vermindern, hat das Gericht im Zeitraum bis Ende 2020 eine Räumungsexekution nach § 349 EO über eine Wohnung auf Antrag des Verpflichteten ohne Sicherheitsleistung aufzuschieben (§ 6 2. COVID-19-JuBG).

Der Aufschub setzt voraus,

-dass die Wohnung für das dringende Wohnbedürfnis des Verpflichteten und seiner Haushaltsangehörigen unentbehrlich ist,
-und dass auf der anderen Seite die Räumung nicht zur Abwendung schwerer persönlicher oder wirtschaftlicher Nachteile des betreibenden Gläubigers unerlässlich ist. Von Unerlässlichkeit gehen die Materialien bspw dann aus, wenn ein dringender Eigenbedarf besteht oder der Gläubiger die zu räumende Wohnung bereits weitervermietet hat und dringend auf die Mieteinnahmen angewiesen ist (AB 116 BlgNR 27. GP 20).

Die Fortsetzung erfolgt nur auf Antrag des betreibenden Gläubigers. Der Antrag kann nach Beendigung der COVID-19-Maßnahmen, spätestens aber sechs Monate nach Bewilligung des Aufschubs gestellt werden. Mindestens hat der Aufschub drei Monate zu dauern, sofern nicht das dringende Wohnbedürfnis des Verpflichteten wegfällt.

Weiters wurde der Anspruch auf Aufschiebung der Exekution durch Zwangsversteigerung bei Naturkatastrophen (§ 200b EO) auf Epidemien und Pandemien erweitert.

Vermischtes

-Während des Zeitraums, in dem die Fristen unterbrochen sind (siehe oben), gelten Erleichterungen für die Zustellung von Dokumenten der Gerichte und Verwaltungsbehörden mit Zustellnachweis (§ 26a ZustG). Die Zustellung erfolgt durch Einwurf in das Postfach oder Zurücklassung an der Abgabestelle. Der Empfänger ist durch eine schriftliche, mündliche oder telefonische Mitteilung von der Zustellung zu verständigen, soweit dies ohne Gefährdung der Gesundheit des Zustellers möglich ist.
-Aussetzung der an sich mit 1. 5. 2020 erforderlichen Valorisierung der Gerichtsgebühren (§ 14 2. COVID-19-JuBG).
- Gebührenbefreiungen für Unterhaltsvorschussanträge sowie für Pfandrechtseintragungen in Zusammenhang mit pandemiebedingten Überbrückungsmaßnahmen (§§ 15 f 2. COVID-19-JuBG).
Artikel-Nr.
Zak 2020/208

22.04.2020
Heft 7/2020