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Vor zwei Jahren waren die Begriffe Kryptowährung und virtuelle Währung in aller Munde. Heute spricht man von digitalen Assets und möchte damit zum Ausdruck bringen, dass es sich dabei nicht um Währungen handelt und man die Technologie nicht nur als Tauschmittel einsetzen kann. Mit RL 2018/843/EU zur Änderung der 4. GW-RL hat der europäische Gesetzgeber erstmals eine Legaldefinition für den Begriff der virtuellen Währung geschaffen, die sich bei näherer Betrachtung als durchaus aufschlussreich erweist. Auch in Österreich ist die Legaldefinition nun im innerstaatlichen Recht verankert. Dieser Beitrag beleuchtet die Facetten der Legaldefinition und zeigt, dass sich durchaus neue Erkenntnisse für den Rechtsanwender daraus gewinnen lassen.
Während vor zwei Jahren die Begriffe Kryptowährung oder virtuelle Währung in aller Munde waren, hat sich für Bitcoin & Co in der Zwischenzeit ein anders Wort etabliert. Heute spricht man von digitalen Assets und möchte damit zum Ausdruck bringen, dass es sich dabei richtigerweise nicht um Währungen handelt und man die Blockchain-Technologie im Übrigen nicht nur zur Schaffung von Tauschmitteln einsetzen kann, sondern etwa auch zur Verwaltung von Zahlungsmitteln oder als Grundlage für Wertpapieremissionen.1
Die deflationäre Verwendung des Begriffs ist zu begrüßen, bietet sich doch nun erstmals die Chance, ihm scharfe Konturen zu verleihen. Unterstützt wird dieses Bestreben durch den Europäischen Gesetzgeber, der mit RL 2018/843/EU zur Änderung der 4. GW-RL 2 erstmals eine eigene Legaldefinition des Begriffs geschaffen hat. Die 4. GW-RL idF der RL 2018/843/EU wird nachfolgend als 5. GW-RL bezeichnet. Auf die europarechtlichen sowie innerstaatlich verfassungsrechtlichen Dimensionen der Definition sei an dieser Stelle nochmals hingewiesen.3
Art 3 Z 18 der 5. GW-RL definiert den Begriff der virtuellen Währung. Nach dieser Bestimmung handelt es sich dabei um:
"eine digitale Darstellung eines Werts, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert wurde oder garantiert wird und nicht zwangsläufig an eine gesetzlich festgelegte Währung angebunden ist und die nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzt, aber von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert wird und die auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden kann".4
Mittlerweile ist auch die Umsetzung in Ö erfolgt.5 Konkret wurde dem § 2 FM-GwG eine neue Z 21 angefügt. Der österr Gesetzgeber übernimmt darin die europarechtliche Legaldefinition wortgleich. Die zitierte Definition wird ab dem 10. 1. 20206 auch zu nationalem österr Recht zählen, also genau mit dem Ablauf der Umsetzungsfrist der RL.
Für den Rechtsanwender hat die neue Legaldefinition zunächst einmal im Rahmen des FM-GwG eine klarstellende Funktion. Im Zusammenspiel mit § 2 Z 22 FM-GwG, der bestimmt, wer Dienstleister in Bezug auf virtuelle Währungen ist, entsteht ein neuer Kreis an Verpflichteten. Dienstleister in Bezug auf virtuelle Währungen sind solche Dienstleister, die folgende Dienstleistungen anbieten: (i) Dienste zur Sicherung privater kryptografischer Schlüssel, um virtuelle Währungen im Namen eines Kunden zu halten, zu speichern und zu übertragen (Anbieter von elektronischen Geldbörsen; § 2 Z 22 lit a FM-GwG), (ii) den Tausch von virtuellen Währungen in Fiatgeld und umgekehrt (Z 22 lit b), (iii) den Tausch einer oder mehrerer virtueller Währungen untereinander (Z 22 lit c), (iv) die Übertragung von virtuellen Währungen (Z 22 lit d) und (v) die Zurverfügungstellung von Finanzdienstleistungen für die Ausgabe und den Verkauf von virtuellen Währungen (Z 22 lit e). Nur lit a und b basieren auf den Vorgaben der 5. GW-RL, lit c-e sind Ergänzungen des österr Gesetzgebers.
Dienstleister in Bezug auf virtuelle Währungen, die beabsichtigen, im Inland oder vom Inland aus ihre Tätigkeiten anzubieten, müssen sich zuvor bei der FMA registrieren (§ 32a FM-GwG). Die FMA kann eine Registrierung verweigern, wenn sie aufgrund der im Registrierungsprozess zu machenden Angaben und vorzulegenden Unterlagen Zweifel hat, dass die Anforderungen des FM-GwG erfüllt werden, oder wenn die FMA Zweifel an der persönlichen Zuverlässigkeit entweder des Dienstleisters oder dessen Geschäftsleiters oder Eigentümers hat (§ 32a Abs 2 FM-GwG). Die FMA kann einmal vorgenommene Registrierungen auch widerrufen (§ 31 Abs 3 Z 3 FM-GwG) und die Tätigkeit von nicht re-
gistrierten Dienstleistern untersagen (§ 32b FM-GwG). Wer ohne Registrierung Dienstleistungen in Bezug auf virtuelle Währungen anbietet, begeht eine Verwaltungsübertretung mit Strafrahmen von bis zu 200.000 € (§ 34 Abs 4 FM-GwG).
In Anbetracht dieser Verpflichtungen und Rechtsfolgen kommt den Konturen der Legaldefinition somit durchaus Bedeutung zu. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der neuen Legaldefinition des Begriffs der virtuellen Währung und zeigt auf, wie er von anderen Begriffen, wie etwa dem Begriff des Zahlungsmittels, des Zahlungsinstruments oder des E-Gelds abzugrenzen ist.
Die Verfasser der unionsrechtlichen Legaldefinition hatten in erster Linie die Blockchain-Technologie vor Augen - und als archetypische Ausprägung Bitcoin.7 Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass die Definition keinerlei Elemente enthält, die auf den Einsatz einer bestimmten Technologie zugeschnitten sind. Ganz im Gegenteil, die Legaldefinition ist auffallend technologieneutral.
Im Wirtschaftsleben wird Bitcoin und vergleichbaren digitalen Assets wegen bestimmter Eigenschaften vertraut, die sie aufweisen. Diese Eigenschaften haben ihren Ursprung jedoch alle in der eingesetzten Blockchain-Technologie. Diese Technologie stellt sicher, dass (i) sämtliche durchgeführten Transaktionen aufgezeichnet werden, (ii) einmal durchgeführte Transaktionen nicht nachträglich veränderlich sind und (iii) zur Weiterübertragung die Kenntnis eines privaten Schlüssels erforderlich ist. Diese drei Eigenschaften sind es auch, die Bitcoin und vergleichbaren unkörperlichen Sachen im österr Privatrecht eine besondere Stellung einräumen.8
Gerade wegen dieser Eigenschaften werden virtuelle Währungen überhaupt als Tauschmittel akzeptiert. Der europäische Gesetzgeber hat sie in der Legaldefinition dennoch nicht berücksichtigt. Hierbei handelt es sich nur scheinbar um einen Widerspruch. Denn anstatt Merkmale zu definieren, die für die Akzeptanz der virtuellen Währung sorgen, verlangt der Gesetzgeber stattdessen pointiert, dass sie "von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert [werden]". Weshalb sie als Tauschmittel akzeptiert werden, darauf soll es nicht ankommen. Das Tatbestandselement der Akzeptanz als Tauschmittel wird weiter unten noch im Detail erörtert.9 Ihm kommt eine zentrale Bedeutung zu.
Bei erster Betrachtung zeigt sich, dass die Legaldefinition sechs Tatbestandselemente umfasst. Erstens muss es sich bei virtuellen Währungen um eine "digitale Darstellung eines Werts" handeln Diese digitale Darstellung wurde zweitens "von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert [...] oder garantiert". Drittens ist sie "nicht zwangsläufig an eine gesetzlich festgelegte Währung angebunden" und hat viertens jedenfalls "nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld" Allerdings wird sie fünftens "von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert" und kann sechstens "auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden".
Die Bedeutung der einzelnen Elemente wird nachfolgend genauer untersucht. Als interpretativer Ankerpunkt kann dabei auch der Umstand dienen, dass der europäische Gesetzgeber Bitcoin als das archetypische Beispiel von virtuellen Währungen betrachtet und Bitcoin daher (jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt) alle Elemente der Legaldefinition erfüllt.
Um als virtuelle Währung zu gelten, muss es sich zunächst um die digitale Darstellung eines Werts handeln (digital representation of value). Einer näheren Auseinandersetzung zugänglich sind dabei sowohl die Bedeutung der Wendung "digitale Darstellung" als auch die Bedeutung des Wortes "Wert".
Da es sich um eine digitale Darstellung (digital representation) handeln muss, bedeutet dies im Umkehrschluss zunächst, dass rein analoge Darstellungen nicht von der Legaldefinition erfasst sind. Bspw mangelt es Monopolygeld an einer digitalen Darstellung, sodass es sich dabei nicht um eine virtuelle Währung handeln kann, selbst wenn es alle übrigen Tatbestandselemente erfüllen sollte. Als praxisnäheres Bsp wäre an Münzgutscheine zu denken, ohne digitale Aufzeichnungen über deren Ausgabe. In der Praxis kommen solche Systeme freilich kaum vor. Selbst physischen Gutscheinen liegt idR eine digitale Darstellung zugrunde, etwa in Form einer Datenbank, in der Ausgabe und Einlösung genau erfasst werden.
Fraglich könnte weiters sein, ob das Erfordernis der digitalen Darstellung die Einordnung von virtuellen Währungen wie Bitcoin beeinflusst, wenn deren öffentliche Adresse und zugehörige private Schlüssel auf einer physischen Wallet abgelegt sind.10 Dies ist zu verneinen, da in solchen Fällen weiterhin zumindest auch eine digitale Darstellung (nämlich auf der Blockchain) existiert. Die nicht-digitale Darstellung in Form einer physischen Wallet ist lediglich ein Zusatz. Solche zusätzlichen nicht-digitalen Darstellungen schaden der Qualifikation als virtuelle Währung nicht, solange eine digitale Darstellung die Basis bildet.
Betrachtet man lediglich die deutsche Fassung der RL, so könnte mit digitaler Darstellung eines Werts ein einfacher Zahlenwert gemeint sein.11 Die englische Wortfolge of value (im Gegensatz zu of a value) spricht gegen diese Auslegung. Stattdessen legt sie nahe, dass auf eine bestimmte Wertigkeit oder einen Marktwert abgestellt wird, also eine digitale Darstellung von Wert. Diese Auslegung ist auch mit der deutschen Fassung vereinbar, weshalb ihr der Vorzug zu geben ist. Digitale Assets müssen somit einen gewissen Wert aufweisen, um als virtuelle Währungen zu gelten.
Digitale Assets, die nicht von Wert sind, gelten somit nicht als virtuelle Währungen. Im Detail könnte noch einer ganzen Reihe weiterer Fragen nachgegangen werden, etwa auf welchen Wert es konkret ankommen soll und wie sich dieser Wert ermitteln lässt. Diese Fragen mögen im Detail relevant sein, grundlegende neue Erkenntnisse lassen sich aus ihrer Untersuchung wohl nicht mehr gewinnen. Es ergibt sich nämlich noch aus einem zweiten Tatbestandselement, uzw der weiter unten diskutierten Akzeptanz als Tauschmittel, dass digitale Assets einen gewissen Wert haben müssen, um als virtuelle Währungen zu gelten.12
Richtigerweise ist also, so wie in der englischen Fassung der RL, von einer digitalen Darstellung von Wert zu sprechen (digital representation of value). Die digitale Darstellung bildet dabei den zentralen Anknüpfungspunkt. Die übrigen Elemente der Legaldefinition beschreiben lediglich ergänzende Eigenschaften, die eine digitale Darstellung aufweisen muss, um als virtuelle Währung zu gelten.
Was aber ist in der Praxis eine solche digitale Darstellung? Der europäische Gesetzgeber hatte im Wesentlichen die Blockchain-Technologie und Bitcoin als archetypische Verkörperung der virtuellen Währungen vor Augen. Bitcoin ist für den europäischen Gesetzgeber daher jedenfalls eine digitale Darstellung von Wert, die auch die übrigen Eigenschaften einer virtuellen Währung aufweist. Verallgemeinernd kann daher mit Blick auf die Blockchain-Technologie festgehalten werden, dass die jeweiligen Coins bzw Token13 als digitale Darstellung den Anknüpfungspunkt bei der Prüfung bilden, ob sie virtuelle Währung sind. Damit deckt sich der Begriff der digitalen Darstellung weitgehend mit dem Begriff des digitalen Assets, wie er heute üblicherweise verwendet wird. Ob es sich bei einem digitalen Asset um eine virtuelle Währung handelt, bestimmt sich somit anhand der weiteren Tatbestandsmerkmale der Legaldefinition.
Das zweite Tatbestandselement der Legaldefinition wird negativ umschrieben. Virtuelle Währungen werden von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert oder garantiert (not issued or guaranteed by a central bank or a public authority). Es liegt also gerade keine virtuelle Währung vor, wenn das digitale Asset von einer Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert oder garantiert wird.
Die Wendung "emittiert [...] oder garantiert" (issued or guaranteed) stellt darauf ab, dass eine bestimmte Stelle (Zentralbank oder öffentliche Stelle) eine oder beide dieser Funktionen ausübt.
Emission bedeutet dabei zunächst schlicht Ausgabe. Hinter dem Begriff verbergen sich jedoch Feinheiten, die es zu berücksichtigen gilt. So erfasst der Begriff ausschließlich die erste Ausgabe, aber keine spätere Weiterveräußerung. Unter Emission ist das erstmalige Inverkehrbringen zu verstehen. Weiters ist nur dann von Emission die Rede, wenn das Inverkehrbringen durch einen Emittenten geschieht, die Ausgabe also durch eine bestimmte Person erfolgt.14 An einer Emission können zwar andere Personen mitwirken, es kann aber nur einen Emittenten geben. Dieses Verständnis des Emissionsbegriffs lässt sich auch auf digitale Assets anwenden, die auf der Blockchain-Technologie basieren. Emittent ist derjenige, der über digitale Assets als erster durch Kenntnis der privaten Schlüssel verfügen kann.
Garantieren im allgemeinen Sprachgebrauch ist das Einstehen für eine eigene oder fremde Zusage. Damit eine Person eine Garantie geben kann, muss nach diesem Verständnis zuvor eine solche eigene oder fremde Zusage existieren. Im äußerst möglichen Wortsinn ließe sich unter Garantieren allenfalls auch die Übernahme einer eigenen neuen Zusage subsumieren. Es ist fraglich, was der europäische Gesetzgeber damit genau zum Ausdruck bringen wollte, denn grammatikalisch stellt das Tatbestandselement auf die Garantie des digitalen Assets ab und nicht etwa auf Zusagen im Zusammenhang mit digitalen Assets. Der genaue Bedeutungsgehalt scheint hier unklar.
Trotz dieser Unklarheit ist das Tatbestandsmerkmal aufschlussreich. Die Einschränkung auf nicht von Zentralbanken oder öffentliche Stellen emittierte digitale Assets belegt nämlich, dass der europäische Gesetzgeber durchaus die Möglichkeit einer zentralen Ausgabe erkannte. In der Legaldefinition findet sich jedoch kein Hinweis darauf, dass lediglich dezentral erzeugte digitale Assets wie etwa Bitcoin von der Begriffsdefinition erfasst sein sollen. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass die dezentrale Erzeugung wie etwa bei Bitcoin kein Wesensmerkmal der virtuellen Währungen ist. Bspw können auch
zunächst zentral emittierte Coins oder Token virtuelle Währungen iSd Legaldefinition sein, wenn sie alle Tatbestandselemente erfüllen.15
Zentralbanken (central banks) sind die für Geld- und Währungspolitik eines bestimmten Währungsraums oder Staates zuständigen Institutionen. Bspw sind dies die Europäische Zentralbank (EZB) für den Euro oder die Bank of England für das Pfund Sterling. Zentralbanken schöpfen Geld ua durch den Kauf von notenbankfähigen Finanzinstrumenten der an das System angeschlossenen Banken oder Unternehmen. Zu einer Herstellung von Banknoten oder Münzen muss es in diesem Prozess nicht kommen. Die Aufzeichnung der Verbindlichkeiten erfolgt (wenn nicht ausschließlich) zumindest auch digital. Wegen der technologieneutralen Anknüpfung erfüllt das von Zentralbanken erzeugte Buchgeld zwanglos das erste Tatbestandselement der Legaldefinition (digitale Darstellung eines Werts) und wohl auch die übrigen Tatbestandsmerkmale. Damit würde das von Zentralbanken emittierte Buchgeld wohl als virtuelle Währung iSd Legaldefinition gelten - ein vom europäischen Gesetzgeber wohl ungewolltes Ergebnis. Die Ausklammerung solcher Institutionen war also durchaus geboten.
Die RL gibt keine Auskunft darüber, was genau eine öffentliche Stelle (public authority) auszeichnet. Zur Auslegung kann auf die CRR zurückgegriffen werden, die eine Legaldefinition des Begriffs enthält. Art 4 Abs 8 CRR definiert die öffentliche Stelle als "eine nicht gewerbliche Verwaltungseinrichtung, die von Zentralstaaten, regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder von Behörden, die die gleichen Aufgaben wie regionale und lokale Behörden wahrnehmen, getragen wird oder ein im Besitz von Zentralstaaten oder regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften befindliches oder von diesen errichtetes und gefördertes Unternehmen ohne Erwerbszweck, für das eine einer ausdrücklichen Garantie gleichstehende Haftung gilt, und kann selbstverwaltete Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die einer öffentlichen Beaufsichtigung unterliegen, einschließen".
Das Beispiel Venezuela zeigt, dass die Ausnahme der Emission oder Garantie durch Zentralbanken oder öffentliche Stellen in der Praxis durchaus Bedeutung erlangen kann. Der von Krisen erschütterte Staat hatte 2018 eine eigene Kryptowährung unter dem Namen Petro lanciert.16 Der Petro als von einer Zentralbank oder zumindest öffentlichen Stelle emittierte oder garantierte Kryptowährung würde nicht als virtuelle Währung iSd Legaldefinition erfasst.
Entsprechend dem dritten Tatbestandselement der Legaldefinition sind virtuelle Währungen nicht zwangsläufig an eine gesetzlich festgelegte Währung angebunden (not necessarily attached to a legally established currency). Offensichtlich ist zunächst, dass virtuelle Währungen demnach zwar nicht notwendigerweise an eine gesetzlich festgelegte Währung angebunden sein müssen, dass aber eine solche Anbindung der Qualifikation als virtuelle Währung auch nicht schadet.
Weiters fällt auf, dass die Legaldefinition keine Einschränkung hinsichtlich der Person oder Institution enthält, die eine solche Anbindung vornimmt. Im Gegensatz zur Emission und Garantie (nach dem zweiten Tatbestandselement) stellt dieses Element nicht darauf ab, dass die Anbindung bspw von einer Zentralbank oder öffentlichen Stelle vorgenommen wird. Dies spricht dafür, dass eine Anbindung eines digitalen Assets an eine gesetzlich festgelegte Währung grundsätzlich von jeder beliebigen Person vorgenommen werden kann, ohne dass ein digitales Asset dadurch seine Qualität als virtuelle Währung verliert.
Freilich ist fraglich, was der Gesetzgeber genau mit Anbindung meint. Anbinden bedeutet gewöhnlich Verknüpfen oder Festmachen. Unter Anbinden an eine gesetzlich festgelegte Währung wird somit ein Mechanismus zu verstehen sein, der den Wert des digitalen Assets mit einer gesetzlichen Währung verknüpft. Die genaue Ausgestaltung dieses Mechanismus ist nach der Legaldefinition nicht relevant. Es ist somit an alle Arten privatrechtlicher Ausgestaltung zu denken, aber auch an währungspolitische Maßnahmen. Als Anwendungsbereich dieses Tatbestandselements könnte bspw an die Emission von Coins oder Token gedacht werden, die durch eine bestimmte rechtliche oder wirtschaftliche Ausgestaltung am Markt stets zu einem festen Preis17 gekauft und verkauft werden kann.
Jedenfalls haben digitale Assets viertens nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld (does not possess a legal status of currency or money). Im Umkehrschluss bedeutet dies zunächst, dass die Einräumung des Status als Währung oder von Geld zu einem Verlust des Adjektivs "virtuell" führt. Solche digitalen Assets wären also keine virtuellen Währungen mehr.
Interessant ist die Frage, was gilt, wenn ein Staat beschließt, einer klassischen virtuellen Währung wie Bitcoin per Gesetz den Status einer Währung oder von Geld zuzusprechen. Würde dies dazu führen, dass Bitcoin nicht mehr als virtuelle Währung betrachtet werden könnte? Dies kann wohl nicht für alle Fälle gelten. Das Definitionsmerkmal wird sich wohl ausschließlich auf die rechtliche Stellung beziehen, welche die EU oder deren Mitgliedstaaten bestimmten digitalen Assets zusprechen.
Fünftens hält die Legaldefinition fest, dass virtuelle Währungen von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert werden (accepted by natural or legal persons as a means of exchange). Hierbei handelt es sich wohl um das zentrale Element der Definition, dessen Bedeutung nicht genug hervorgehoben werden kann.
Der Nennung von natürlichen oder juristischen Personen (natural or legal persons) scheint auf den ersten Blick keine wesentliche eigenständige Bedeutung zuzukommen. Wegen der eigenständigen europarechtlichen Interpretation dieser Begriffe ist damit in Ö insb keine Einschränkung iZm den rechtsfähigen Personengesellschaften des österr Privatrechts verbunden. Stattdessen ist der Verweis auf natürliche oder juristische Personen wohl vor dem Hintergrund zu sehen, dass dem Gesetzgeber die Blockchain-Experimente großer Konzerne und Banken bewusst waren18 und ausdrücklich auch solche digitalen Assets erfasst sein sollen, die ausschließlich von juristischen Personen akzeptiert werden, für die unter natürlichen Personen aber kein Markt besteht.
Der Hinweis auf natürliche oder juristische Personen ist also so zu verstehen, dass die Akzeptanz als Tauschmittel innerhalb einer der beiden Gruppen ausreichen soll. Für eine andere Interpretation, etwa dass ein digitales Asset entweder nur von natürlichen Personen oder nur von juristischen Personen akzeptiert werden soll, fehlt jeder Anhaltspunkt. Solange digitale Assets nur zumindest in einer der beiden Gruppen als Tauschmittel akzeptiert werden, reicht dies für die Qualifikation als virtuelle Währung aus.
Virtuelle Währungen werden vom europäischen Gesetzgeber als Tauschmittel und nicht als Zahlungsmittel bezeichnet. Das ist kein Zufall; der erste Definitionsvorschlag der Kom19 enthielt noch den Begriff des Zahlungsmittels. Um dem Tatbestandselement einen Bedeutungsgehalt zu geben, ist freilich zunächst die Unterscheidung von Zahlungs- und Tauschmittel wesentlich.
Zahlung ist gemeinhin die Erfüllung einer Geldschuld. Zahlungsmittel ist daher ein Mittel, das zur Erfüllung einer Geldschuld verwendet werden kann. Der europäische Gesetzgeber unterscheidet dabei im Wesentlichen drei Arten von Zahlungsmitteln, nämlich (i) E-Geld iSd E-Geld-RL,20 (ii) Zahlungsdienste und Zahlungsinstrumente iSd PSD II21 und (iii) sonstige Zahlungsmittel iSd CRD IV.
E-Geld ist jeder elektronisch gespeicherte monetäre Wert in Form einer Forderung gegenüber einem Emittenten, der gegen Zahlung eines Geldbetrags ausgestellt wird, um damit Zahlungsvorgänge22 durchzuführen, und der auch von anderen Personen als dem E-Geld-Emittenten angenommen wird.23 Die Besonderheit von E-Geld ist also, dass es zunächst von einem E-Geld-Emittenten gegen Vorauskasse an einen Kunden ausgestellt wird. E-Geld ist eine Forderung gegen das E-Geld-Institut und damit Buchgeld. Im Fall der Zahlung mit E-Geld geht das Forderungsrecht vom Zahler an den Zahlungsempfänger über, der es entsprechend einer mit dem E-Geld-Emittenten getroffenen Vereinbarung einlösen kann. Der Wert von E-Geld hängt von der Zahlungsfähigkeit des E-Geld-Emittenten ab.
Zahlungsdienste sind die in Anh I zur PSD II genannten Tätigkeiten, bspw neben Bareinzahlungen (Begründung einer Forderung gegen den Zahlungsdienstleister) und Barabhebungen (Erlöschen der Forderung) auch die Ausführung von Zahlungsvorgängen oder Ausgabe von Zahlungsinstrumenten. Zahlungsvorgang ist im Wesentlichen die Bereitstellung, der Transfer oder Abhebung eines Geldbetrags;24 Zahlungsinstrumente sind personalisierte Instrumente, die zur Erteilung eines Zahlungsauftrags und damit letztlich wieder für Zahlungsvorgänge verwendet werden.25
Zahlungsvorgänge unterscheiden sich von der Übertragung von E-Geld nur kosmetisch. Ihrem Wesen nach setzen auch Zahlungsvorgänge zunächst das Bestehen einer Forderung voraus, die übertragen werden kann. Im Fall eines Zahlungsvorgangs geht das Forderungsrecht vom Zahler an den Zahlungsempfänger über. Somit hängen Zahlungsvorgang und der Wert eines Zahlungsinstruments letztlich ebenso wie bei E-Geld von der Bonität des Zahlungsinstituts ab.
Als sonstige Zahlungsmittel werden in Anh I Z 5 zur CRD IV demonstrativ Reiseschecks und Bankschecks genannt. Die Nennung dieser Instrumente verdeutlicht erneut, dass auch bei den sonstigen Zahlungsmitteln Forderungsrechte gegenüber einem Institut gemeint sind, wobei die Zahlung durch Übertragung des Forderungsrechts auf eine andere Person erfolgt. Durch die Übergabe von Reise- oder Bankschecks kann das Forderungsrecht
gegen das bezogene Institut auf eine andere Person übergehen.26 Somit hängt auch der Wert dieser sonstigen Zahlungsmittel letztlich von der Zahlungsfähigkeit des ausstellenden Instituts ab.
Genau dieser Punkt - also die Abhängigkeit eines Zahlungsmittels vom Bestehen und der Bonität einer bestimmten Person - ist der Grund, warum für E-Geld, Zahlungsdienste, Zahlungsinstrumente und sonstige Zahlungsmittel ein besonderer regulatorischer Rechtsrahmen besteht. Versprechen sind leicht gemacht und Forderungen sind flüchtig, wie jeder weiß, der einmal selbst eine Forderung als uneinbringlich abschreiben musste.27
Zusammenfassend ist Zahlung also die Erfüllung einer Geldschuld und Zahlungsmittel ein Mittel, das zur Erfüllung einer Geldschuld verwendet werden kann. Neben gewöhnlichem Geld (Banknoten und Münzen)28 versteht der europäische Gesetzgeber darunter (i) E-Geld, (ii) Zahlungsdienste und Zahlungsinstrumente sowie (iii) sonstige Zahlungsmittel. Gemeinsam ist diesen Zahlungsmitteln iwS das Bestehen einer Forderung gegenüber einem Institut. Die Zahlung selbst besteht in der Übertragung der jeweiligen Forderung an den Zahlungsempfänger.
Im Gegensatz zur Zahlung sind beim Tausch kein Geld und keine Zahlungsmittel iwS involviert. Mit der Klarstellung, dass nur solche digitalen Assets auch virtuelle Währungen sein sollen, die Tauschmittel sind, stellt der europäische Gesetzgeber klar, dass digitale Assets, die Zahlungsmittel iwS sind, nicht den Begriff der virtuellen Währung erfüllen. Dieses Ergebnis belegt auch ErwGr 10 zur 5. GW-RL, wonach virtuelle Währungen "nicht zu verwechseln [sind] mit elektronischem Geld im Sinne [der E-Geld-RL], 29 mit dem umfassenderen Begriff von ‚Geldbeträgen‘ [der PSD II], 30 mit Diensten oder Zahlungsvorgängen nach [der PSD II] 31 oder mit Spielwährungen, die ausschließlich innerhalb einer vorgegebenen Spieleumgebung genutzt werden können".
Im Ergebnis lässt sich die Tauschmitteleigenschaft somit am besten negativ umschreiben: Digitale Assets sind Tauschmittel, wenn sie keine Zahlungsmittel iwS sind, wenn sie also weder E-Geld, Zahlungsdienst, Zahlungsinstrument oder sonstiges Zahlungsmittel sind. Bitcoin - als archetypisches Bsp einer virtuellen Währung - ist ein Tauschmittel und kein Zahlungsmittel.
Die FMA vertritt seit Mai 2018 die Rechtsansicht, bei Blockchains wie der Bitcoin-Blockchain handle es sich um Zahlungsnetzwerke.32 Diese Rechtsansicht ist in der rechtswissenschaftlichen Lit auf Ablehnung gestoßen.33 Die Durchsetzung dieser Rechtsansicht war für die Mining-Industrie in Ö freilich verheerend. Die Blockchain-Technologie kann zwar sehr wohl dazu verwendet werden, um ein Zahlungsnetzwerk zu schaffen, etwa wenn Coins oder Token ein Forderungsrecht gegen ein Institut repräsentieren. Bei Bitcoin und vergleichbaren digitalen Assets handelt es sich jedoch nicht um Zahlungsmittel, womit die diesen virtuellen Währungen zugrunde liegenden Blockchains keine Zahlungsnetzwerke sind.
Nicht jedes digitale Asset, das den Tauschmittelbegriff erfüllt, ist automatisch auch eine virtuelle Währung. Nur solche digitalen Assets, die als Tauschmittel akzeptiert werden (is accepted), fallen in die Definition. Zunächst fällt auf, dass der europäische Gesetzgeber mit dem Wort "akzeptiert" nicht auf einen rechtlichen, sondern auf einen tatsächlichen Vorgang abstellt: Es kommt nicht darauf an, ob ein digitales Asset als Tauschmittel gesetzlich oder vertraglich akzeptiert werden muss. Auch der wirtschaftliche oder rechtliche Grund, warum ein digitales Asset als Tauschmittel akzeptiert wird, spielt nach der Definition keine Rolle. Die Akzeptanz der virtuellen Währung Bitcoin ergibt sich bspw allein aus dem Umstand, dass ihm von der Allgemeinheit ein Wert beigelegt wird. Ein bestimmter rechtlicher Grund für die Akzeptanz als Tauschmittel besteht hingegen nicht. Dies ist nach der Definition auch gerade nicht erforderlich.
Umgekehrt schadet das Vorliegen eines bestimmten wirtschaftlichen oder rechtlichen Grundes aber auch nicht. Wenn etwa die Akzeptanz eines digitalen Assets als Tauschmittel am Markt deshalb besteht, weil eine Person einer anderen Person gegenüber den Ankauf dieses digitalen Assets auf dem Markt vertraglich zugesichert hat und dadurch Nachfrage erzeugt, so mag für die Akzeptanz zwar auch ein rechtlicher und wirtschaftlicher Grund bestehen, dies verhindert aber nicht die Qualifikation als virtuelle Währung.34 Es kommt allein darauf an, ob das digitale Asset tatsächlich als Tauschmittel akzeptiert wird.
Weiters fällt auf, dass mit dem Wort "akzeptiert" ausschließlich die Nachfrage nach dem digitalen Asset erfasst wird. Das verfügbare Angebot wird hingegen völlig ausgeklammert. Es ist also unerheblich, ob ein digitales Asset von einer Person, von 1.000 Personen oder von niemandem (mehr) am Markt angeboten wird. Maßgeblich ist nur, ob es von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert, also nachgefragt
wird. Selbst wenn hinsichtlich eines bestimmten digitalen Assets überhaupt kein Angebot mehr existieren würde, sondern nur noch eine Nachfrage, hätte dies keine rechtliche Auswirkung auf die Qualifizierung als virtuelle Währung.
Akzeptanz beschreibt also einen tatsächlichen Vorgang der Nachfrage nach einem digitalen Asset. Die Fragen, welche Personen oder wie viele Personen das digitale Asset als Tauschmittel akzeptieren müssen, sind damit freilich noch nicht geklärt. Ist es ausreichend, wenn ein digitales Asset nur von einer einzigen Person nachgefragt wird? Wie verhält es sich mit einem digitalen Asset, das nur von einer bestimmten Gruppe, wie etwa Studierenden, oder nur in einem bestimmten Land nachgefragt wird?
Einen ersten Aufschluss bietet ErwGr 11 der 5. GW-RL, wonach "[l]okale Währungen [...], die nur in sehr begrenztem Umfang (wie innerhalb einer Stadt oder Region) oder nur von einer geringen Anzahl von Nutzern verwendet werden, [...] nicht als virtuelle Währungen betrachtet werden [sollten]". Eine ähnliche Einschränkung findet sich auch in der PSD II und der E-Geld-RL. Gemeint ist die Ausnahme für sog begrenzte Netze.
Die (jüngere) PSD II enthält für den Umfang des begrenzten Netzes eine eigene Legaldefinition.35 In Ö wurde diese in § 3 Abs 1 Z 11 ZaDiG 2018 umgesetzt. Der (älteren) E-Geld-RL mangelt es noch an einer Legaldefinition; der Hinweis auf die Ausnahme für begrenzte Netzte findet sich dort lediglich in einem ErwGr.36 In Ö wurde die Ausnahme für begrenzte Netze für E-Geld auch gesetzlich angeordnet, und zwar mit einem Verweis auf die Bestimmungen des ZaDiG 2018.37 In der österr Praxis wird die Ausnahme des begrenzten Netzes weiters analog auf die Ausgabe und Verwaltung von Zahlungsmitteln nach § 1 Abs 1 Z 6 BWG angewendet.38 Bei den zuletzt genannten Zahlungsmitteln handelt es sich übrigens um die sonstigen Zahlungsmittel nach der CRD IV, sodass im Ergebnis für alle Zahlungsmittel iwS die Ausnahme für begrenzte Netze gilt.
In einer Zusammenschau zeigt sich also folgendes Bild: Der europäische Gesetzgeber hat im Rahmen der PSD II eine Ausnahme für begrenzte Netze ausdrücklich vorgesehen, eine solche Ausnahme wird aufgrund der ErwGr für die E-Geld-RL ebenso bejaht und wurde vom österr Gesetzeber für E-Geld auch gesetzlich angeordnet. ErwGr 11 der 5. GW-RL enthält einen ähnlichen Verweis auf lokale Währungen und begrenzte Netze, die nicht als virtuelle Währungen betrachtet werden sollen.
Für die Frage, ab welchem Grad der Nachfrage ein digitales Asset ausreichend akzeptiert wird, um von einer virtuellen Währung zu sprechen, kann damit mE auf die Legaldefinition des begrenzten Netzes in der PSD II abgestellt werden. Dabei ist aber ein wesentlicher Unterschied zu beachten: Während die Definition der PSD II darauf abstellt, welche (vertragliche) Absicht ein Zahlungsdienstleister oder E-Geld-Emittent verfolgt, kommt es für die Beurteilung der Akzeptanz eines digitalen Assets nicht darauf an, ob es überhaupt einen Emittenten gibt und auch nicht auf dessen Absichten. Maßgeblich sind vielmehr die tatsächlichen Umstände. Ist die Nachfrage nach einem digitalen Asset so gering, dass (wäre es ein Zahlungsinstrument oder E-Geld) von einem begrenzten Netz gesprochen werden könnte, so gilt dieses digitale Asset nicht als virtuelle Währung.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie mit der Akzeptanz als Tauschmittel bei neuen digitalen Assets umzugehen ist. Dies kann etwa bei Hard Forks39 oder neu emittierten Coins oder Token relevant sein. Digitale Assets müssen als Tauschmittel akzeptiert werden, um als virtuelle Währung zu gelten. Dies könnte zunächst so interpretiert werden, dass neue digitale Assets in gar keinem Fall virtuelle Währungen sein können, da sie in der Praxis noch gar nicht als Tauschmittel akzeptiert werden konnten. Diese Auslegung übersieht, dass es für die Akzeptanz als Tauschmittel nicht auf einen Vorgang ankommt, sondern auf die Nachfrage am Markt. Solange eine Nachfrage am Markt besteht, die über jene hinausgeht, wie sie für ein begrenztes Netz kennzeichnend wäre, handelt es sich auch bei neuen digitalen Assets um virtuelle Währungen.
Gleichzeitig ist damit aber auch gesagt, dass nicht jedes neue digitale Asset automatisch eine virtuelle Währung ist. Bei gewissen neuen digitalen Assets ist das auch durchaus ein gewünschtes Ergebnis. Problematisch erscheint jedoch der Fall, dass neue digitale Assets ohne jeglichen Wert oder zumindest realistische Chance auf Wertentwicklung in betrügerischer Absicht verkauft werden. Werden solche wertlosen Coins oder Token nicht als Tauschmittel akzeptiert, so gelten sie nicht als virtuelle Währung. Damit wäre deren Verkauf aber auch keine Dienstleistung in Bezug auf virtuelle Währungen und würde weder der Registrierungspflicht nach § 32a FM-GwG unterliegen, noch die Rechtsfolgen einer mangelnden Registrierung auslösen. Eine der unerwünschtesten Auswüchse der Blockchain-Industrie wäre damit von vornherein nicht dem Aufsichtsregime der FMA unterstellt.
Dieses Ergebnis ist unbefriedigend, da es offensichtlich eine Nachfrage bei den Käufern dieser neuen digitalen Assets gibt. ME kann daher argumentiert werden, dass der Kauf solcher wertloser digitaler Assets durch eine Person auch deren generelle Bereitschaft indiziert, diese digitalen Assets als Tauschmittel zu akzeptieren. Ist die Grenze des beschränkten Netzes überschritten und sind die sonstigen Tatbestandsmerkmale erfüllt, dann handelt es sich auch bei solchen digitalen Assets um virtuelle Währungen.
Sechstens verlangt die Legaldefinition als letztes Tatbestandsmerkmal, dass virtuelle Währungen auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden (can be transferred, stored and traded electronically). Dabei fällt zunächst auf, dass die elektronische Übertragung und Speicherung jeweils einen faktischen Prozess beschreiben, während die elektronische Handelbarkeit - mehr als bloße Übertragung - einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorgang beschreibt.
Die Möglichkeit zur Übertragung (can be transferred) beschreibt das Übergehen von digitalen Assets von einer Person auf eine andere. Zunächst kann daher attestiert werden, dass digitale Assets von einer Person an eine andere Person übertragbar sein müssen, um als virtuelle Währung zu gelten. Eine einmalige Registereintragung, die keine Übertragung zulässt, wäre also bspw nicht ausreichend. Dabei kommt es auf die generelle Übertragbarkeit des digitalen Assets an und nicht auf die Übertragbarkeit eines einzelnen Coins oder Tokens. Können die digitalen Assets - aus welchem Grund auch immer - in tatsächlicher Hinsicht nicht oder nicht mehr von einer Person an eine andere Person übertragen werden, handelt es sich nicht (mehr) um eine virtuelle Währung.
Die Möglichkeit zur Speicherung (can be stored) beschreibt das Sichern von digitalen Assets einer Person für sich selbst. Dies verlangt zunächst, dass die digitalen Assets gegen den Willen ihrer Eigentümer generell nicht auf eine andere Person übertragen werden können. Die elektronische Speicherung kann also als Gegenstück zur elektronischen Übertragung gelesen werden. Können die digitalen Assets - aus welchem Grund auch immer - in tatsächlicher Hinsicht von anderen Personen als dem Eigentümer ohne dessen Zutun an eine andere Person elektronisch übertragen werden, so handelt es sich nicht (mehr) um eine virtuelle Währung.
Die Möglichkeit zur Handelbarkeit (can be traded) weist im Gegensatz zur Übertragbarkeit und Speicherfähigkeit eine rechtliche und wirtschaftliche Komponente auf. Handelbarkeit ist dabei wohl so zu verstehen, dass es auf eine grundsätzliche Möglichkeit zum Handel der digitalen Assets ankommt und nicht darauf, ob für den Handel tatsächlich auch Handelsplätze bestehen. Auch wird es für den Begriff nicht darauf ankommen, ob der Handel erlaubt oder verboten ist.
Zusammenfassend kann zunächst festgestellt werden, dass der europäische Gesetzgeber den Begriff der virtuellen Währung technologieneutral legaldefiniert hat. Bei der Definition hatte er weiters wohl Bitcoin als archetypisches Beispiel einer virtuellen Währung vor Augen. Bei der Auslegung kann davon ausgegangen werden, dass Bitcoin sämtliche sechs Tatbestandselemente der Legaldefinition erfüllt:
1. | Virtuelle Währungen sind digitale Darstellungen von Wert (digitale Assets). Sie müssen im geschäftlichen Verkehr einen gewissen Wert aufweisen, um als virtuelle Währungen zu gelten. |
2. | Virtuelle Währungen werden nicht durch eine Zentralbank oder öffentliche Stelle ausgegeben oder garantiert. Emittieren ist die erstmalige Ausgabe. Garantieren ist das Einstehen für fremde oder allenfalls auch eigene Verbindlichkeiten. Werden digitale Assets von einer Zentralbank oder öffentlichen Stelle ausgegeben oder garantiert, handelt es sich nicht um virtuelle Währungen. |
3. | Virtuelle Währungen können an eine gesetzliche Währung angebunden werden. Unter Anbinden ist ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Mechanismus zu verstehen, der den Wert des digitalen Assets mit einer gesetzlichen Währung verknüpft. |
4. | Virtuelle Währungen haben nicht den Status einer Währung oder von Geld. Dabei kommt es auf den Status an, den ein digitales Asset in der EU oder einem Mitgliedstaat einnimmt. |
5. | Virtuelle Währungen werden von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert. Hierbei handelt es sich um das Kernelement der Legaldefinition:
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6. | Virtuelle Währungen können elektronisch übertragen, gespeichert und gehandelt werden. Nur digitale Assets, die elektronisch einer Person überlassen werden können (Übertragung), wobei der Eigentümer auch die Möglichkeit hat, Übertragungen ohne sein Zutun zu verhindern (Speicherung), erfüllen den Begriff der virtuellen Währung. |
Vgl Jilch, Depot in der Hosentasche: FMA bewilligt Blockchain-Emission, Die Presse, 6. 12. 2018.
Piska, Kryptowährungen und ihr Rechtscharakter - eine Suche im Bermuda-Dreieck, ecolex 2017, 632 ff; Piska/Völkel, Kryptowährungen reloaded - auf dem Weg aus dem Bermuda-Dreieck, ecolex 2017, 816.
In der englischsprachigen Fassung: "‚Virtual currencies‘ means a digital representation of value that is not issued or guaranteed by a central bank or a public authority, is not necessarily attached to a legally established currency and does not possess a legal status of currency or money, but is accepted by natural or legal persons as a means of exchange and which can be transferred, stored and traded electronically."
Die Umsetzung erfolgte im Zuge des EU-Finanz-Anpassungsgesetz 2019; im Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Beitrags lag der im NR beschlossene Gesetzestext vor; vgl 644 dB 26. GP.
Vgl § 43 Abs 4 FM-GwG.
Vgl die Folgenabschätzung der Kom zum Vorschlag der 5. GW-RL 450/2016/COM, in dem Bitcoin mehrfach als prominentestes Beispiel genannt wird.
Völkel, Privatrechtliche Einordnung virtueller Währungen, ÖBA 2017, 385; Fleißner, Eigentum an unkörperlichen Sachen am Beispiel von Bitcoins, ÖJZ 2018, 437, die einen Eigentumserwerb ieS vertritt; vgl demgegenüber Vonkilch/Knoll, Bitcoins und das Sachenrecht des ABGB, JBl 2019, 139, die einen Eigentumserwerb (nur) iwS bejahen.
Vgl Pkt 7.
Zu physischen Wallets vgl Völkel, ÖBA 2017, 385; Fleißner, ÖJZ 2018, 437; Vonkilch/Knoll, JBl 2019, 139 ff.
Dies gilt auch für die französische Fassung: "représentations numériques d’une valeur".
Vgl Pkt 7.
Zum Begriff des Tokens vgl Rericha/Nicholas, Initial Coin Offering: Ein Fall für die FMA? ecolex 2017, 1116; Völkel, ZTR 2017, 103 ff; Paulmayer, Initial Coin Offerings (ICOs) und Initial Token Offerings (ITOs) als prospektpflichtiges Angebot nach KMG? ZFR 2017, 259.
Das Assistieren bei der Emission Dritter kann als Fremdemission bezeichnet werden; Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht2 § 34 Rz 1.
Vgl dazu wieder insb das Erfordernis der Akzeptanz als Tauschmittel.
Ellsworth, Venezuela: "Superman"-Kryptowährung Petro wird zum Superflop, Die Presse, 7. 9. 2018.
Der Begriff Wechselkurs wird bewusst vermieden.
Vgl die Folgenabschätzung der Kom zum Vorschlag der 5. GW-RL 450/2016/COM.
Vgl den Vorschlag der Kom 2016/0208(COD), in dem der Begriff der virtuellen Währung noch definiert wurde als "eine digitale Darstellung eines Werts, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert wurde und nicht zwangsläufig an eine echte Währung angebunden ist, aber von natürlichen oder juristischen Personen als Zahlungsmittel akzeptiert wird und auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden kann".
RL 2009/110/EG vom 16. 9. 2009.
RL 2015/2366/EU vom 25. 11. 2015.
Die E-Geld-RL verweist noch auf Art 4 Z 5 der PSD I (RL 2007/64/EG).
Art 2 Z 2 E-Geld-RL.
Art 4 Z 5 PSD II.
Art 4 Z 14 PSD II.
Vgl die Ausführungen von Waldherr/Ressnik/Schneckenleitner in Dellinger (Hrsg), BWG (9. Lfg, 2017) § 1 Rz 59 f; zum Meinungsstand auch Saria, Zum Reisescheck, ÖBA 1999, 797.
Im Ergebnis trifft dies im Übrigen auch auf das gesetzliche Zahlungsmittel zu, also Geld. Die Risiken mögen subtiler sein und die Mechanismen im Detail komplex, im Ergebnis zählen aber die Lehren der Geschichte: Auch Geld kann einmal wertlos werden.
Vgl die Nennung von Banknoten und Münzen in Art 4 Z 25 PSD II.
Art 2 Z 2 E-Geld-RL.
Art 4 Z 25 PSD II umfasst Banknoten und Münzen, Giralgeld und E-Geld.
Art 3 lit k und lit l PSD II.
FAQs der FMA zur Anwendung des Alternative Investment-Fonds Manager-Gesetzes vom 22. 5. 2018.
Völkel, Mining von virtuellen Währungen als Alternativer Investmentfonds? ZFR 2018, 317; Gorzala/Hanzl, Mining, ÖBA 2018, 560.
Beachte, dass dieser Fall - Person A verspricht Person B den Ankauf am Markt, nicht aber den Ankauf von Person B - nicht dazu führt, dass ein Zahlungsmittel iwS vorliegt. Wäre der Fall so gelagert, dass Person A der Person B verspricht, die digitalen Assets von Person B zu einem bestimmten Preis anzukaufen, so würde sehr wahrscheinlich ein Zahlungsmittel vorliegen (wohl E-Geld).
Art 3 lit k PSD II.
Vgl ErwGr 5 der E-Geld-RL: "Diese Richtlinie sollte nicht für monetären Wert gelten, der auf vorausbezahlten Instrumenten gespeichert ist, die […] vom E-Geld-Inhaber nur für den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen […] innerhalb eines begrenzten Netzes von Dienstleistern […] oder nur für den Erwerb einer begrenzten Auswahl von Waren oder Dienstleistungen verwendet werden können."
Vgl Waldherr/Ressnik/Schneckenleitner in Dellinger (Hrsg), BWG (9. Lfg, 2017) § 1 Rz 57a.
Bei einem Hard Fork wird die Software hinter einer bestehenden Blockchain, etwa jene der Bitcoin-Blockchain, von einem Teil der Anwender verändert, sodass sie nicht mehr mit der ursprünglichen Software kompatibel ist. Auf diese Weise entsteht eine neue Blockchain, wie es etwa bei der Abspaltung von Bitcoin Cash vom Bitcoin-Protokoll der Fall war.