Thema

Begründet COVID-19 das Teilungshindernis der Unzeit iSd § 830 ABGB?

RA Mag. Patrick Maydell, LL.M.

Dieser Beitrag untersucht, ob bzw unter welchen Umständen ein beklagter Miteigentümer einer gemeinschaftlichen Sache (insb bei Liegenschaften) mit dem Einwand der Unzeit aufgrund der COVID-19-Pandemie die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft vorübergehend verhindern kann.

1. Einleitung

Steht eine Sache im gemeinschaftlichen Eigentum, so kann jeder Miteigentümer gem § 830 ABGB die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft fordern. Dieser Aufhebungsanspruch ist zwar ein unbedingter,1 doch darf die Aufhebung nicht zur Unzeit oder zum Nachteil der übrigen Miteigentümer 2 erfolgen. In diesen Fällen muss sich ein Miteigentümer einen den Umständen angemessenen nicht vermeidlichen Aufschub gefallen lassen. In Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie stellt sich die Frage, ob bzw unter welchen Umständen dem Teilungsverlangen eines


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Miteigentümers das Teilungshindernis der Unzeit erfolgreich entgegengesetzt werden kann.

2. Begriff der Unzeit

Bei der Unzeit iSd § 830 ABGB handelt es sich nach der stRsp3 um einen objektiven außerhalb der Beteiligten bestehenden und für alle Beteiligten in gleicher Weise wirkenden Umstand, der die Teilung zwar nicht verhindert, aber zur gegebenen Zeit unzweckmäßig und für beide Teile schädigend macht. Es muss sich um einen vorübergehenden Zustand handeln, von dem zu erwarten ist, dass er in naher Zeit wegfallen wird.4

Unzeit wurde von der Rsp bspw beim Vorhandensein krisenhafter Ausnahmezustände, wie etwa von krisenhaften wirtschaftlichen Erscheinungen in Folge eines Kriegs, angenommen.5 Unzeit liegt insb auch dann vor, wenn sich vorübergehend kein angemessener Preis der zu teilenden Sache erzielen lässt.6 Auch außergewöhnliche Verhältnisse auf dem Gebiet der Volkswirtschaft, insb im Währungs- und Kreditsektor, können nach der Rsp7 Unzeit begründen, wenn entweder infolge einer raschen inflationistischen Entwicklung ein sofortiger Wertverfall des Verkaufserlöses vorauszusehen ist oder infolge einer allgemeinen Stagnation und eines allgemeinen Preisverfalls die Erzielung eines dem Wert der Liegenschaft entsprechenden Erlöses nicht zu erwarten ist.

3. COVID-19 als Unzeit bei Liegenschaften?

Bei der COVID-19-Pandemie handelt es sich zweifelsohne um einen objektiven Umstand, der dramatische Auswirkungen auf das öffentliche und private Leben in Österreich hat. Auch wird man mE annehmen können, dass es sich bei den erheblichen Auswirkungen dieser Seuche (zB der fast vollständige "Lockdown") um einen bloß vorübergehenden Zustand handelt, der in absehbarer Zeit, spätestens wenn ein wirksamer Impfstoff oder zumindest ein wirksames Medikament flächendeckend auf den Markt kommt, zu einer vollständigen Aufhebung der mit diesem Virus verbundenen Restriktionen führen wird.

Entscheidendes Kriterium, ob die aktuelle Pandemie eine Unzeit in Zusammenhang mit der Aufhebung von Miteigentumsgemeinschaften gem § 830 ABGB darstellen kann, wird der zu erwartende Veräußerungserlös der zu versteigernden Liegenschaft sein. Nur dann, wenn sich in dem für das Vorliegen von Unzeit relevanten Zeitpunkt, dem Schluss der Verhandlung erster Instanz,8 vorübergehend kein angemessener Veräußerungserlös erwarten lässt, wird Unzeit anzunehmen sein.

Welcher Veräußerungserlös dabei noch angemessen und welcher nicht mehr angemessen ist, wird zwar regelmäßig eine Einzelfallbeurteilung darstellen, allerdings ist dabei mE ein strenger Maßstab anzulegen. Der OGH9 verneinte das Vorliegen von Unzeit in einer Entscheidung zB mit der Begründung, dass der Realitätenmarkt keineswegs zusammengebrochen war, sodass hier weiterhin gute Preise erzielt, aber auch Erlöse werterhaltend angelegt werden konnten. In einer weiteren Entscheidung10 kam der OGH zum Ergebnis, dass auf dem Realitätenmarkt im Jahre 1975 kein Preisverfall eingetreten war, das Rezessionstief überwunden und die Erzielung eines entsprechenden Meistbots daher zu erwarten war.

Um in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie das Vorliegen von Unzeit zu bejahen, wird daher ein vorübergehender wesentlicher Preisverfall der zu versteigernden Liegenschaft einzutreten haben, der keinen angemessenen Veräußerungserlös erzielen lässt. Da auch in "normalen" Zeiten ohne pandemiebedingte Erscheinungen Schwankungen der Immobilienpreise hinzunehmen sind, kann Unzeit mE nur dann vorliegen, wenn der zu erwartende Versteigerungserlös derart eklatant unter dem Vorkrisenniveau liegt, dass von einem wesentlichen Preisverfall gesprochen werden kann. Ob diese Grenze bei 30 % oder mehr des Verkehrswerts des Vorkrisenniveaus liegt, sei dahingestellt.

Der in Österreich vorgelegene wochenlange Lockdown, verbunden mit umfangreichen Ausgangsbeschränkungen, Maßnahmen zur sozialen Distanzierung, Einschränkungen des Gerichtsbetriebs einschließlich der Verlegung von Tagsatzungen war unzweifelhaft ein vorübergehender Zustand, der das Vorliegen von Unzeit rechtfertigt, weil in diesem Zeitraum Zwangsversteigerungen von Immobilien - mangels Abhaltung von Tagsatzungen - gar nicht möglich waren und daher ein Veräußerungserlös nicht erzielt werden konnte. Sollten aber Zwangsversteigerungen in Zukunft bei ähnlichen Krisen dennoch durchgeführt werden können (zB anhand vermehrten Einsatzes von Videotechnologie), ist die Auswirkung des krisenhaften vorübergehenden Zustands auf den zu erwartenden Veräußerungserlös zu beurteilen.

Für die Zeit nach diesen schwerwiegenden Restriktionen wird man zur Prüfung der Unzeit im Rahmen eines Teilungsverfahrens zu beurteilen haben, wie sich die danach noch bestehenden Maßnahmen auf den zu erwartenden Versteigerungserlös der Liegenschaft auswirken. Zu beachten ist aber, dass es sich im Rahmen der Unzeit immer um vorübergehende Zustände handeln muss. Sollte die österreichische Wirtschaft aufgrund der Nachwirkungen der COVID-19-Pandemie langfristig Schaden erleiden und sollten damit zB die Immobilienpreise längerfristig verfallen, liegt daher schon deshalb keine Unzeit vor, weil es sich dann nicht um einen vorübergehenden Zustand, der in naher Zukunft wegfallen wird, handelt.

4. Verfahrensrechtliches

Wie bereits ausgeführt, ist maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen von Unzeit der Schluss der Verhandlung erster Instanz.


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Auf später eingetretene Tatsachen kann aufgrund des Neuerungsverbots nicht Rücksicht genommen werden.11 Umstände, die nach dem Schluss der Verhandlung erster Instanz, aber noch vor dem Versteigerungstermin eintreten, können mit Klage nach § 35 EO geltend gemacht werden.12 Das kann im Rahmen einer Pandemie insofern relevant sein, als das Titelgericht das Vorliegen von Unzeit verneint, sich aber nach Vorliegen des rechtskräftigen stattgebenden Teilungsurteils die Verhältnisse zB aufgrund von danach existierenden pandemiebedingten Beschränkungen erheblich verändern.

Zu beachten ist, dass das Teilungshindernis der Unzeit nicht von Amts wegen zu prüfen ist, sondern ausschließlich auf Einrede der beklagten Partei. Diese trifft daher die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen von Unzeit.13 Hierbei genügt aber nicht schon die allgemeine Behauptung, das Begehren werde zur Unzeit erhoben. Es müssen vielmehr konkrete Umstände dargetan werden, die das Teilungshindernis der Unzeit begründen können. Nur im Rahmen der konkreten Tatsachenbehauptungen ist zu prüfen, ob der Teilung ein Hindernis entgegensteht. Im Rahmen der Einrede des Teilungshindernisses der Unzeit empfiehlt es sich daher für die beklagte Partei, so konkret wie möglich zu behaupten, inwiefern die äußeren krisenhaften Umstände einen bloß vorübergehenden Zustand darstellen und eine Versteigerung der Liegenschaft keinen angemessenen Veräußerungserlös erwarten lässt.

5. Zusammenfassung

Jeder Miteigentümer einer gemeinschaftlichen Sache kann grundsätzlich die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft verlangen. Die Aufhebung darf aber nicht zur Unzeit erfolgen, worunter von der Rsp ein vorübergehender Zustand angenommen wird. In Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wird Unzeit jedenfalls dann vorliegen, wenn sich vorübergehend kein angemessener Veräußerungserlös der zu versteigernden Sache erwarten lässt, wobei an die Angemessenheit des Veräußerungserlöses ein strenger Maßstab anzulegen ist. Ein vorübergehender wesentlicher Preisverfall der zu versteigernden Liegenschaft erfüllt das Teilungshindernis der Unzeit.

1

RIS-Justiz RS0013249.


2

In diesem Beitrag wird nur auf das Teilungshindernis der Unzeit eingegangen. Im Gegensatz zur Unzeit, die rein anhand objektiver Kriterien geprüft wird, können beim Teilungshindernis des Nachteils der übrigen auch subjektive Umstände eines Miteigentümers berücksichtigt werden (zB 2 Ob 53/97a).



4

RIS-Justiz RS0013287.


5

RIS-Justiz RS0013280.


6

RIS-Justiz RS0013287.


7

RIS-Justiz RS0013278.


8

RIS-Justiz RS0013282.




11

RIS-Justiz RS0013282.


12

3 Ob 57/92; RIS-Justiz RS0001184.


13

RIS-Justiz RS0013247.


Artikel-Nr.
Zak 2020/374

16.07.2020
Heft 12/2020
Autor/in
Patrick Maydell

Mag. Patrick Maydell, LL.M. ist selbständiger Rechtsanwalt in Wien und auf Immobilien- und Baurecht spezialisiert. Davor war er ua wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Europarecht der JKU Linz.