Editorial

Was lange währt, wird endlich gut - Ist die Regulatory Sandbox bald Teil des österreichischen Rechts?

Bearbeiter: Oliver Völkel

Wir schreiben das Jahr 2017. Es ist Frühling, der 6. Mai, um genau zu sein. Das damals unter Harald Mahrer geführte Wirtschaftsministerium veranstaltet einen Idea Hacking Workshop. Thema? Nichts Geringeres als eine "Blockchain Roadmap" für Österreich soll erarbeitet werden. Die Teilnehmer kommen aus den verschiedensten Ländern, Bereichen und Branchen. Es sind Unternehmer, Wissenschaftler und Künstler. Sie alle überlegen, diskutieren und erklären. Vereint werden sie von einem Gedanken: Der Standort Österreich soll für die Technologie-Revolution Blockchain gerüstet werden.

Ich war Teil jener Gruppe, der die Idee zur sog "Regulatory Sandbox" kam: FinTechs sollten sich mit Technologien beschäftigen, ohne Sorge zu haben, im Minenfeld des Aufsichtsrechts einen Fehltritt zu machen. Warum war uns das wichtig? 2017 war die Hochzeit der Initial Coin Offerings (ICO), also der Ausgabe neuer digitaler Assets. Es war aber auch die Zeit, als ein unüberlegtes ICO ein strafgerichtliches Nachspiel haben konnte. Die aufsichtsrechtliche Einordnung vieler Geschäftsmodelle im Blockchain-Bereich war noch unklar und die US-amerikanische Wertpapieraufsicht SEC zeigte bereits vor, wie eine regelrechte Jagd auf vermeintliche Crypto-Sünder aussehen konnte.

Solche Zustände sollte es in Österreich nicht geben. Wir wollten innovationsfreundlich sein. Das war zumindest der Ausgangspunkt der Überlegungen. Hinzu gesellten sich immer mehr Wünsche und Ideen: Konzession? Wozu? Wer möchte schon aufwendig in regulatorische Compliance investieren, wenn der Markt das Produkt am Ende vielleicht gar nicht annimmt? Lasst die FinTechs einfach loslegen, natürlich unter den wachsamen Augen der FMA, zeitlich befristet, das versteht sich von selbst. Am Ende der Frist? Da steht die Konzessionierung - oder eben nicht. Wettbewerbsrechtliche Bedenken? Europarechtliche Vorgaben? Gleichheitssatz? Seien Sie nicht kleinlich, diese Technologie ist die Zukunft! Nun ja, die Aufbruchsstimmung war 2017 unverkennbar.

Im Anschluss an den Workshop bildete die Regulatory Sandbox tatsächlich einen Teil des "9-Punkte-Plans", der von der Plattform Blockchain Austria des Wirtschaftsministeriums ausgearbeitet wurde. Sogar Teil des schwarz-blauen Regierungsprogramms 2017 wurde die Idee. Ich erinnere mich lebhaft an meine Gedanken, als ich 2019 den Gesetzesentwurf zur Regulatory Sandbox auf der Website des Parlaments las: Kurios, wie Gesetzgebung in Österreich funktioniert. Doch dann kam Ibiza. Schwarz-blau löste sich auf, die Plattform Blockchain Austria verschwand. Und mit ihr die Regulatory Sandbox.

Doch halt! Sie ist wieder da, die Idee der Regulatory Sandbox. Und sie hat sich quasi ohne Vorwarnung zur Regierungsvorlage gemausert.1 Inhaltlich scheint sich die Sandbox zum Vorjahresmodell nicht wesentlich verändert zu haben. Wird sie Realität, so verpflichtet § 23a FMABG die FMA dazu, die Regulatory Sandbox einzurichten. In der Sandbox kann ein Teilnehmer unter Rechtsbelehrung der FMA erproben, wie ein in Entwicklung befindliches, innovatives Geschäftsmodell unter Einhaltung aller einschlägigen Aufsichtsgesetze realisiert werden kann.

Die Aufnahme in die Sandbox ist freilich an Bedingungen geknüpft. So muss das Geschäftsmodell etwa auf Informations- und Kommunikationstechnologie basieren. So weit, so klar. Andere gesetzliche Anordnungen sind teils freilich weniger bestimmt. Bspw muss das Geschäftsmodell "insb auf Grund erhöhten Innovationswerts im volkswirtschaftlichen Interesse an einem innovativen Finanzplatz liegen und keine Gefährdung der Finanzmarktstabilität oder des Verbraucherschutzes erwarten lassen". Viel Freude bei der Antragstellung an die FMA!

Wer die FMA überzeugt hat, der darf sich freuen: Über einen gesondert zu stellenden Antrag kann die FMA dann nämlich beschränkte Konzessionen, Genehmigungen, Zulassungen oder Registrierungen nach allen in § 2 Abs 1-4 FMABG genannten Aufsichtsgesetzen mit Bescheid erteilen. Bankkonzession light quasi. Diese Bescheide können angemessene Auflagen, Bedingungen und Befristungen vorschreiben. Spätestens nach zwei Jahren ist die Testphase für das Geschäftsmodell aber vorbei.

Was ist zu erwarten, wenn die Regulatory Sandbox tatsächlich wie geplant ab 1. 9. 2020 zur in Gesetz gegossenen Realität wird? Ich schwanke zwischen Euphorie und Pessimismus. Einerseits hat die FMA gezeigt, dass ihr FinTechs wichtig sind. Bestes


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Beispiel ist der FinTech-Navigator oder die Schnittstelle zur FMA, über die Anfragen bereits heute kostenlos gestellt werden können. Andererseits hat die Behörde gezeigt, wie rasch sie einen ganzen Industriezweig (Miningunternehmen) durch Auslegung von Auslegungshilfen quasi über Nacht einstellen kann.2 Und auch jüngst verdichteten sich die Anzeichen einer restriktiveren Aufsichtspolitik. So legt die Behörde, gestützt auf die OGH-Judikatur zur Risikogemeinschaft, den Veranlagungsbegriff des KMG bei der Ausgabe digitaler Assets neuerdings derart weit aus, dass von einem (aus dem US-amerikanischen Aufsichtsrecht bekannten) Howey-Test österr Prägung gesprochen werden könnte.

Ein Gesetz ist nur so gut wie seine praktische Anwendung. Die Regulatory Sandbox hätte das Potential, die Attraktivität des Standorts Österreich für Unternehmen der Krypto-Branche zu steigern. Hoffen wir, dass die gesetzlich vorgegebenen Hürden der Antragstellung in der Praxis mit Augenmaß gelebt werden.


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Gemeint ist die Rechtsansicht der FMA, dass es sich beim Mining um eine nicht-operative Tätigkeit iSd AIFMG handelt. Zu diesem Schluss gelangt die FMA, weil nach einer ESMA-Guidance finanzielle Dienstleistungen keine operative Tätigkeit darstellen. Diese Auslegungshilfe der ESMA legt die FMA ihrerseits so weit aus, dass Mining unter "finanzielle Dienstleistung" fällt.


Artikel-Nr.
ZFR 2020/143

23.07.2020
Heft 7/2020