Dieser Inhalt ist frei verfügbar. Mit einem Abonnement der Zak erhalten Sie die Zeitschrift in Print und vollen digitalen Zugriff im Web, am Smartphone und Tablet. Mehr erfahren…
Testen Sie
ALLE 13 Zeitschriftenportale
30 Tage lang kostenlos.
Der Zugriff endet nach 30 Tagen automatisch.
Das Ende der akuten Phase, wie es in den Lockerungen der Maßnahmen zum Ausdruck kommt, erlaubt einen Ausblick auf die längerfristigen Folgen der COVID-19-Krise.
Ich möchte mich auf drei Punkte konzentrieren, einen zivilrechtlichen, einen zivilverfahrensrechtlichen und einen, der mich als Bewohner Österreichs betrifft:
a) | Wir haben in Westeuropa in den letzten Jahrzehnten in einer durchgeplanten, perfekt miteinander vernetzten Welt gelebt. Alles war planbar und mit einer gewissen Flexibilität konnten wir Abweichungen schnell einfangen. Was wir brauchten, und kam es noch von so weit her, hatten wir fast auf die Sekunde zur Verfügung. Wollten oder mussten wir irgendwo hinfahren, konnten wir das in Windeseile bewerkstelligen. "Höhere Gewalt" gibt es in so einem fast schon perfekten, planbaren System nicht. Höhere Gewalt kommt in den Gesetzen vor, man lernt davon auf den Unis und schreibt darüber in Kommentaren, doch immer in Gewissheit, dass das eh in Wirklichkeit gar nicht vorkommen kann. Dann bringt die Angst vor den Gefahren, die von einem unsichtbaren Virus ausgehen, plötzlich alles durcheinander. Lieferketten funktionieren nicht mehr. Der Endabnehmer bekommt die gewünschten Produkte gar nicht oder nur verzögert. Geschäftslokale müssen schließen, sowohl aufgrund rechtlicher Vorgaben als auch aufgrund der wirtschaftlichen Bedingungen. Wer trägt hier das Risiko? Der eherne Grundsatz "pacta sunt servanda", so wie wir ihn durch Jahrzehnte (als Grundlage dieser doch ziemlich perfekten Welt) verstanden haben, bekommt Risse. Auch der Gesetzgeber hat in einem Ausmaß in die vertraglichen Verpflichtungen eingegriffen, wie wir es in der 2. Republik zuvor nicht erfahren haben. |
b) | Die höhere Gewalt kommt auch im Zivilverfahrensrecht ansatzweise vor, etwa in § 161 ZPO ("Einstellung der Amtstätigkeit des Gerichtes") und in § 162 ZPO ("Zufällige Verhinderung einer Partei") schon seit dem Inkrafttreten der ZPO am 1. 1. 1898. Auch in das neue Außerstreitgesetz wurden vor knapp 20 Jahren in modernisierter Form entsprechende Bestimmungen aufgenommen (§ 25 Abs 1 Z 5 und § 25 Abs 2 Z 3 AußStrG). Im Rahmen der COVID-19-Gesetzgebung wurden zahlreiche Bestimmungen geschaffen, die darauf abzielten, in der ersten Phase die Ansteckungsgefahr, die auch von Gerichtsverfahren ausgeht, zu minimieren, und in der zweiten Phase eine gewisse Normalität zu schaffen und Zivilverfahren unter besonderen Bedingungen wieder zu ermöglichen. Angesichts der nunmehrigen Erfahrungen sollten wir uns überlegen, ob wir - außerhalb einer Krise - ein "Krisen-Zivilverfahrensrecht" schaffen und ausbauen sollen, und wenn ja, wie. Ich würde dafür plädieren das zu tun, weil die Regeln "durchdachter" erlassen werden können und im Fall einer Krise bereits präsenter sind. |
c) | Eine Gesellschaft, die durch eine Krise gegangen wird, wird neue Orientierung suchen, wie sie Resilienz gegen eine nächste Krise entwickeln kann. Bereits jetzt wird sichtbar, dass die anfängliche Phase des Aufbaues eines mächtigen Vertrauens in die staatlichen Akteure nun einer Phase zunehmender Kritik an staatlichen Eingriffen weicht. Ich nehme an, dass die Ideen des Neo-Tribalismus stärkere Resonanz finden werden: Ich sehe eine stärkere Betonung des privaten und lokalen Umfelds, sowohl bei der Teilnahme am wirtschaftlichen Leben als auch im Freizeitverhalten. Der Tourismus wird sich verändern, vom world tourism zurück zur Sommerfrische, der Wintertourismus wird leiden, traditionelle Landwirtschaft und Handwerk werden vermutlich profitieren. |