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Der Entwurf einer Neufassung des Fachgutachtens zur Unternehmensbewertung KFS/BW 1

WP / StB MMag. Marcus Bartl, CVA / Univ.-Prof. Dr. Klaus Rabel, WP / StB, CVA / WP / StB / Mag. Felix Wirth

1. Einleitung

Knapp vor Ende des Jahres 2024 wurden sowohl in Österreich als auch in Deutschland Entwürfe neuer berufsständischer Standards zur Unternehmensbewertung veröffentlicht.

Der Fachsenat für Unternehmensbewertung der Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen (KSW) hat am 21. November 2024 einen Entwurf einer Neufassung des Fachgutachtens zur Unternehmensbewertung KFS/BW 1 (KFS/BW E 1 nF) verabschiedet. Der Entwurf steht im öffentlichen Bereich der Website der KSW zum Download zur Verfügung.1 Bis zum 28. Februar 2025 läuft ein Public Posting, in dessen Rahmen alle Berufsberechtigten sowie die interessierte Öffentlichkeit eingeladen wurden, Kommentare zum Entwurf an die KSW zu übermitteln.

In etwa zeitgleich hat das deutsche Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) den Entwurf einer Neufassung des Standards zur Unternehmensbewertung IDW S 1 (IDW ES 1 nF) mit Stand 7. November 2024 veröffentlicht, der ebenfalls einem Public Posting unterzogen wird.2

Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die mit der Neufassung des Fachgutachtens KFS/BW 1 geplanten Änderungen und zieht erste Vergleiche zum Entwurf des neuen deutschen Bewertungsstandards.

2. Grundlagen der Überarbeitung des Fachgutachtens KFS/BW 1

Mit dem vorliegenden Entwurf einer Neufassung des Fachgutachtens KFS/BW 1 soll im Rahmen einer Aktualisierung und Modernisierung den jüngeren Entwicklungen in Lehre, Rechtsprechung und Bewertungspraxis Rechnung getragen und die Vergleichbarkeit mit internationalen Bewertungsstandards erhöht werden. Gleichzeitig wurde der Umfang der Empfehlungen zur Bewertung kleiner und mittelgroßer Unternehmen (KMU) erheblich erweitert. Im Gegenzug wurde auf lehrbuchähnliche Passagen im Hinblick auf die breite Literaturbasis zur Unternehmensbewertung verzichtet.

Nach KFS/BW E 1 nF sollen die bisherigen Funktionen des Gutachters (als neutraler Gutachter, Berater einer Partei oder Schiedsgutachter) und die bestehende Unterscheidung zwischen einem Bewertungsgutachten, das den Anforderungen des Fachgutachtens KFS/BW 1 genügt, und einer vereinfachten Wertfindung auf Basis der Empfehlung KFS/BW 1 E 5, die die Anforderungen dieses Fachgutachtens nicht erfüllt, weiterhin aufrechtbleiben. Abweichend davon sieht die Neufassung des deutschen Standards IDW ES 1 nF in Abhängigkeit vom Umfang der vorgenommenen Plausibilitätsbeurteilung eine Unterscheidung zwischen einem von einem neutralen Gutachter erstatteten Gutachten (mit vollumfänglicher Plausibilitätsbeurteilung), einer von einem neutralen Sachverständigen erstatteten Stellungnahme (mit ausreichender Plausibilitätsbeurteilung) und einer von einem Berater durchgeführten Wertberechnung (ohne ausreichende Plausibilitätsbeurteilung) vor.3

Die zentrale Neuerung des Entwurfs KFS/BW E 1 nF besteht in der Orientierung an einer neuen Systematik von Wertmaßstäben, die aus betriebswirtschaftlicher Sicht definiert und voneinander abgegrenzt werden.

3. Neue Systematik von Wertmaßstäben

Nach dem Entwurf werden mit der Auswahl des sog "Wertmaßstabs", der international als "Basis of Value"4 oder "Standard of Value"5 bezeichnet wird, die Prämissen festgelegt, auf deren Basis die Wertermittlung erfolgen soll. Der Wertmaßstab bestimmt die Vorgangsweise bei der Unternehmensbewertung, insb die relevante Perspektive der Bewertung, den geeigneten Bewertungsansatz und das geeignete Bewertungsverfahren, die relevanten Bewertungsfaktoren sowie den Umfang der erforderlichen Typisierungen und Objektivierungen.6

Die jeweiligen Wertmaßstäbe werden im Entwurf unterschiedlichen fundamentalen Wertkonzepten zugeordnet. Abhängig davon, ob die Bewertung aus der Perspektive eines konkreten oder eines abstrakten Bewertungssubjekts erfolgt, basieren Wertmaßstäbe auf einem subjektiven oder auf einem objektivierten Wertkonzept.7 Nach der Verwendungsabsicht können Wertmaßstäbe auf das Wertkonzept des Tauschwerts ("Value in Exchange") oder auf das Wertkonzept des Gebrauchswerts ("Value to the Holder") zurückgehen.8 Während die Wertermittlung beim Wertkonzept des Tauschwerts unter der Annahme der Veräußerung des Unternehmens(anteils) erfolgt, wird beim Wertkonzept des Gebrauchswerts die Annahme des dauerhaften Haltens des Unternehmens(anteils) getroffen.

Auf dieser Grundlage wird im Entwurf die folgende neue Systematik von für die Praxis bedeutsamen Wertmaßstäben entwickelt:9

Abbildung 1: Neue Systematik der Wertmaßstäbe nach KFS/BW E 1 nF Rz 14

Der Anwendungsbereich des Fachgutachtens erstreckt sich nach dem Entwurf nur auf intersubjektiv nachvollziehbare Unternehmenswerte.10 Der im aktuell gültigen Fachgutachten angeführte (rein) subjektive Unternehmenswert, dem in der gutachterlichen Bewertungspraxis kaum Bedeutung zukam, soll nicht mehr in den Anwendungsbereich des Fachgutachtens fallen, weil in seine Ermittlung idR auch nicht nachprüfbare Bewertungsfaktoren einfließen.

Innerhalb der intersubjektiv nachvollziehbaren Unternehmenswerte unterscheidet der Entwurf zwischen objektivierten und subjektiven Wertmaßstäben in Abhängigkeit davon, ob der Bewertung ein abstraktes oder ein konkretes Bewertungssubjekt zugrunde gelegt wird. Neben den bekannten Wertmaßstäben des objektivierten Unternehmenswerts und des Schiedswerts werden im Entwurf mit dem Marktwert und dem typisierten subjektiven Unternehmenswert zwei neue Wertmaßstäbe eingeführt, die vom Fachgutachten KFS/BW 1 bislang nicht abgedeckt waren.

Der in internationalen Bewertungsstandards gebräuchliche Wertmaßstab des Marktwerts stellt - wie der objektivierte Unternehmenswert - einen objektivierten Wertmaßstab dar. Anders als dem objektivierten Unternehmenswert liegt dem Marktwert eine Veräußerungsfiktion zugrunde. Der Marktwert entspricht dem potenziellen Marktpreis des zu bewertenden Unternehmens(anteils) und soll in jenen Bewertungsanlässen zum Einsatz kommen, in denen die Schätzung eines potenziellen Marktpreises unter realen Marktbedingungen im Vordergrund steht, wie etwa bei der Schätzung des beizulegenden Zeitwerts (§ 189a Z 4 UGB) von Beteiligungen bei bestehender Veräußerungsabsicht.11

Der objektivierte Unternehmenswert soll hingegen weiterhin unter Zugrundelegung idealtypischer Marktbedingungen unter der Annahme des dauerhaften Haltens des zu bewertenden Unternehmens(anteils) ermittelt werden und im Bereich der Anteilsbewertung auf dem Konzept des quotalen Unternehmenswerts basieren. Er soll in Bewertungsanlässen zum Einsatz kommen, in denen Gleichbehandlungs- und Fairness-Gesichtspunkte im Vordergrund stehen,12 wie insb bei der Ermittlung von angemessenen Barabfindungen für ausgeschlossene Minderheitsgesellschafter gem § 2 GesAusG.

Die nunmehrige Unterscheidung zwischen dem objektivierten Unternehmenswert (auf Basis einer Haltefiktion) und dem Marktwert (auf Basis einer Veräußerungsfiktion) trägt dem Umstand Rechnung, dass der objektivierte Unternehmenswert in der Vergangenheit oftmals undifferenziert als ein "one fits all"-Wert in zahlreichen unterschiedlichen Bewertungsanlässen herangezogen und ua auch mit einem Marktwert bzw potenziellen Marktpreis gleichgesetzt wurde. Insb in rechtsgeprägten, rechnungslegungsbezogenen und steuerlichen Bewertungsanlässen führte dieser unbefriedigende Zustand zu Unklarheiten und ungewollten Problemstellungen.13

Der typisierte subjektive Unternehmenswert entspricht dem unter intersubjektiv nachvollziehbaren Annahmen ermittelten Wert eines Unternehmens(anteils) aus der Sicht eines konkreten Bewertungssubjekts und unterscheidet sich vom rein subjektiven Unternehmenswert durch die intersubjektive Nachprüfbarkeit der Wertermittlung. Mit dem typisierten subjektiven Unternehmenswert wird ein Wertmaßstab eingeführt, der Wertermittlungen unter Berücksichtigung der finanziellen Interessen einer konkreten Partei umfassen soll, die einer unabhängigen Plausibilitätsbeurteilung zugänglich sind. Er soll etwa im Transaktionsumfeld, zB im Rahmen von Fairness Opinions oder bei der Bewertung von Sacheinlagen aus der Perspektive der übernehmenden Körperschaft, praktische Bedeutung erlangen.

Wie bisher wird im Entwurf auch der Schiedswert als Wertmaßstab beschrieben.

4. Bewertungsansätze und Bewertungsverfahren

Nach dem Entwurf stehen zur Bestimmung des Unternehmenswerts unter der Annahme ausschließlich finanzieller Ziele grds drei unterschiedliche Bewertungsansätze zur Verfügung:

-der kapitalwertorientierte Bewertungsansatz (Income Approach),
-der marktpreisorientierte Bewertungsansatz (Market Approach) und
-der kostenorientierte Bewertungsansatz (Cost Approach).14

Diesen Bewertungsansätzen werden in der Folge jeweils unterschiedliche Bewertungsverfahren zugeordnet. Als kapitalwertorientierte Verfahren werden die Discounted-Cash-Flow-Verfahren (DCF-Verfahren) und das Ertragswertverfahren genannt. Als marktpreisorientierte Verfahren (Multiplikatorverfahren) werden die Recent Transactions/Acquisitions Method, die Similar Public Company Method und die Verwendung von Erfahrungssätzen angeführt. Zum Cost Approach zählen nach dem Entwurf das Substanzwertverfahren auf Basis von Rekonstruktionswerten (für ein identes Unternehmen) oder auf Basis von Wiederbeschaffungskosten (für ein nutzenäquivalentes Unternehmen).15 In der Folge wird im Entwurf der Unterschied zwischen Bruttoverfahren und Nettoverfahren erläutert.

Der Abschnitt zu Bewertungsansätzen und Bewertungsverfahren enthält auch Empfehlungen zur Zweckmäßigkeit einer Gesamtbewertung (Konzernbewertung) oder einer sog "Sum-of-the-Parts-Bewertung". In diesem Zusammenhang wird auf Besonderheiten der Bewertung vermögensverwaltender Gesellschaften (zB Holdings, Immobiliengesellschaften) eingegangen. Ferner wird abhängig davon, ob der Unternehmenswert unter der Prämisse der Fortführung oder der Auflösung (Liquidation) des Unternehmens ermittelt wird, zwischen einem Fortführungswert und einem Liquidationswert unterschieden.

In Bezug auf die Auswahl des zweckadäquaten Bewertungsverfahrens stellt der Entwurf grds auf dessen Tauglichkeit und Aussagekraft im konkreten Bewertungsfall ab, in deren Beurteilung auch die Verfügbarkeit von bewertungsrelevanten (Markt-)Daten und das spezifische Geschäftsmodell des zu bewertenden Unternehmens einfließen.16 Wie bisher soll der objektivierte Unternehmenswert mithilfe eines kapitalwertorientierten Verfahrens (DCF-Verfahren, Ertragswertverfahren) ermittelt werden, wobei marktpreisorientierte Verfahren (Multiplikatorverfahren) nur zur Beurteilung der Plausibilität des Bewertungsergebnisses herangezogen werden. Diese Logik gilt nach dem Entwurf auch für den typisierten subjektiven Unternehmenswert.

Der Marktwert soll hingegen durch eine gleichzeitige und gleichrangige Anwendung sowohl eines kapitalwertorientierten Verfahrens als auch eines marktpreisorientierten Verfahrens ermittelt werden.17 Da aus dieser Methodenpluralität idR eine Wertbandbreite resultiert, ist der Marktwert daraus unter Würdigung der Aussagekraft der angewendeten Bewertungsverfahren für den konkreten Einzelfall abzuleiten. Der Gutachter hat daher im Rahmen der Wertfestlegung zu entscheiden, ob er im konkreten Einzelfall die Wertermittlung mithilfe eines kapitalwertorientierten Verfahrens für aussagekräftiger, gleich aussagekräftig oder weniger aussagekräftig als jene mithilfe eines marktpreisorientierten Verfahrens erachtet. In diese Beurteilung fließen nach dem in KFS/BW E 1 Rz 48 verankerten allgemeinen Grundsatz auch die Verfügbarkeit von bewertungsrelevanten (Markt-)Daten und das spezifische Geschäftsmodell des zu bewertenden Unternehmens ein. Bei marktpreisorientierten Verfahren kommt der Aussagekraft der erhobenen Multiplikatoren entscheidende Bedeutung zu.18

Wie bisher ist die Plausibilität des Bewertungsergebnisses durch eine Analyse der Börsenkurse oder Transaktionspreise zu beurteilen, wenn Anteile am zu bewertenden Unternehmen an einer Börse notieren oder für das zu bewertende Unternehmen Informationen über realisierte Transaktionspreise in zeitlicher Nähe zum Bewertungsstichtag vorliegen. Neu ist, dass dabei auch Angebotspreise zu berücksichtigen sind, die sich aus verbindlichen Kaufangeboten für das Bewertungsobjekt in zeitlicher Nähe zum Bewertungsstichtag ergeben.19

Der Entwurf enthält auch methodische Hinweise zur Wertermittlung bei sog "Make-or-Buy-Entscheidungen". Besteht die relevante Alternative zum Erwerb eines Unternehmens in dessen Nachbau oder in der Neuerrichtung eines vergleichbaren Unternehmens, kann der Unternehmenswert nach dem Entwurf als Barwert der Differenzen zwischen den finanziellen Überschüssen bei Unternehmenserwerb und jenen bei Nachbau oder Neuerrichtung ermittelt werden.20

5. Bewertungsrelevante finanzielle Überschüsse und Plausibilität der Planung

5.1. Erwartungstreue Planung

Eine weitere Neuerung besteht darin, dass im Entwurf grds zwischen einer "Management-Planung", die von der Unternehmensleitung vorgelegt wird, und einer "erwartungstreuen Planung", die der Bewertung zugrunde zu legen ist, unterschieden wird.21 Wenngleich das Erfordernis der Heranziehung von Erwartungswerten für die Planung bereits nach dem aktuell gültigen Fachgutachten besteht, wird mit den neu gewählten Begriffen die Abgrenzung zwischen der für die Bewertung relevanten erwartungstreuen Planung und der Management-Planung betont. Der IDW ES 1 nF enthält eine vergleichbare Unterscheidung zwischen der Management-Planung und der sog "Zukunftserfolgsplanung", die der Bewertung zugrunde zu legen ist, und stellt die Verantwortlichkeit des Wirtschaftsprüfers für die Eignung der Zukunftserfolgsplanung für Bewertungszwecke ausdrücklich heraus.22

Mithilfe der Planungsrechnung werden grds jene Zahlungsströme ermittelt, die bei kapitalwertorientierten Verfahren (Ertragswert- und DCF-Verfahren) mit einem risikoadäquaten Diskontierungszinssatz abzuzinsen sind. Wie bereits im aktuell gültigen Fachgutachten ausdrücklich festgehalten wird, sieht auch der Entwurf weiterhin vor, dass die Unternehmensbewertung grds auf einer möglichst umfassenden, von der Unternehmensleitung erstellten integrierten Planungsrechnung zu basieren hat, die ihre Zusammenfassung in Plan-Bilanzen, Plan-Gewinn- und Verlustrechnungen und Finanzplänen findet. Dabei hat die Planungsrechnung die prognostizierte leistungs- und finanzwirtschaftliche Entwicklung im Rahmen der erwarteten Markt- und Umweltbedingungen zu reflektieren. Unter Berücksichtigung der beschafften Informationen und der Erkenntnisse aus der vergangenheits-, stichtags- und zukunftsorientierten Unternehmensanalyse sind aus dieser Planungsrechnung die künftigen finanziellen Überschüsse abzuleiten. Thesaurierungen finanzieller Überschüsse des Unternehmens und deren Verwendung sind in der Planungsrechnung zu berücksichtigen.23

Während Planungsrechnungen im Allgemeinen Informationen aus der Vielzahl an Marktdaten ziehen, sind Management-Planungen im Konkreten in nachvollziehbarer Weise neben objektiven Marktdaten auch von subjektiven Erwartungen und vom Planungsanlass geprägt. Eine vom Management erstellte Planungsrechnung kann somit von gewissen Ambitionen der Planersteller beeinflusst bzw zielgerichtet sein, sodass die Chancen und Risiken, denen das Unternehmen ausgesetzt ist, nicht immer in ausgewogener und angemessener Art und Weise in der Planungsrechnung dargestellt werden.

Vor diesem Hintergrund postuliert der Entwurf des neuen Fachgutachtens die Verwendung einer erwartungstreuen Planungsrechnung, die Abweichungen von der Management-Planung aufweisen kann. Der Begriff "erwartungstreu" bedeutet, dass die geplanten finanziellen Überschüsse den aus den zukünftigen Entwicklungen abgeleiteten Erwartungswerten entsprechen und keine bewussten Über- oder Unterschätzungen enthalten sollen. Die Planung erfolgt unter Berücksichtigung aller zum Bewertungsstichtag verfügbaren Informationen, die die Unternehmensentwicklung beeinflussen können.

Dient eine Management-Planung als Ausgangspunkt für die Bewertung, ist diese dahin gehend zu beurteilen, ob sie erwartungstreue Planansätze für die finanziellen Überschüsse ausweist. Dabei ist der Zweck zu beachten, für den die zu beurteilende Management-Planung erstellt wurde (etwa zur Abbildung von Zielgrößen für die Unternehmenssteuerung, von ambitionierten Werten, von realistischen Werten oder von konservativen Werten). Sind die in der Management-Planung ausgewiesenen Planansätze nicht erwartungstreu, sind entsprechende Anpassungen durch den Bewerter vorzunehmen.

Ein wesentliches Merkmal der erwartungstreuen Planungsrechnung ist dabei die sachgerechte Berücksichtigung von Unsicherheiten und Risiken. Anstatt eine deterministische Planung mit einem einzigen Szenario zu erstellen, kann die Bandbreite möglicher zukünftiger Ereignisse und deren Eintrittswahrscheinlichkeiten durch die Simulation unterschiedlicher Szenarien oder die Anwendung von Monte-Carlo-Analysen ermittelt werden.24 Das Ziel besteht darin, einen gewichteten Durchschnitt aller möglichen Szenarien zu bilden, um auf diese Weise die realistischste Schätzung der zukünftigen Unternehmensentwicklung im Sinne einer erwartungstreuen Planung zu erhalten.

In diesem Zusammenhang spielt auch das Insolvenzrisiko eine wichtige Rolle. So hält der Entwurf dazu explizit fest, dass im Rahmen der Ableitung einer erwartungstreuen Planung zu untersuchen ist, inwieweit das Unternehmen einem wesentlichen Insolvenzrisiko unterliegt. Die Berücksichtigung von bewertungsrelevanten Insolvenzrisiken kann - wie bisher - durch den Ansatz von Insolvenzwahrscheinlichkeiten erfolgen, die ua aus Ratings abgeleitet werden können, wobei auch auf sog "synthetische Ratings" zurückgegriffen werden kann.25

Die Qualität der zugrunde liegenden Daten und Annahmen ist von entscheidender Bedeutung. Da jede Planungsrechnung auf Annahmen basiert, müssen diese plausibel, nachvollziehbar und gut dokumentiert sein. Eine hohe Transparenz und Konsistenz der Planungsannahmen führt zu einer höheren Glaubwürdigkeit der Bewertung und verringert das Risiko von Abweichungen zwischen der Planung und der tatsächlichen Unternehmensentwicklung.

5.2. Beurteilung der Plausibilität der Planung

Die Überleitung einer Management-Planung in eine erwartungstreue Planung erfolgt auf Basis einer Plausibilitätsbeurteilung. Dafür enthält der Entwurf zusätzliche Konkretisierungen im Vergleich zur aktuell gültigen Fassung.

Die Plausibilitätsbeurteilung umfasst wie bisher die formelle und die materielle Planungsplausibilisierung. Im Rahmen der Beurteilung der materiellen Plausibilität der Planung wird nun, in Anlehnung an den IDW Praxishinweis 2/2017, explizit zwischen der Analyse der internen und der externen materiellen Plausibilität unterschieden.

Bei der Analyse der internen materiellen Plausibilität soll untersucht werden, ob die Annahmen intersubjektiv nachvollziehbar und konsistent zu den Erläuterungen des Managements sowie zu den Erkenntnissen aus der Unternehmensanalyse (einschließlich Vergangenheitsanalyse) sind. Für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Planung der finanziellen Überschüsse kann auch ein Soll-Ist-Vergleich von in der Vergangenheit vom Unternehmen erstellten Planungsrechnungen dienlich sein.

Im Rahmen der Beurteilung der externen materiellen Plausibilität soll untersucht werden, ob die Annahmen der Planung im Widerspruch zu den Ergebnissen der Markt- und Wettbewerbsanalyse stehen. Dabei soll auch auf die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells sowie auf etwaige Chancen und Bedrohungen im Detailplanungszeitraum bis hin zur Rentenphase Bedacht genommen werden. In diesem Zusammenhang sind nach dem Entwurf die Auswirkungen von ESG-Faktoren ebenso wie Chancen und Risiken aus technologischen, (volks)wirtschaftlichen oder rechtlichen Veränderungen auf das Geschäftsmodell zu würdigen.

Neben den allgemeinen Anforderungen knüpft der Entwurf die Plausibilitätsbeurteilung der Planung auch an die Besonderheiten des anzuwendenden Wertmaßstabs. Diese Grundprämisse führt zu einem Paradigmenwechsel bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts, auf den im folgenden Abschnitt näher eingegangen wird.

Bei der Ermittlung eines typisierten subjektiven Unternehmenswerts ist die Plausibilität der subjektiven Planansätze nach dem Entwurf mithilfe beobachtbarer Marktinformationen und Erwartungen unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Bewertungssubjekts zu beurteilen. Die Plausibilität der subjektiven Planansätze ist insb dann gegeben, wenn sie innerhalb der Bandbreite beobachtbarer Marktinformationen und Erwartungen liegen.

Die Regelungen zur mangelhaften oder fehlenden Planungsrechnung entsprechen im Wesentlichen den Regelungen des aktuell gültigen Fachgutachtens. Durch die Einführung des Begriffs der erwartungstreuen Planung im Unterschied zur Managementplanung werden jedoch die Eigenverantwortlichkeit des Bewerters und die Notwendigkeit von Planungsanpassungen im Fall von mangelhaften oder unplausiblen Planungsrechnungen hervorgehoben.

6. Objektivierter Unternehmenswert

Nach KFS/BW E 1 nF Rz 16 ist der objektivierte Unternehmenswert unter typisierenden und objektivierenden Annahmen aus der Perspektive eines Investors zu ermitteln, der über einen Informationsstand verfügt, der einer unternehmensinternen Perspektive entspricht. Er repräsentiert jenen Unternehmenswert, der sich unter der Annahme finanzieller Kontrolle bei Fortführung des Unternehmens mit allen realistischen Zukunftserwartungen im Rahmen der Marktchancen und -risiken, der finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens sowie der sonstigen Einflussfaktoren ergibt.

Anders als im aktuell gültigen Fachgutachten beinhaltet die Definition des objektivierten Unternehmenswerts im Entwurf nunmehr die explizite Festlegung eines (abstrakten) Bewertungssubjekts in Form eines typisierten Investors, der umfassend informiert ist, weil er - neben allgemein zugänglichen unternehmensexternen Informationen26 - auch über die relevanten unternehmensinternen Informationen verfügt. Darüber hinaus ist für den typisierten Investor zu unterstellen, dass er rational handelt, ausschließlich finanzielle Ziele verfolgt und risikoavers ist.27 Ebenfalls neu ist der Hinweis auf die Annahme finanzieller Kontrolle, der zum Ausdruck bringt, dass bei der objektivierten Bewertung von Minderheitsanteilen von einer quotalen Verteilung der Unternehmenserfolge auszugehen ist, sodass keine einseitigen Sondervorteile anderer Gesellschafter zulasten der Minderheiten oder Informationsasymmetrien zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern zu berücksichtigen sind.28

Nach dem Entwurf ist die Plausibilität der Planung bei der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte aus Marktsicht zu beurteilen. Ausgehend von jener Erwartungshaltung, die sich aus beobachtbaren Marktinformationen ableiten lässt, ist aus der Perspektive eines typisierten Investors zu untersuchen, ob die Planansätze unter Berücksichtigung auch der unternehmensinternen Informationen plausibel sind.29

Bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts kann nach dem Entwurf unterstellt werden, dass die tatsächliche, in der Planungsrechnung abgebildete Unternehmenspolitik hinreichend optimiert ist. Sollten jedoch wesentliche, offenkundige Ineffizienzen (insb in Bezug auf die geplante Investitions- und Finanzierungspolitik) bestehen, deren Behebung für einen Investor zum Bewertungsstichtag möglich, rechtlich zulässig und finanzierbar wäre, ist von der vorgelegten Planung abzugehen.30 Auch Maßnahmen, die zur strukturellen Veränderung des Geschäftsmodells führen, dürfen berücksichtigt werden, wenn sie auf Grundlage der zum Bewertungsstichtag bestehenden Möglichkeiten und Verhältnisse des Unternehmens und des Marktes zu erwarten sind. Geplante Erweiterungsinvestitionen sind nach dem Entwurf auch dann zu berücksichtigen, wenn sie zum Bewertungsstichtag noch nicht eingeleitet sind.31

Im Vergleich zum aktuell gültigen Fachgutachten kommt es daher nach dem Entwurf zu einer erweiterten Berücksichtigung von zukünftigen Ertragspotenzialen durch den Bewerter. Die Korrekturverpflichtung betreffend die Optimierung der Unternehmenspolitik (Stichwort "highest and best use") ist jedoch auf die Fälle des Vorliegens von wesentlichen und offenkundigen Ineffizienzen beschränkt. Eine vergleichbare Regelung findet sich im IDW ES 1 nF nicht. Da dort für die Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts auf die Perspektive eines Eigenkapitalgebers abgestellt wird, der keinen Einfluss auf die Geschäftspolitik hat,32 erscheint unklar, in welchem Umfang Strukturänderungen oder die Behebung von offenkundigen Ineffizienzen überhaupt in die Wertermittlung einfließen.

Bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswertes ist nach dem Entwurf wie bisher grds von durchschnittlichen Managementleistungen auszugehen. Soweit Erfolgsbeiträge nur durch spezielle Personen erzielt werden können, sind diese aus der Bewertung auszuscheiden, was vor allem im Bereich der KMU-Bewertung von Relevanz ist und in den Spezialbestimmungen für diese Bewertungsobjekte noch detaillierter ausgeführt wird.

Der Entwurf konkretisiert nunmehr, dass der objektivierte Unternehmenswert keine Abgeltung von Eigenschaften des Unternehmens oder Unternehmensanteils berücksichtigt, die nur für einen spezifischen Investor wertrelevant sind, anderen Investoren aber nicht zugänglich sind.33 Eine vergleichbare Regelung fehlte bislang im Fachgutachten und konnte nur aus der facheinschlägigen Literatur abgeleitet werden.34 Nach dem Entwurf sollen bei der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte weiterhin nur sog "realisierte Synergieeffekte" berücksichtigt werden.35 Abweichend davon lässt IDW ES 1 nF die Berücksichtigung von Synergieeffekten für den Fall zu, dass zum Bewertungsstichtag die konkrete Möglichkeit und Erwartung besteht, einen wirtschaftlichen Unternehmensverbund einzugehen.36

Die Ermittlung des objektivierten Werts eines Unternehmensanteils erfolgt, wie bisher, gemäß dem gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als quotaler Anteil am Gesamtwert, sofern nicht eine unterschiedliche Ausstattung mit Vermögensrechten vorliegt. Die Berücksichtigung von Zu- oder Abschlägen für das Beteiligungsausmaß bzw für das Fungibilitätsrisiko ist nach dem Entwurf bei der Ermittlung des objektivierten Unternehmenswertes weiterhin nicht geboten.37

7. Ermittlung von Marktwerten

Bei Anwendung von kapitalwertorientierten und marktpreisorientierten Verfahren sollen für die Ermittlung von Marktwerten weitgehend die gleichen Grundsätze gelten wie für die Ermittlung von objektivierten Unternehmenswerten, wiewohl hier besonders auf die Bedeutung von marktbezogenen Input-Daten hingewiesen wird. Dies gilt sowohl bei der Anwendung von marktpreisorientierten als auch von kapitalwertorientierten Verfahren. Ein Unterschied besteht bei der Ermittlung von Marktwerten allerdings im Hinblick auf das Ziel der Schätzung eines Transaktionspreises (vor Abzug von Veräußerungskosten) darin, dass marktpreisorientierte Verfahren gleichwertig zu kapitalwertorientierten Verfahren angewendet werden müssen, da auch die tatsächlich erzielten Preise und damit die Angebots- und Nachfragesituation auf den Kapitalmärkten zum Bewertungsstichtag zu berücksichtigen ist. Aufgrund der Bedeutung der marktpreisorientierten Verfahren für die Ermittlung von Marktwerten müssen deren Input-Daten daher auch entsprechend sorgfältig erhoben werden, womit bei der Ableitung von Multiplikatoren aus Börsenkursen oder Transaktionspreisen für vergleichbare Unternehmen idR eine umfangreiche Informationsbeschaffung und eine Datenbereinigung auf Basis einer ausreichenden Marktkenntnis erforderlich sein werden.

Berücksichtigung finden sollen nach dem Entwurf auch die Einflüsse etwaiger Transaktionskosten und transaktionsbedingter Ertragsteuerwirkungen auf die Preiserwartung,38 was in der Praxis insb bei Transaktionen von Immobiliengesellschaften oder auch von (Teil-)Betrieben (sog "Asset-Deals") zu beobachten ist.

Im Unterschied zur Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts muss aufgrund der Veräußerungsfiktion bei der Marktwertermittlung von Anteilen an nicht börsennotierten Unternehmen das Risiko aus einer vergleichsweise geringeren Fungibilität beachtet werden.39 Damit wird die fehlende Möglichkeit angesprochen, den betreffenden Anteil schnell und ohne signifikante Kosten zu verkaufen.40 Der dafür angesetzte "Discount for Lack of Marketability" berücksichtigt den erwarteten höheren finanziellen und zeitlichen Aufwand bei der Veräußerung des nicht marktgängigen Unternehmensanteils im Vergleich zu börsennotierten Anteilen.41

Der in der Bewertungspraxis am häufigsten zu beobachtende Unterschied zur Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts wird bei der Bewertung von Unternehmensanteilen auftreten. Wird der objektivierte Wert von Anteilen quotal aus dem Gesamtwert abgeleitet, ist sowohl dem Fungibilitätsrisiko als auch dem Beteiligungsausmaß bei der Marktwertermittlung jedenfalls Rechnung zu tragen. Letzteres wird sowohl bei marktpreisorientierten Verfahren als auch bei der indirekten Methode bei kapitalwertorientierten Verfahren durch die Anwendung von Zuschlägen oder Abschlägen für Mehrheits- bzw Minderheitsanteile berücksichtigt.42 Bei kapitalwertorientierten Verfahren nach der direkten Methode werden unmittelbar die aus dem Unternehmensanteil zu erwartenden finanziellen Überschüsse diskontiert.

8. Ermittlung von typisierten subjektiven Unternehmenswerten

Der neu eingeführte Wertmaßstab des typisierten subjektiven Unternehmenswerts unterscheidet sich vom bisher definierten rein subjektiven Unternehmenswert durch die intersubjektive Nachvollziehbarkeit bzw Schlüssigkeit der angewendeten Annahmen, wobei als Plausibilitätsmaßstab die Bandbreite beobachtbarer Marktinformationen und -erwartungen ausreicht.43 Geplante und auch für Dritte nachvollziehbare Maßnahmen, die zu strukturellen Veränderungen des Geschäftsmodells (wie die Eröffnung oder Schließung von Geschäftsbereichen bzw wesentliche Kapazitätsveränderungen) oder auch des Managements führen, können bei der Bewertung berücksichtigt werden. Ferner sind hier sämtliche (sowohl positive, aber auch negative) Synergieeffekte zu berücksichtigen, die sich - intersubjektiv nachvollziehbar - durch die den Bewertungsanlass auslösende Transaktion oder Maßnahme aus der Sicht des Bewertungssubjekts realisieren lassen. Die Annahmen über die künftige Finanzierungs- und Ausschüttungspolitik sowie die laufenden Ertragsteuerwirkungen sind aus Sicht des Bewertungssubjekts zu treffen. Ferner sind auch allfällige transaktionsbedingte Steuerwirkungen zu berücksichtigen.44

Wenn davon auszugehen ist, dass das Bewertungsobjekt nicht langfristig gehalten werden soll, ist wie bei der Marktwertermittlung ein Fungibilitätsrisiko zu berücksichtigen. Auch bei der Bewertung von Unternehmensanteilen mithilfe der indirekten Methode sind etwaige Zu- oder Abschläge zum bzw vom quotalen Wert für Mehrheits- bzw Minderheitsanteile zu berücksichtigen.45

Der typisierte subjektive Unternehmenswert entspricht somit nicht zwingend dem individuellen subjektiven Entscheidungswert, er kann allerdings etwa im Rahmen der Überprüfung der Angemessenheit von Kaufpreisentscheidungen (zB bei Fairness Opinions, Übernahmeverfahren etc) oder bei der Bewertung von Sacheinlagen große Praxisrelevanz erlangen. Im IDW ES 1 nF wird dieses Wertkonzept als "plausibilisierter Entscheidungswert" bezeichnet und nach vergleichbaren Prämissen ermittelt. Das konzeptionelle Pendant in der internationalen Rechnungslegung ist der Nutzungswert (Value in Use).

9. Bewertung von kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU)

Aufgrund ihrer hohen praktischen Bedeutung für die österreichische Unternehmenslandschaft wurden die Empfehlungen zur Bewertung von KMU erheblich erweitert und insb um Aussagen zur Übertragbarkeit der Ertragskraft, zu den Annahmen zur Lebensdauer sowie zur Schätzung der Eigenkapitalkosten von KMU ergänzt. Die Unterscheidung zwischen KMU und anderen (großen) Unternehmen erfolgt im Entwurf primär über qualitative und nicht über quantitative Merkmale.

Der neue Abschnitt zur übertragbaren Ertragskraft bei KMU unterscheidet in Anlehnung an den IDW Praxishinweis 1/2014 zwischen den Fällen einer nicht übertragbaren Ertragskraft, einer partiell oder temporär übertragbaren und einer vollständig übertragbaren Ertragskraft in Bezug auf die Auswirkung von persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten auf die finanziellen Überschüsse.46 Er enthält ferner Hinweise zur Identifikation von personenbezogenen Erfolgsfaktoren, die meist aus Beziehungen zu Kunden und Lieferanten, Führungsqualitäten, Spezialwissen oder Kreativität resultieren. Anpassungen der Ertragsplanung sind nach dem Entwurf vorzunehmen, wenn diese personenbezogenen Erfolgsbeiträge nicht in vollem Umfang oder dauerhaft erzielt werden können. In Abhängigkeit von Indikatoren wie Vertragslaufzeiten, Produktlebenszyklen oder Wettbewerbssituation wird auf Basis des sog "Abschmelzmodells" eine Verflüchtigung der personenbezogenen Erfolgsfaktoren über einen gewissen Zeitraum empfohlen. Sind diese nur temporär oder gar nicht übertragbar, sind unter Beachtung der Beschäftigungsdauer der relevanten Schlüsselpersonen plausible Annahmen zur begrenzten Lebensdauer des Unternehmens und dessen Verwertung zu treffen.

Für die Schätzung der Eigenkapitalkosten von KMU stellt der Entwurf auf die Vergleichbarkeit des operativen Risikos des zu bewertenden KMU mit jenem der identifizierten börsennotierten Vergleichsunternehmen ab und sieht für den Fall vergleichsweise höherer operativer Risiken von KMU, insb aufgrund des Kunden-, Produkt- und Leistungsportfolios, die entsprechende Anpassung der finanziellen Überschüsse oder der Eigenkapitalkosten vor. Auf das Erfordernis der Vermeidung einer doppelten Berücksichtigung von Risiken wird ausdrücklich hingewiesen.47

Die Besonderheiten bei der Bewertung von KMU sind im IDW ES 1 nF (in Zusammenschau mit dem IDW Praxishinweis 1/2014) ähnlich geregelt wie in Österreich. Allerdings sieht IDW ES 1 nF bei der Abgrenzung des Bewertungsobjekts vor, dass zwar marktgerechte Tätigkeitsvergütungen für Unternehmer und Familienangehörige anzusetzen sind, nicht marktgerechte Konditionen für die Nutzung von privaten Vermögenswerten aber zumindest für die unkündbare Vertragslaufzeit und allenfalls auch darüber hinaus zu berücksichtigen sind.48 Eine vergleichbare Regelung ist in KFS/BW E 1 nF nicht enthalten.

10. Ausblick

Der vorliegende Entwurf einer Neufassung des Fachgutachtens KFS/BW 1 beinhaltet wesentliche Neuerungen, deren Kernelemente in der Einführung der neuen Wertmaßstäbe des Marktwerts und des typisierten subjektiven Entscheidungswerts liegen. Damit werden der Bewertungspraxis neben dem objektivierten Unternehmenswert und dem Schiedswert zwei weitere Wertmaßstäbe zur Verfügung gestellt und es wird die Möglichkeit eröffnet, eine differenziertere Auswahl des für den jeweiligen Bewertungsanlass geeigneten Wertmaßstabs zu treffen.

Nach einer Evaluierung des Entwurfs auf Basis der im Rahmen des Public Posting eingelangten Rückmeldungen soll die Neufassung des Fachgutachtens im Laufe des zweiten Quartals 2025 beschlossen werden. Parallel dazu sollen die Empfehlungen KFS/BW 1 E 1 bis E 8 überarbeitet werden. Als Hilfestellung für die in der Praxis häufig durchzuführenden rechtsgeprägten bzw normorientierten Unternehmensbewertungen plant der Fachsenat ferner die Ausarbeitung einer Empfehlung zur Frage, welcher der im Entwurf definierten betriebswirtschaftlichen Wertmaßstäbe den jeweiligen rechtlich determinierten Wertmaßstäben am ehesten entspricht.


2

Der Entwurf des deutschen Standards IDW ES 1 nF steht auf der Website des IDW (www.idw.de) zum Download zur Verfügung. Das Public Posting läuft bis 31. Mai 2025.


3

Vgl IDW ES 1 nF Tz 23.


4

So etwa die International Valuation Standards (IVS) in Abschnitt 102 (effective 31 January 2025).


5

Siehe dazu Fishman/Pratt/Morrison, Standards of Value, 2nd ed (2013).


6

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 11.


7

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 12. Zur Unterscheidung von marktbezogenen Werten und subjektiven Werten vgl Nicklas, Vergleich nationaler und internationaler Standards der Unternehmensbewertung (2008) 27.


8

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 12. Zu dieser grundlegenden Unterscheidung vgl Spann, Die Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre auf lehrgeschichtlicher Grundlage II (1969) 67 ff; Fishman/Pratt/Morrison, aaO 20 f.


9

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 14.


10

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 13.


11

Siehe dazu AFRAC-Stellungnahme 24 Rz 15.


12

Dies deckt sich mit dem in IDW ES 1 nF Tz 19 verankerten Grundsatz, wonach der objektivierte Unternehmenswert in Bewertungsanlässen zur Anwendung kommt, in denen ein Interessengegensatz zwischen verschiedenen Parteien besteht und eine Gleichbehandlung benötigt wird.


13

Zu dieser Kritik siehe Aschauer‚ Die rechtsgeprägte Unternehmensbewertung - Anpassungsnotwendigkeiten des objektivierten Unternehmenswerts, in Bertl et al (Hrsg), Wertmaßstäbe - Wiener Bilanzrechtstage 2018 (2019) 71 ff; Gass/Wirth, Wertkonzepte und Wertbegriffe bei rechtsgeprägten, rechnungslegungsbezogenen und steuerlichen Unternehmensbewertungen, in FS Bertl (2021) 1055 ff; Rabel, International Valuation Standards (IVS) im Vergleich mit dem Fachgutachten KFS/BW 1 zur Unternehmensbewertung, in FS Bertl (2021) 1100 ff; Schweighart, Der objektivierte Unternehmenswert auf dem Prüfstand der Bewertungspraxis, in FS Bertl (2021) 1107 ff. Abweichend davon sehen Aschauer/Purtscher, Preis & Wert, RWZ 2024, 296 (303 f), den objektivierten Unternehmenswert hingegen offenbar als Überbegriff für alle objektivierten Wertmaßstäbe und betrachten auch den Marktwert als Ausprägungsform des objektivierten Unternehmenswerts.


14

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 27.


15

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 28 ff.


16

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 48.


17

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 53.


18

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 49.


19

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 54.


20

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 51.


21

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 63.


22

Vgl IDW ES 1 nF Tz 52.


23

Vgl KFS/BW 1 Rz 58; so auch KFS/BW E 1 nF Rz 71.


24

Siehe dazu zB Gleißner/Wolfrum, Risikoaggregation und Monte-Carlo-Simulation - Schlüsseltechnologie für Risikomanagement und Controlling (2019).


25

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 64.


26

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 122.


27

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 8.


28

Vgl Ruthardt/Hachmeister, Unternehmensbewertung zur Abfindungsbemessung, ZfBF 2018, 47 (52).


29

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 122.


30

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 123.


31

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 124.


32

Vgl IDW ES 1 nF Tz 16 und 74.


33

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 17.


34

Bspw Berger/Knoll, Objektivierte Unternehmensbewertung und internationale Bewertungsstandards, BewertungsPraktiker 4/2009, oder Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert3 (2018).


35

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 128.


36

Vgl IDW ES 1 nF Tz 79 ff.


37

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 136.


38

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 140.


39

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 144.


40

Vgl Pratt, Valuing a Business5 (2008) 416.


41

Vgl Cheridito/Schneller, Discounts und Premia in der Unternehmensbewertung, Der Schweizer Treuhänder 2008, 416 (419).


42

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 145 f.


43

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 147.


44

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 148 ff.


45

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 159.


46

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 167.


47

Vgl KFS/BW E 1 nF Rz 182.


48

Vgl IDW ES 1 nF Tz 158.


Artikel-Nr.
RWZ digital exklusiv 2025/34

10.01.2025
Autor/in
Marcus Bartl

WP/StB MMag. Marcus Bartl, CVA ist Partner der BDO Austria GmbH und Mitglied des Executive Boards. Er ist zudem Mitglied des Fachsenats für Betriebswirtschaft der Kammer für Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen sowie stellvertretender Vorsitzender des Fachsenats für Unternehmensbewertung. Er ist allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger.

Klaus Rabel

Univ.-Prof. Dr. Klaus Rabel ist Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmensbewertung und wertorientierte Unternehmensführung an der Karl-Franzens-Universität Graz, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, CVA (EACVA), Partner bei Deloitte und Geschäftsführer bei Rabel & Partner, Graz. Er ist Vorsitzender des Fachsenats für Unternehmensbewertung der Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen sowie Autor zahlreicher Fachpublikationen zur Unternehmensbewertung und zum Umgründungssteuerrecht.

Felix Wirth

Mag. Felix Wirth ist Wirtschaftsprüfer und Senior Advisor bzw ehemaliger Partner bei PwC Österreich sowie Mitglied des Fachsenats für Unternehmensbewertung der Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen.